Kölner Kritikerin Mona Ameziane„Nun selbst zu lesen ist für mich eine 180-Gradwende“

Die Autorin und Kritikerin Mona Ameziane lebt und arbeitet in Köln.
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Köln – Frau Ameziane, in drei Wochen erscheint Ihr erstes Buch, „Auf Basidis Dach“. Worum geht es darin?
Ameziane: Es geht um das Aufwachsen zwischen zwei Kulturen und eine Reise nach Marokko, die ich mit meinem Vater gemacht habe. Ich habe mir viele Gedanken um meine Herkunft gemacht – wie viel Deutschland, wie viel Marokko steckt in mir? (Anm. d. Red.: Amezianes Vater stammt aus Marokko, ihre Mutter ist Deutsche. Ameziane ist geboren und aufgewachsen in Marl) Ich möchte aber auch den Leserinnen und Lesern zeigen: Schaut mal, es gibt hier dieses Land, das unglaublich spannend ist.
In der Ankündigung des Verlags steht: Sie wollten für die Arbeit an Ihrem Buch mehr Fragen stellen. Nicht nur ihrem Vater, sondern auch sich selbst. Haben sich während der Arbeit mehr Fragen beantwortet oder mehr Fragen gestellt?
Ameziane: Sowohl als auch! Das Buch war eine Suche für mich. Ich habe mir zum ersten Mal die Zeit genommen, einige Dinge, wie meine Herkunft, bis zum Kern zu denken. Im Alltag geht so etwas oft unter – während des Schreibprozesses war es daher sehr befreiend zu wissen: Das hier ist gerade meine Arbeit! Jede neue Frage, die aufkam, war super, weil ich mir den Raum dafür genommen habe. Ich hatte auch keinen Anspruch, sie alle zu beantworten – das Buch lässt auch Widersprüche zu.
Was wäre so ein Widerspruch?
Ameziane: Zum Beispiel das Thema Religion. Meine Mutter ist Christin und mein Vater Moslem, ich bin mit beiden Dingen aufgewachsen. In meiner Vorstellung dachte ich immer, dass ich mich mit 18 einfach für eine der beiden Sachen entscheiden werde. Das ist natürlich totaler Quatsch. Ich musste mir jetzt klar machen: Wie stehe ich zu beiden Welten? Muss ich mich in ein Korsett zwängen lassen und mich etwas zuordnen, oder kann ich für mich das Beste aus beidem ziehen?
„Auf Basidis Dach“ von Mona Ameziane erscheint am 7. Oktober 2021 bei Kiepenheuer&Witsch. Vorbestellungen sind bereits möglich. Am Samstag liest Mona Ameziane im Rahmen der Kölner Literaturnacht gemeinsam mit Melanie Raabe. Tickets zur Veranstaltung gibt es hier und an der Abendkasse.
Sie wollen Marokko als Land jenseits orientalischer Romantisierung oder rassistischer Stereotype zeigen. Wohin nehmen Sie die Leserinnen und Leser mit?
Ameziane: Marokko ist ein wahnsinnig vielfältiges Land, sowohl landschaftlich, als auch kulinarisch und kulturell. In meinem Buch gibt es verschiedene Stationen. Mit meinem Vater war ich lange in Fez, dem kulturellen Zentrum Marokkos. Er ist dort aufgewachsen. Ich habe mir zum Beispiel Zeit genommen, um die Medina von Fez so gut es geht zu beschreiben.
Das ist sicherlich kein Geheimtipp, aber ein beeindruckender Ort und sehr wichtig für meine Familie. Ich bin aber auch in abgelegene Dörfer gefahren, in dem Versuch, so viele Facetten wie möglich zu zeigen – ohne, dass ein Reiseführer entstehen soll.

„Auf Basidis Dach“ erscheint am 7. Oktober bei Kiepenheuer&Witsch.
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Das Buch heißt „Auf Basidis Dach“. Auf wessen Dach sitzen wir denn da?
Ameziane: Das haben mich schon sehr viele gefragt, auch von meinen Followerinnen und Followern auf Instagram, die die Entstehung des Buches begleitet haben. Da hat sich eine kleine Diskussion entsponnen: Ist Basidi ein Café? Eine Person? Ich verrate nur so viel: Alle meine marokkanischen Freundinnen und Freunde haben es sofort verstanden. (lacht) Es ist in jedem Fall etwas, das mir sehr viel bedeutet.
Sie besprechen hauptberuflich die Bücher anderer. Ist das für das Schreiben des Erstlings von Vor- oder von Nachteil?
Ameziane: Das habe ich mich auch gefragt – und ich weiß es gar nicht. Ich habe ja zum ersten Mal geschrieben und kann dadurch nicht beurteilen, ob es anderen leichter oder schwerer fällt. Für mich war es ein sehr wertvolles Jahr, in dem ich nach all der Zeit für den Hörfunk und das Fernsehen wieder zum Schreiben zurückgefunden habe und über viele persönliche Dinge nachdenken konnte.

„Auf Basidis Dach“ ist Mona Amezianes erstes Buch.
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In der Kölner Literaturnacht am Samstag lesen Sie erste Auszüge aus dem Buch vor. Wie fühlt es sich für Sie an, jetzt mal auf der anderen Seite bei einer Lesung zu sitzen?
Ameziane: Ich muss mich auf jeden Fall erstmal daran gewöhnen, dass Menschen nun mit mir über mein Buch sprechen, und nicht andersherum. (lacht) Das ist für mich eine 180-Gradwende. Ich habe mich auch mit dem Laut-Lesen beschäftigt, weil ich selbst weiß, wie schade es ist, wenn ein eigentlich toller Text nicht gut vorgetragen wird. Das Buch bedeutet mir wahnsinnig viel und ist sehr persönlich, weshalb ich gespannt darauf bin.
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Bei der „Zwischen den Zeilen“-Veranstaltung am Samstag ist neben Ihnen auch Bestseller-Autorin Melanie Raabe zu Gast. Worum wird es gehen?
Ameziane: Unsere Veranstaltung beschäftigt sich mit dem Weg zum Buch und allem, was damit zusammenhängt. Wie finde ich einen Titel? Wie entsteht ein Cover? Wie ist das Verhältnis zwischen Lektorin und Autorin? Wie finde ich einen Verlag? Wir bieten darauf zwei unterschiedliche Perspektiven, denn während ich gerade erst den kleinen Zeh ins Wasser gehalten habe, schwimmt Melanie schon im See. (lacht)
Ich bewundere ihre Arbeit und habe alles von ihr gelesen, wir haben bestimmt schon sechs bis sieben Lesungen gemeinsam gemacht. Daher weiß ich – die Chemie stimmt einfach. Trotzdem dürfen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer auch auf neue Anekdoten und Erfahrungen freuen und bekommen einen Einblick darein, was es heißt, ein Buch zu veröffentlichen.