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Auftakt Literaturfestival PoeticaPatti Smith und Kim de l'Horizon in Köln

Lesezeit 3 Minuten
Kim de l'Horizon steht am Mikrofon mit einem grünen Kleid und Schmuck.

Buchpreis-Gewinner*in Kim de l'Horizon

Noch bis zum 22. April findet das Kölner Literaturfestival Poetica statt. Zum Auftakt stellten sich die zehn Künstlerinnen und Künstler vor – darunter auch Punk-Legende Patti Smith und Buchpreis Gewinner*in Kim de'l Horizon.

„Der Dichter ist ein Künstler wie ein Seismograf“, sagt der haitianische Autor James Noël, „er fängt Spannungen und Unruhen auf.“ Beherrschte vergangenes Jahr der Angriff Russlands auf die Ukraine die Poetica, ist es in diesem Jahr der Widerstand gegen die Zerstörung der Umwelt und gegen die Folgen von Kolonialismus – mit Poesie. Dennoch ist auch die ukrainische Dichterin Kateryna Kalytko in der inzwischen achten Ausgabe des Literaturfestivals dabei - Festival-Kurator Christian Filips macht den Krieg während des Auftakts am Montagabend jedoch nicht zum Gegenstand der Diskussion, sondern arbeitet stattdessen heraus, wie der Krieg ihre Lyrik verändert hat.

Im Namen von jemandem schreiben, „writing in the name of“, ist das Motiv, das die zehn Künstlerinnen und Künstler vereint, die Filips nach Köln eingeladen hat. Sie sprechen als Chorisches Ich: „Je mehr du mich einsperrst, desto mehr werde ich ausbrechen“, schreibt die Dichterin und Lehrerin Sukirtharani, Angehörige der in Indien diskriminierten Kaste der Dalit.

Je mehr du mich einsperrst, desto mehr werde ich ausbrechen
Sukirtharani

Zheng Xiaoqiong schreibt: „Ich spreche diese scharfkantige, geölte Sprache aus Gusseisen - die Sprache der stillen Arbeiter“, die chinesische Wanderarbeiterin und renommierte Dichterin scheint beim Auftakt der Poetica auf Sukirtharani zu antworten, gleichwohl ihr Hintergrund geographisch, kulturell, historisch ein gänzlich anderer ist.

Kurator Filips lässt die internationalen Gäste mit ihrer Lyrik in einen Dialog miteinander, mit dem Poetica-Festivalchor (ein Zusammenschluss des Chors der Universität zu Köln, des Oratorienchors Köln und des Rodenkirchener Kammerchors), mit der Welt treten.

Einen Einblick in ihre „Spannungen und Unruhen“, den Gegenstand ihres Schreibens, tragen die zehn Künstlerinnen und Künstler in ihren Muttersprachen vor. Mal melodisch, mit mehr Pausen als Wörtern und Crescendo zum Ende der Verse hin wie James Noël. Mal mit harter, zischender Zunge wie Zheng Xiaoqiong.

Wer ist also das Chorische Ich? In wessen Namen schreibst du? Das fragt Christian Filips zum Beginn der Veranstaltungswoche - die Tiefe dieser einfachen Fragen zeigt sich in der Komplexität der Lyrik-Häppchen seiner Gäste. Logan February aus Nigeria, antwortet mit einem „Selbstporträt mit fremder Zunge“ – die Gäste erweitern die Frage des Kurators mehr, als sie zu beantworten. Diese kreative Eigenschaft der Poesie macht sich das Poetica-Team geschickt zu Nutzen, um Lust auf Mehr, auf die weiteren Lesungen und Diskussionen zu machen.

„Bin ich mich oder bin du wir“, antwortet Lionel Fogarty, indigener australischer Dichter, in seinem Gedicht „Am I“. Eine lyrische Zeichnung der Wahrnehmung der Aborigines von ihrer Umwelt und noch wichtiger: Der Idee der menschlichen Rolle in ihr. Die Belgierin Els Moors trägt mit dem Chor ihr „Klimalied“ vor, getextet aus Plakat-Slogans des Fridays-For-Future-Aktivismus. Die deutsche Autorin Daniela Danz schreibt gegen den Zerfall der Natur an, indem sie „eine Gegenwart entstehen lässt, in der Dinge möglich sind, die wir befürchten“. Eine Warnung.

Die alternativen Mensch-Umwelt-Perspektiven, die Tieren und Pflanzen eine Stimme geben, greift auch Punk-Legende Patti Smith auf. „Der Mensch war schon immer eine Kategorie, die eher ausschließt, als einschließt.“ Mit dem Vortrag ihres Songs „People have the Power“ zusammen mit dem Chor bietet sie dem Publikum den Höhepunkt des Abends.

Es gab auch eine Premiere: Die rheinische Version des Rituals von Buchpreis-Gewinner*in Kim de l'Horizon, in jedem Auftritts-Ort ein Gedicht über die dortige Hexenverfolgung zu schreiben. „Schließ die Augen nicht vor dem, was kommen wird, denn es wird nicht kommen, weil es schon geschehen ist, nicht dir, aber mir“, lässt de l'Horizon andere Frauen zur 1492 in Krefeld hingerichteten Nesgen to Range sagen. Kim de l'Horizon fasst die Universalität der Erfahrungen der Unterdrückten zusammen, die die Künstlerinnen und Künstler, die Seismografen, in ihrer Poetik weltweit dokumentieren.