Die Kunststadt Köln hat keinen Kunstbeirat mehr. Die Mitglieder traten frustriert zurück, weil sie erst bestellt und dann ignoriert wurden.
Kölner Kunstbeirat tritt zurückEin „Schlussstrich“, weil mit dieser Stadt nichts anzufangen ist
Wer das Kölner Stadtbild nüchtern auf sich wirken lässt, könnte auf den Gedanken kommen, die mit den Anforderungen einer gründlich verbauten Großstadt überforderte Verwaltung brauche dringend einen Beirat sachkundiger Bürger, der sie „in allen Fragen von Kunst im öffentlichen Raum“ berät. Schließlich gibt die Stadt viel Geld aus, um ihre Straßen mit Skulpturen zu verschönern und in die Jahre gekommene Denkmäler zu erhalten. Da wäre es doch erfreulich, wenn dieses Geld sinnvoll angelegt würde und nicht sang- und klanglos zwischen Bausünden und Schandflecken verschwände.
Seit bald 20 Jahren werde man immer wieder übergangen, beklagt der Beirat
Man sieht es Köln nicht unbedingt an, aber die Stadt unterhält seit langem einen solchen mit Künstlern, Kuratoren und Professoren besetzten Kunstbeirat - oder wie es im Verwaltungsdeutsch heißt: „ein vom Rat bestelltes ständiges Gutachtergremium“. Allerdings tut es dies offenbar nur, um die Ratschläge der Experten weitgehend zu ignorieren. „Wir haben versucht, der Stadt klarzumachen, dass ein grundlegender Neustart bei der Kunst im öffentlichen Raum erforderlich ist“, sagt Kay von Keitz, Vorsitzender des Kunstbeirats, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Aber diese Forderung dringt nicht bis in die Spitzen von Ratsfraktionen und Verwaltung durch.“
Seit bald 20 Jahren werde der Kunstbeirat immer wieder übergangen, alle Versuche, mit Politik und Verwaltung darüber ins Gespräch zu kommen, seien ergebnislos geblieben. Deswegen zogen die acht stimmberechtigten Mitglieder des Kunstbeirats (also diejenigen, die nicht auf Vorschlag der Politik dorthin entsandt wurden) nun „einen Schlussstrich“ und traten geschlossen von ihrem Ehrenamt zurück.
In ihrem Abschiedsbrief listen die acht Unterzeichner (neben Keitz sind dies Tobias Becker, Lutz Fritsch, Gereon Krebber, Oliver Kruse, Birgit Laskowski, Ute Piroeth und Anne Schloe) mehrere Beispiele für die Nichtbeachtung des Kunstbeirats auf. Diese Liste führt vom Grundsätzlichen zum Konkreten. So beklagen die Beiräte, dass es bis heute „kein Konzept oder auch nur erste Aktivitäten“ gebe, „die eine inhaltliche Beteiligung von Kunst und Kultur an Stadtentwicklungsprozessen ermöglichen“ würde, „so wie es die Kulturentwicklungsplanung aus dem Jahr 2019 verbindlich vorsieht“. Ob ein solches Konzept die Planungsmalaise beim Ausbau der Stadtbahn nach Meschenich verhindert hätte? Die Stadt will den Verteilerkreis mit einer Brücke queren und nimmt dabei, so der Beirat, die Zerstörung des Kunstwerks „Standortmitte“ von Lutz Fritsch in Kauf.
Die Stadt hatte es vorgezogen, den Kunstbeirat (dessen Mitglied Lutz Fritsch unmittelbar betroffen ist) bei dieser Planung nicht hinzuziehen und nachträgliche Einwände zu ignorieren. Besser ließ sich offenbar die Zusammenarbeit bei einem Wandrelief von Karl Hartung an, das der WDR im Januar 2019 von seinem Filmhaus entfernen und einlagern ließ. Es sollte auf Beitreiben des Kunstbeirats als Teil des Kunstprojekts „Cumulus“ von Christian Odzuck wiederauferstehen. Doch das Relief wollte die Stadt trotz eines entsprechenden Ratsbeschlusses nicht einmal geschenkt: „Angesichts der Haushaltslage“, heißt es dazu von der Stadt auf Anfrage, „konnte keine einheitliche Verwaltungsmeinung hergestellt werden.“
Kay von Keitz spricht von einem „traurigen Abschied“, sagt aber auch: „Von der Stadt kommt beim Thema Kunst und Stadtraum nichts. Auch das Budget für die Erhaltung bereits bestehender Skulpturen ist, vor allem verglichen mit anderen Städten, kaum der Rede wert.“ Man habe der Stadt wiederholt Vorschlage gemacht, wie man die Kunst im öffentlichen Raum auskömmlich finanzieren könne, so Keitz. „Wir plädieren für das Münchner Modell, bei der bei städtischen Bauvorhaben eine Abgabe von etwa einem Prozent der Kosten für die Finanzierung von Kunstprojekten verwendet wird.“
Die Stadt verweist auf Anfrage darauf, dass es in der Vergangenheit einige erfolgreiche Projekte mit dem Kunstbeirat gegeben habe, etwa das Stadtlabor für Kunst im öffentlichen Raum und der „Urbane Kongress“, in dessen Nachgang auch beschlossen wurde, die Kreuzblumen-Replik vor dem Dom zu versetzen, um den Taubenbrunnen Ewald Matarés daneben besser zur Geltung kommen zu lassen. Der Auftrag an die Verwaltung erging 2015. Die Kreuzblume steht allerdings, als Teil einer von Henriette Reker als „salomonisch“ gepriesenen Lösung, bis heute an ihrem Platz.