Kölner Sammler Michael Horbach„Die Wenigsten können von ihrer Kunst leben“
Köln – Herr Horbach, im Mai jährt sich die Eröffnung ihrer Kunsträume zum zehnten Mal. Sie zeigen dort vor allem sozial engagierte Dokumentarfotografie. Warum?
Die Kunsträume sind Teil meiner Stiftung, deren Zweck es ist, Menschen in Not zu helfen und Künstler zu unterstützen, die ja zum Großteil auch materiell in Not sind. Nur wenige können von ihrer Kunst leben. Gerade diese Fotografen brauchen unsere moralische und finanzielle Unterstützung. Wenn sie Arbeiten verkaufen, bekommen sie bei mir 100 Prozent der Erlöse, auch der mit 10000 Euro dotierte Fotopreis meiner Stiftung an sozial engagierte Fotografen dient diesem Zweck. Für mich ist es zudem logisch und konsequent, dass ich mit Ausstellungen wie „Landwirtschaft der Gifte“, „Auf der Flucht“ oder „4 Frauen in Kabul“ auf die Nöte und Missstände in der Welt aufmerksam mache.
Die Kunsträume sind das Schaufenster Ihrer 20-jährigen Stiftungstätigkeit. Sie unterstützen Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika. Wie hilft die Kunst dabei?
Seit Jahren hat die Stiftung wegen der neoliberalen Geld- uns Zinspolitik kaum Einnahmen, das ist quasi eine kapitalistische Enteignung der Sparer. Darunter leiden auch die Stiftungen. Von den Besuchern meiner Kunsträume bekomme ich häufig lobende Anerkennung für mein Engagement, für die Themen der Ausstellungen und dafür, dass ich alles privat schultere. Der eine oder andere wird sogar zum Förderer der Stiftung. Mit dem Fotografen Thomas Karsten arbeite ich seit vielen Jahren zusammen, er lebte mehrere Jahre in Uganda und schlug mir das Projekt „Fahrräder für Uganda“ vor. Er ist selbst mit einem gemieteten LKW und 100 Rädern durch die Dörfer gezogen und hat sie in Zusammenarbeit mit dem Dorfältesten an bedürftige Familien verteilt und so Kleinunternehmer geschaffen, denn das Rad dient als Lasten- und Personentaxi.
Sie vergeben Stipendien an Fotografinnen, die dann hier in Köln leben und arbeiten können. Sehen die etwas in der Stadt, was uns Einheimischen entgeht?
Ja, sie sehen anders, die haben oft einen anderen Blick. Auf Mallorca gibt es keine Flüsse, so erklärte mir der Mallorquiner Pepe Cañibate seine besondere Faszination für den Rhein und seine Ufer, denen er im Blick auf Deutz oder Porz eine mitunter nie gesehene Schönheit entlockt. Der Franzose Bruno Frerejean hat einige Wochen ein Kölner Obdachlosenpaar mit zwei Hunden begleitet und zeigte poetische Fotografien von einem jungen, sympathischen Paar, das so gar nicht zu unseren gängigen Vorstellungen von Obdachlosen passt. Der Kubaner Alfredo Sarabia Junior hat sehr untypische Bilder vom Dom geschossen. Die Kathedrale war in Köln sein Kompass. Man sieht auf allen Fotografien nur die Domspitzen. So findet er ihn poetischer, so begegnete er ihm am häufigsten.
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Wie hat sich die Unterstützung für Ihre Projekte in den letzten Jahren entwickelt? Gab es einen Knick wegen der „Flüchtlingskrise“?
Nein, einen Knick wegen der Flüchtlingskrise konnte ich nicht feststellen. Man muss natürlich aufpassen, dass man sein Publikum mit zu vielen Ausstellungen zu diesem Thema nicht überfordert. In den letzten Jahren haben sich die Anfragen wegen finanzieller Unterstützung deutlich erhöht. Damit bin ich finanziell überfordert und ich musste viele enttäuschen. Das tut weh. Ich könnte also viel, viel mehr Geld gebrauchen, es gäbe tausend gute Möglichkeiten, es sinnvoll für Künstler und Notleidende auszugeben. Aber das professionelle Fundraising ist irgendwie nicht mein Ding. Das größte Projekt sind natürlich die „Kunsträume“, die ich fast vollständig aus eigener Tasche finanziere. Mit deren sozialer Rendite bin ich sehr zufrieden.
Wie hat sich die Coronapandemie auf ihre Arbeit ausgewirkt – abgesehen davon, dass Ihre große Jubiläumsausstellung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden muss?
Ja, das war schon eine große Enttäuschung! Da steckt viel Arbeit drin, aus zirka 1500 Fotografien 150 auszuwählen und eine spannende Hängung in den fünf Räumen hinzubekommen: Porträt, Erotik, Südamerika, die kubanische Revolution und Landschaft, das sind schon sehr verschiedene Themen, aber Hans-Michael Koetzle, der Kurator der Ausstellung, hat das sehr gut gelöst.
Zur Person
Michael Horbach, geb. 1950 in Aachen, verkaufte seine Wirtschaftsberatungsfirma, um im Jahr 2000 die nach ihm benannte Kölner Stiftung zu gründen. Seit Mai 2011 zeigt er in den ehemaligen Atelierräumen von Rosemarie Trockel in der Wormser Straße Ausstellungen vor allem zur Fotografiegeschichte; Horbachs Stiftung vergibt Stipendien und einen Fotografiepreis.
Die Jubiläumsausstellung mit Werken aus Horbachs Sammlung ist coronabedingt geschlossen. Der Fotograf Thomas Karsten hat einen fünfminütigen Videorundgang gedreht, zudem ist eine kostenlose Publikation zur Ausstellung erschienen. (KoM)
www.michael-horbach-stiftung.de
Hilft uns die Coronakrise, die Not anderer Menschen, etwa in fernen Ländern, besser zu verstehen? Oder blicken wir im Gegenteil nur noch uns?
Persönlich habe ich durch befreundete Fotografen in Südamerika hautnah zu spüren bekommen, wie schlimm die Situation dort ist. Sie sind verzweifelt. Ich empfinde, dass viele Menschen sensibler geworden sind für das zusätzliche Leid der Menschen in ärmeren Ländern. Trotzdem besteht die Gefahr, dass gerade die Politiker zuallererst auf ihre Wähler schauen. Der reiche Westen hat eine große Verantwortung in dieser Krise und sollte seinen moralischen Ansprüchen unbedingt Taten folgen lassen.
Und was macht Corona mit der engagierten Fotografie?
Die Fotografie greift natürlich das Thema Pandemie auf, aber die Arbeitsbedingungen sind sehr schlecht. Marcos Zimmermann lebt in Buenos Aires und berichtete mir verzweifelt, dass er zurzeit nicht arbeiten kann, da er sich nicht traut, seine Wohnung zu verlassen. Sein Erspartes ist aufgebraucht. Ich habe einige Arbeiten für ihn verkaufen können, zudem erhält er im Juli den Fotopreis meiner Stiftung. Das rettet ihn! Der Kubaner Alfredo Sarabia Junior lebt in Havanna und hat eine Fotoserie gemacht, die auf beeindruckende Weise zeigt, wie eng Leid, Leben und Freude beisammen sein können. Kuba leidet. Zu dem menschenverachtendem Finanz- und Wirtschaftsembargo der USA, dem sich Europa leider beugt, kommt jetzt auch noch Corona.