Die Stadt Köln plant, eine Brücke durch den Verteilerkreis zu bauen, direkt neben eine 50 Meter hohe Skulptur des Künstlers Lutz Fritsch. Der will notfalls dagegen klagen.
Stadt KölnWird für die KVB eine Ikone der öffentlichen Kunst vernichtet?
Öffentlich ausgestellte Kunst ähnelt einer Stecknadel im Heuhaufen der Stadt. Sie ist oft schwer zu finden und leicht zu übersehen. Der Künstler Lutz Fritsch hat seine 50 Meter hohe, leuchtend rote Stecknadel im Jahr 2008 mitten in den Kölner Verteilerkreis zur A 555, der ältesten deutschen Autobahn, gerammt, und am Bonner Ende seiner „Standortmitte“ getauften zweiteiligen Skulptur einen identischen Zwilling aufgestellt. So verbindet die Städte nicht nur der Asphalt, sondern auch ein unsichtbares Band der Kunst. Ganz nebenbei sind die stählernen Landmarken eine Kampfansage an die deutsche Automobilgesellschaft. Wenn Fritsch den Verkehr um seine Stele kreisen lässt, denkt man nicht an Abgase, sondern an ein Karussell.
Für Lutz Fritsch gleicht die geplante Bebauung der Zerstörung seines Kunstwerks
Jetzt ist das Kölner Ende der „Standortmitte“ akut gefährdet, und dies ausgerechnet durch den geplanten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Die Stadt Köln will die Trasse der Stadtbahn Süd mitten durch den Verteilerkreis führen, die derzeit favorisierte Brückenlösung würde wenige Meter von der Stahlskulptur entfernt das auch städtebaulich nicht unbedeutende Areal durchqueren. Die Stele müsste dafür zwar nicht gefällt werden. Aber ihre Wirkung wäre gekappt, klagt Fritsch, die Bebauung käme einer Zerstörung seines Kunstwerks gleich.
Am Donnerstag bestätigte der Stadtrat die Pläne der Verwaltung – weitgehend ohne Diskussion. Dabei geht es nicht nur um eines der wenigen ikonischen Kunstwerke im Kölner Stadtraum, sondern auch um eine städtebaulich bedeutende Lage. Der Verteilerkreis ist das automobile Tor der Stadt, die rote Stecknadel die südliche Visitenkarte der Kunstmetropole Köln.
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Überhaupt scheinen die Belange der Kunst bislang eine nachrangige Rolle in der Planung zu spielen – so ist jedenfalls der Eindruck von Lutz Frisch, selbst ein Kölner Bürger. Die Stadt habe ihn Anfang 2023 vor vollendete Tatsachen gestellt, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung, und lediglich ein Gutachten zu seinem Urheberrecht eingeholt. In diesem heißt es, das öffentliche Interesse am Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wiege schwerer. Im Übrigen, so die Stadt auf Anfrage, werde Fritschs Kunstwerk weder bearbeitet noch versetzt oder vernichtet. Letzteres sieht Fritsch anders und will notfalls vor Gericht klären lassen, ob ein verbautes Kunstwerk als vernichtet gelten kann.
Dieser sehr spezielle Konflikt zwischen Kunst und Klima, Lutz Fritsch und dem Ausbau des KVB-Angebots, ist seit November 2022 akut. Laut Auskunft der Stadt Köln favorisierte die Verwaltung – wie auch Fritsch – bis dahin eine „Unterfahrung“ des Kreisverkehrs. Allerdings liegt der Baubereich in einem Wasserschutzgebiet. „Im Zuge der Gefährdungsbeurteilung für das Trinkwasser mussten unterirdisch verlaufende Alternativen grundsätzlich ausgeschlossen werden“, heißt es vonseiten der Stadt. Sonst gerieten Grund- und Rohwasserspeicher möglicherweise in Gefahr. Als einzige genehmigungsfähige Alternative mit vergleichbarer Linienführung bliebe daher eine Brücke.
Die Alternative würde den Grüngürtel zerschneiden, sagt die Stadt Köln
Aktuell plant die Stadt auch mit einer Straßenbahntrasse, die statt über den Verteilerkreis über den Militärring verlaufen würde. Allerdings hätte diese Alternative „einen massiven Gehölzverlust im Bereich der denkmalgeschützten Siedlung Heidekaul“ zur Folge, so ein Stadtsprecher. Sie würde zudem den Grüngürtel, ein historisch bedeutsames Erholungsgebiet, zerschneiden, sowie den Verkehrsfluss auf dem Militärring beeinträchtigen.
All diese Probleme sieht auch Lutz Fritsch. Aber ihn stört, wie die Diskussion um sein Kunstwerk seitens der Stadt geführt oder vielmehr vermieden wird. Auch der Kölner Kunstbeirat kritisiert, dass er nicht in die Planungen einbezogen wurde, obwohl er gerade für solche Konfliktfälle von der Stadt bestellt wurde. Selbst in Bonn ist man mittlerweile auf die Sache aufmerksam geworden, schließlich betrifft alles, was in Köln geschieht, auch die dortigen Zwillingsstele. Aus Bonn kamen 400.000 Euro der 1,7 Millionen Euro für die „Standortmitte“, das Land NRW beteiligte sich ebenso an den Kosten wie private Sponsoren. Mit der Kölner Skulptur müsste man auch das eingesetzte Steuergeld abschreiben.
Sollte die „Standortmitte“ tatsächlich ein Fall für die Gerichte werden, kämen auf Urheberrechtsexperten interessante Fragen zu. Auf den ersten Blick erscheint es dem Laien ja so, dass voll besetzte Straßenbahnen, die wenige Meter an einem Kunstwerk vorüberfahren, dessen Sichtbarkeit erhöhen. Aber die 50 Meter hohe Stecknadel ist schon wegen ihrer Dimensionen nicht für die Nahsicht geschaffen. Sie entfaltet ihre Wirkung aus der Ferne und zieht diese nicht zuletzt aus der begrünten Leere, die sie umgibt. Der unbebaute Verteilerkreis ist zugleich Schutzraum und Bühne der „Standortmitte“. Vor Gericht könnte sich Fritsch darauf berufen, dass die Kunstfreiheit auch den „Wirkbereich“ eines Werks schützt, also die Art und Weise, wie es wahrgenommen werden kann.