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Kölner Maler Mikail AkarEin „Wunderkind“, das vor Kameras aufgewachsen ist

Lesezeit 7 Minuten
Mikail Akar in seinem Atelier in Ehrenfeld.

Mikail Akar sitzt in seinem Atelier in Ehrenfeld.

Mit nur zwölf Jahren verkauft der Kölner Mikail Akar seine Bilder für hohe Summen - ein Beispiel dafür, wie die Sozialen Medien den Kunstmarkt verändert haben.

Die wenigsten Zwölfjährigen werden etwas davon mitbekommen haben, dass in Köln gerade die Art Cologne stattgefunden hat. Die wenigsten Zwölfjährigen wissen wahrscheinlich überhaupt, dass es diese Kunstmesse gibt. Bei Mikail Akar ist das anders. Denn er eröffnete während der Messe seine Ausstellung „No Doubt“. Und er präsentierte eine Kooperation mit „Uber Deutschland“, für die er gerade zwei Fahrzeugdesigns entwickelt hat.

Mikail Akar ist nicht nur ein Junge – er ist auch eine Marke. Und ein lebender Beweis dafür, wie die Sozialen Medien den Kunstmarkt revolutioniert haben. Gerhard Richter, Joseph Beuys, Neo Rauch, Rosemarie Trockel, Sigmar Polke, Martin Kippenberger – beinahe jeder, der in der deutschen Gegenwartskunst Rang und Namen hat, hat auch an einer Kunstakademie studiert. Früher war das die einzige Eintrittskarte für Netzwerke, Förderungen und Galerien. Doch parallel zu diesen etablierten Strukturen hat sich über die Sozialen Medien längst ein Kunstmarkt entwickelt, der ganz anders ist: offener, weitgehend unreglementiert und vor allem weniger elitär.

Über Instagram oder TikTok kann jede und jeder Bilder verkaufen und berühmt werden – egal, was die Kunstwissenschaft davon hält. Mikails Vater Kerem Akar postete dessen erstes Kunstwerk bei Facebook, als sein Sohn vier Jahre alt war. Für dieses Bild werden ihm heute sechsstellige Summen angeboten, erzählt er – aber Mikail soll mit 18 selbst entscheiden, was er damit machen möchte. Mehr als eine Million Menschen folgen Mikail inzwischen bei Instagram, und er hat Ausstellungen auf der ganzen Welt: Miami, Wien, New York. In den Medien wird er als „Wunderkind“ oder „Mini-Picasso“ gehandelt, Promis wie Manuel Neuer, Peter Maffay und die Höhner posieren mit ihm. Lächeln, Daumen hoch – der Zwölfjährige ist Medienprofi.

Wir treffen ihn in der Galerie Ehren Art in Köln Ehrenfeld, die Kerem Akar selbst gegründet hat. „Auf der Kunstmesse Art Basel haben sie uns damals gesagt: Leute, ihr braucht 'ne Galerie. Ohne Galerie könnt ihr nicht hier teilnehmen. Und wir hatten damals ein Problem mit den Galeristen hier in Deutschland, die Mikail aufgrund seines Alters abgelehnt hatten.“ Jetzt hat Kerem Akar neben seinem Sohn auch noch andere Künstlerinnen unter Vertrag, die meisten aus dem Bereich Street-Art. Zum Beispiel den 14-jährigen Engländer Joe Whale, der für Nike Schuhe mit seinen Kritzeleien verzierte, die an Keith Haring erinnern.

Der Vater ist Galerist und Manager

Mikail ist an diesem Nachmittag in der Galerie freundlich und professionell, aber auch zurückhaltend - kein Kind, das sich in den Vordergrund drängt oder alle vollquatscht. Und so übernimmt sein Vater einen Großteil des Gesprächs. Der wiederum ist Vollprofi, wenn es um das Thema Marketing geht. Früher hat er im Vertrieb gearbeitet, bevor er sich vor zwei Jahren entschied, alles auf eine Karte zu setzen und Vollzeit ins Kunstgeschäft und ins Management seines Sohnes einzusteigen: „Wir hatten überhaupt keinen Bezug zu Kunst. Das haben wir uns alles selber beigebracht.“

Jahrelang arbeiteten sie mit einer Agentur zusammen, die Mikail managte. Aber die ging in der Corona-Zeit insolvent. „Und dann haben wir gesagt, das können wir jetzt auch alleine.“ Und das stimmt definitiv. Kerem Akar denkt gerne groß und verkauft Mikail auf dessen Webseite als den „weltweit jüngsten abstrakten Künstler“.

Ob er stolz ist auf seinen Sohn? „Absolut“, sagt Kerem Akar und zählt dessen Erfolge auf: „Er ist bis jetzt der einzige Künstler auf der ganzen Welt, der oben auf dem Empire State Building malen durfte.“ Wie es dazu kam? Er hat Kontakte – jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt... Besonders stolz sei er, dass das Guggenheim Museum in New York im Rahmen einer Charity Aktion ein Bild von seinem Sohn ausgestellt und verkauft hat. Und oben auf dem One World Trade Center habe Mikail ja auch schon gemalt.

Meistens kommt er am Wochenende in die Galerie, um zu malen, erzählt Mikail. Hier hat er Platz und Ruhe vor seinen beiden kleinen Geschwistern. Nach ein paar Jahren in Köln-Nippes wohnt die Familie inzwischen in Pulheim. „Die Leinwände wurden mit Mikael größer mit den Jahren. Wir hatten ihm auch erst ein Atelier zu Hause eingerichtet, aber dafür reicht der Platz nicht mehr.“ Überall stehen und hängen seine großformatigen, bunten Bilder, einige davon sind gerade in Arbeit.

Die abstrakten, farbenfrohen Bilder erinnern ein bisschen an Jean-Michel Basquiat, manchmal kleckst Mikail Akar auch wild herum wie Jackson Pollock. Es sind freundliche, bunte Monster mit riesigen Augen und meistens einer goldenen Krone - inzwischen so eine Art Markenzeichen von Mikail. Nach dem riesigen Interesse an dem ersten Bild seines Sohnes haben die beiden erstmal ein paar YouTube-Videos geschaut, um zu sehen, wie es die Profis machen, erinnert sich Kerem Akar.

Wenn man berühmt ist, muss man damit rechnen, dass Leute über Dich berichten wollen
Mikail Akar

Ist das nun also Kunst? Wer wollte das entscheiden – der Kunstmarkt hat seine eigenen Regeln. Und alleine die signierte Drucke, die man über Mikail Akars Webseite kaufen kann, kosten schon 2000 Euro aufwärts. Marken wie Rolls-Royce oder eben Uber kooperieren mit dem Zwölfjährigen. „Mikail ist der jüngste Steuerzahler“, ist Kerem Akars einziger Kommentar zum Thema Geld.

Ohne Eltern, die die Kunst ihres Kindes vermarkten, ist ein solcher Erfolg undenkbar. Wie im Fall des erst dreijährigen Laurent Schwarz aus Bayern, der gerade Schlagzeilen macht. Hier war es Laurents Mutter, die seine Bilder ins Internet stellte. Bis zu 6500 Euro zahlen die Käufer dafür, und auch bei Münchens größter Kunstmesse „Art MUC“ wurden seine Gemälde schon ausgestellt. Dagegen ist Mikail mit seinen zwölf Jahren schon ein alter Hase im Kunstgeschäft.

Geht es bei diesen „Wunderkindern“ also nur um die freie Entfaltung ihres Ausnahmetalents? Oder um Ruhm und Dollarzeichen in den Augen? Das bleibt das Geheimnis ihrer Familien. Und ihre Verantwortung.

Mikail mit Vater Kerem Akar in seinem Atelier in Ehrenfeld.

Mikail mit Vater Kerem Akar in seinem Atelier in Ehrenfeld.

Kerem Akar sagt, dass er versuche, Mikail aus allem herauszuhalten, so dass er sich voll und ganz nur auf das Malen konzentrieren kann: „Also wir machen das seit sieben Jahren. Wir haben da mittlerweile Routine. Und wenn wir merken, dass es zu viel wird, machen wir einen Cut. Das Geschäft, das Management, Presse - das mache alles ich.“ Während früher die Medien oft bei ihnen zu Hause filmten, lädt Kerem Akar uns nun für das Gespräch mit seinem Sohn in die Galerie ein. Die dient so also nicht nur als Arbeits- und Ausstellungsraum, sondern schützt auch ein bisschen das Privatleben der Familie.

Mit Kameras groß geworden

In einer Fernseh-Dokumentation sieht man Mikail mit Gästen einer Vernissage, die sich um den kleinen Künstler drängen und ihm den Arm für ein Selfie um die Schultern legen - in der anderen Hand das Sektglas. Wird ihm der ganze Rummel nie zu viel? Mikail überlegt: „Bei Ausstellungen öfter. Am Anfang habe ich Spaß dran und wenn es dann abends wird, dann wird man ja schon so müde und so.“ Und die Selfies? „Och, ich find's ganz okay, außer wenn die mir gleich den Arm um die Schulter legen oder so, das mag ich eigentlich nicht so gerne, ich kenn' die ja noch gar nicht.“

Ob er sich schon mal ein Leben ohne Kunst vorgestellt hat? „Ich habe es mir vorgestellt, und es hat sich schlecht angefühlt“, sagt Mikail. Und stresst es ihn, ständig Interviews zu geben, fotografiert und gefilmt werden? „Na ja, wenn man berühmt ist, muss man damit rechnen, dass Leute über Dich berichten wollen. Deswegen ist das jetzt für mich schon so eine Gewohnheit.“ Und sein Vater ergänzt: „Er ist ja mit den Kameras und mit den Printmedien quasi groß geworden.“


Die Ausstellung „No Doubt“ von Mikail Akar ist noch bis zum 17. November in der Galerie Ehren Art in der Hüttenstraße 32 in Köln Ehrenfeld zu sehen. Anmeldung über die Webseite.