Herausragende Musiker und besondere Aufführungsorte machten die vierte Ausgabe der Cologne Jazzweek zum rundum geglückten Festival.
Kölner MusikfestivalDie Cologne Jazzweek setzt einmal mehr Maßstäbe
Man hätte Hermine Grangers Zeitumkehrer aus den „Harry Potter“-Büchern gebraucht, um das Überpensum an Konzerten zu meistern. Innerhalb von acht Tagen bot die vierte Ausgabe der Cologne Jazzweek 55 Konzerte auf 16 Bühnen, und jedes Mal fiel es einem aufs Neue schwer, sich zu entscheiden. Und doch trafen 9000 Zuschauende neugierig ihre Wahl, bescherten dem Festival einen Rekordumsatz und nahmen entdeckungsfreudig teil an einem rundum geglückten Festival.
Erneut räumte die Cologne Jazzweek konsequent mit dem Spartenbegriff „Jazz“ auf und veranschaulichte, was alles zum Klangspektrum der improvisierten Musik gezählt werden kann. Wobei gar nicht mal immer exzessiv improvisiert wurde. Auch vorrangig durchkomponierte oder vorstrukturierte Werke schlugen in Bann: Theresia Philipps Projekt „Seeds of Sweat“, eine Auftragskomposition von NICA exchange, Sebastian Gramss’ mächtig mäanderndes Werk „Meteors“, die von Hendrika Entzian feinblättrig arrangierten Einwürfe des EOS Chamber Orchestra zu den Songs von Samora Pinderhughes, das Fire! Orchestra des dänischen Saxofonisten Mats Gustafsson, der mit drei Streicherinnen und einem leidenschaftlich agierenden Bläser-Ensemble aus Kölner Musizierenden eine Kurzversion seines Epos „Echoes“ aufführte – sie alle jonglierten in der Kölner Klangfabrik mit Farben, Intensität und Rhythmen.
Besondere Aufführungsorte trugen zur Wirkkraft bei
Doch es waren wohl nicht nur die Musiker, die das Publikum von Ort zu Ort flanieren ließ. Auch die Konzerträume trugen zur Wirkkraft bei, wobei besonders die Kirchen eine magische Klangpracht entfalteten. So saß in der Agneskirche der niederländische Cellist Ernst Reijseger anfangs solo agierend vor dem Altar, bis vom anderen Ende des Kirchenschiffs die Geige seines Duo-Partners Mario Forte erklang und sich der sakrale Raum für ihre einfühlsam-virtuose Zwiesprache öffnete.
Neu St. Alban wiederum erwies sich als maßgeschneidert für das Projekt „La Santa Muerte“ von Schlagzeugerin Mareike Wiening und Gitarrist Kalle Kalima, die die Kirche mit frappanten Stimmungen und drängenden Beats füllten. Kaum eines der vielen Duos im Programm verzichtete auf klangerweiternde Effekte. Schlagzeuger Jens Düppe webte unter Beihilfe perkussiver Klavier- und Elektronikakzente einen Klangteppich für die phänomenale Stimme der deutsch-afghanischen Sängerin Simin Tander, während Pianist Elias Stemeseder und Schlagzeuger Christian Lillinger – neben Trompeter Peter Evans „Featured Artists“ der Jazzweek – mit ihren Konzerten „Antumbra“ und „Penumbra“ den Kinosound im Filmhaus nutzten.
Mehr noch als das Klavier, das Akzente vor allem im Loft setzte, etwa mit dem grandiosen Solokonzert von Craig Taborn oder dem dicht agierenden Trio der Polin Joanna Duda, prägte das Schlagzeug das Festival. Die junge Südkoreanerin Sun-Mi Hong lenkte ihr BIDA Orchestra mit atemberaubender Energie und schuf im Einklang mit dem furiosen Bassisten John Edwards ein mitreißendes Kraftfeld. Nicht minder ausdrucksgewandt trumpfte Leif Berger auf: Nachdem er zuvor bereits die Band Salomea der Sängerin Rebekka Ziegler befeuert hatte, glänzte er im Preisträgerkonzert Horst & Gretl Will Stipendium mit Elias Stemeseder und Robert Landfermann als Trio Neon Dilemma auf.
Die Phalanx brillanter Schlagzeuger war beeindruckend: Thomas Sauerborn und Etienne Nillesen boten Soloauftritte, neben Jonas Burgwinkel, Jim Black, Jochen Rückert, Dominik Mahnig und Oli Steidle setzte vor allem Christian Lillinger Akzente. Mit Elias Stemeseder spielte er in verschiedenen Besetzungen und wurde ebenso zur tragenden Säule wie die Deutsche-Jazzpreis-Konzerte. Glanzlichter boten hier das Immanuel Wilkins Quartet sowie das Jakob Bäntsch Quartett mit der talentierten Gitarristin Ella Zirina, während Altmeister Alexander von Schlippenbach und Frank Gratkowskis bestens aufgelegtes Quartett In Cahoots herausforderten.
Keine leichte Kost
Dabei war auf der Jazzweek nichts wirklich leichte Kost, manches im guten Sinne sogar eine Zumutung, dem sich das Publikum stets offenen Ohres und spürbar begeistert stellte. Selbstbewusst und risikobereit setzte die Cologne Jazzweek einmal mehr Maßstäbe und hätte es verdient, dass ihr die Stadt Köln, das Land NRW sowie die Kunststiftung NRW als maßgebliche Förderer weiterhin treu bleiben. Janning Trumann, künstlerischer Leiter der Jazzweek, gibt sich optimistisch: „Die Wertschätzung ist deutlich spürbar, ab 2025 hoffen wir auf eine dauerhafte, institutionelle Förderung.“ Erst im November, wenn der neue Haushaltsentwurf vorliegt, werde man mehr wissen, bis dahin hoffe man, „dass unsere Vision eines erfolgreichen, internationalen Festivals von den Entscheidern geteilt wird und den freundlichen Worten Taten folgen.“