Für unser Format „Mein Kulturmonat“ erzählt Kornelia Vossebein, künstlerische Leiterin des Stadtgartens, wieso Köln eine herausragende Musikstadt ist.
Kornelia Vossebein zur Kölner Musikszene„Selbst in Berlin gibt es nichts Vergleichbares“
Ich bin Anfang 2021 nach Köln gezogen wegen des Stadtgarten, den ich seit 2022 künstlerisch leiten darf. Interessant ist für mich als Neukölnerin somit immer noch der Unterschied zwischen Innen- und Außenwahrnehmung. Denn in Köln wird oft anders gewichtet und geschätzt, wer oder was kulturell bedeutend ist, als außerhalb von Köln. Und manchmal auch gar nicht gewichtet.
Köln ist unglaublich reich an so genannten freien Strukturen und Akteuren mit großer Strahlkraft nach außen. Das ist, was Köln als Kulturstadt im Vergleich mit anderen Städten besonders macht. Und genau das ist, was über die Stadtgrenzen hinaus wahrgenommen und geschätzt wird.
Köln hat neben dem Stadtgarten musikalisch einiges zu bieten
Hier vor allem die Musik als insgesamt stärkste Sparte, und auch hier die freien Häuser und Festivals mit der stärksten Bedeutung. Aktuell sind das die Musikfabrik, hoch angesehen mit zahlreichen Gastspielen und besonderen Programmen weltweit. Die c/o Pop, eins von nur vier bundesgeförderten Festivals. Das Weekend Fest, in Köln selbst unterschätzt, aber musikalisch herausragend. Die Cologne Jazz Week, prämiert mit dem Deutschen Jazzpreis als bestes Festival und weiter nationaler und internationaler Resonanz. Und natürlich der Stadtgarten, mit dem Köln eine international renommierte Spielstätte hat, die seit 1986 kontinuierlich innovative Programme anbietet. Und die tatsächlich bundesweit einzigartig ist. Selbst in Berlin gibt es nichts Vergleichbares. Alle bisherigen Versuche dort, das Konzept zu adaptieren, blieben bislang erfolglos. Köln jedoch verfügt über eine unübertroffen gute Infrastruktur von Jazz und aktueller Musik. Dazu gehören auch die Hochschule für Musik und Tanz sowie die Offene Jazzhaus Schule im Bereich Ausbildung, das, ebenfalls mit dem deutschen Jazzpreis ausgezeichnete, „Loft“ als unsere kleinere Schwester und die noch junge Jazzweek.
Leider fehlt es oft an entsprechender Wertschätzung: Noch immer ist keine Lösung für das „Studio für elektronische Musik“ des WDR gefunden. Es war das erste seiner Art und u.a. wichtige Wirkungsstätte von Karlheinz Stockhausen, historisch immens bedeutsam.
Kornelia Vossebein lot das Kolumba-Museum und die freie Theaterszene
Zurück zur Wahrnehmung: Auch abseits von Musik gibt es viel zu entdecken. Das Kolumba ist für mich das schönste Museum in Köln. Dieser moderne Bau ist sehr klug gestaltet, vom Umgang mit der historischen Substanz über Lichteinfall und Aufenthaltsqualität, von den Exponaten ganz zu schweigen. Das finde ich in der Wahrnehmung unterschätzt. Ebenso unsere freien Theater: das Theater im Bauturm, Theater der Keller, das Comedia Theater. Auch hier ist übrigens der Umgang mit der Historie des Gebäudes als Feuerwache und dem Neubau sehr gut gelöst.
Im Bereich Literatur steht viel im Schatten von lit.Cologne. Doch auch das Literaturhaus mit seinen zahlreichen Aktivitäten hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. Oder das feine, experimentelle Lyrikfestival Poetica, das mir vorher nicht bekannt war. Von einer Lesung im Kölnischen Kunstverein am Neumarkt war ich sehr begeistert.
Köln sollte sich stärker zu seinen Stärken bekennen und entsprechende Akzente setzen. Das Land NRW tut das in Köln bereits, hier ist das erkannt. Und auch Köln ist auf einem guten Weg, einiges ändert sich glücklicherweise schon in Wahrnehmung und Umsetzung. So wird seit einigen Jahren der Holger Czukay Preis vergeben, benannt nach dem Bassisten der legendären Band CAN. Oder die Verleihung des Deutschen Jazzpreises, die wir mit Hilfe von Stefan Charles für die kommenden beiden Jahre nach Köln holen konnten. Und für 2026 besteht die große Chance, die „Europe Jazz Conference“ mit etwa 500 internationalen Fachteilnehmer:innen in Köln auszutragen, zum ersten Mal in Deutschland. In 2026 wird der Stadtgarten 40 Jahre alt, es wäre ein schönes Jubiläum.
Drei Kulturtipps für den Januar
1. Winterjazz Köln 2024 - Musikfestival kuratiert von Ulla Oster & Angelika Niescier. Auf 3 Bühnen präsentieren 39 Musiker:innen in 11 Konzerten die innovative wie kreative Schaffenskraft der Kölner Szene. Eintritt frei, Neugier und offene Ohren reichen für musikalische Entdeckungen. Samstag, 06.01.24 – 19:00 Uhr –Stadtgarten Köln.
2. VOLO – Sofia Will Large Ensemble. Sofia Will, Altsaxophonistin und Komponistin, ist eine spannende Newcomerin, in deren Large Ensemble die jungen Jazzszenen Köln, Mainz, Basel Stuttgart und Berlin zusammentreffen. Dienstag, 16.01.24 – 20:00 Uhr – Loft Köln
3. Ensemble Musikfabrik: Montagskonzert – „Turning Points“ mit Anthony Braxtons Composition No. 169. Das ist die europäische Erstaufführung für Blechbläserquintett und konstruierte Umgebung, im Rahmen der kostenlosen „Montagskonzert“-Reihe des Ensemble Musikfabrik. Ich bin sehr gespannt auf diese Interpretation der Komposition Braxtons von 1992. Montag 29.01.24 – 20:00 Uhr – Studio des Ensemble Musikfabrik, Köln.
Zur Person
Kornelia Vossebein, 1970 geboren in Paderborn, ist eine Kulturmanagerin mit Fokus auf Jazz und improvisierter Musik. Von 2001 bis 2009 leitete sie den Bunker Ulmenwall in Bielefeld, danach bis 2020 die Zeche Carl in Essen. Nebenberuflich arbeitete sie auch beim Moers Festival. Seit Juli 2022 ist sie die künstlerische Geschäftsführerin des Europäischen Zentrums für Jazz und aktuelle Musik im Stadtgarten Köln, wo sie zuvor das Förderprogramms NICA artist development für herausragende Musiktalente aus dem Bereich Jazz, improvisierter Musik und experimenteller Popkultur leitete.