Wie der lit.Cologne-Geschäftsführer Rainer Osnowski die Kölner Szene sieht, erzählt er in unserer Serie „Mein Kulturmonat“ und empfiehlt drei Veranstaltungen für den Dezember.
lit.Cologne-Chef Rainer Osnowski„Was Köln dringend braucht, ist eine Vision“
Das Konzept für die lit.Cologne hätte wahrscheinlich in jeder Stadt funktioniert, aber es wäre nirgendwo so erfolgreich gewesen. Egal woher die Autoren kommen, aus allen Teilen der Welt – sie schreiben in unsere Gästebücher: Das ist das beste Publikum, das ich je erlebt habe! Als wir 2001 angefangen haben, hieß es in den überregionalen Medien noch: Klar, dass so ein Festival in Köln funktioniert – das ist ja auch wie Karneval. Aber das trifft es natürlich nicht und hatte sich dann auch schnell erledigt. Denn auch bei herausfordernden politischen Veranstaltungen ist das Publikum von Anfang an ganz intensiv dabei. Das ist das Besondere an Köln: Die Möglichkeit, die Menschen zu erreichen und deren Bereitschaft, sich durchdringen zu lassen.
Wir haben eine sehr lebendige Subkultur mit all den kleinen Theatern oder Musicalbühnen. Gerade die freie Kulturszene hat viel zu bieten - da sind immer wieder schöne Rosinen dabei, die gar nicht Mainstream sind oder groß in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Trotzdem sind diese Veranstaltungen gut besucht, weil die Leute sich davon erzählen. Die Stücke im Theater im Bauturm beispielsweise.
Das oft belächelte Genre Musical verbinden ja die meisten mit dem tatsächlich äußerlich nicht gerade hübschen blauen Zelt. Und dann geht man da hinein, erlebt Moulin Rouge und ist überrascht, wie professionell, lebendig und gut gemacht es ist. Genauso habe ich das ebenfalls hervorragende Musical „Himmel und Kölle“ erlebt. Und neue Stücke sind in Arbeit. Da beginnt gerade ein neues, eigenes Köln-Genre draus zu werden.
Das macht für mich die Stadt aus: Dass es Leute gibt, die Nischen suchen und Neues entwickeln. Das kann natürlich nicht immer sogenannte Hochkultur sein, aber ich war immer schon dagegen, Hoch- und Populärkultur in ihrer Ausschließlichkeit und außerdem gegeneinander zu definieren.
Es wird in der Kulturszene viel kritisiert, das könnte ich hier jetzt natürlich auch tun, Anlässe gibt es genug. Aber ich möchte meine Kraft besser verwenden als dauernd zu sagen: Dies ist nichts, und jenes funktioniert auch wieder nicht hier in Köln! Es gibt auch gute Gründe, gerade in diesen Zeiten Zuversicht zu verbreiten.
Wir hatten acht Jahre lang eine Kulturdezernentin, in denen der Kulturbereich sukzessive in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden ist. Ich höre auch immer wieder Kritik an Stefan Charles. Aber der Mann hat acht Jahre aufzuholen! Geben wir ihm also die Chance. Er tut zum Beispiel schon einiges im Hintergrund, für die Galerien oder bei der Schaffung von Atelierräumen, um die Kunstszene in Köln voranzubringen.
Ähnlich ist die Situation bei der Oper: Zehn Jahre Stillstand mit Birgit Meyer. Jetzt gibt es mit Hein Mulders einen neuen Intendanten, der die Oper nach vorne bringt. Der die Zeichen der Zeit erkannt hat und Angebote macht, die auch jüngere Leute gerne annehmen.
Dann werden wir 2025 noch einen neuen Theaterintendanten bekommen, der dann im neuen Haus - Sie sehen, ich bin voller Zuversicht - neue Zeichen setzen kann. Nicht zu vergessen: Stefan Bachmann hat im Interim das Beste draus gemacht und eine Spielstätte in einem besonderen Stadtteil etabliert.
Auch im Bereich im Bereich Tanz bewegt sich viel. Das ist eine richtige Chance, wobei ich mir wünschen würde, dass man auch das erfolgreiche Ballet of Difference weiter hier in dieser Stadt hält - unabhängig davon, was sonst im Bereich Tanz passiert.
Nicht zu vergessen: die neue Leitung der Stabsstelle Event bringt frischen Wind in das verklüngelte Veranstaltungswesen.
Was aber Köln dringend braucht, ist eine Vision: Wie und wo wollen wir Köln am Ende dieses Jahrzehnts sehen? Es geht um die Definition einer Zwischenhaltestelle in der Zukunft. Es gibt von der Oberbürgermeisterin ja durchaus Impulse. Die gehen aber vielfach unter im alltäglichen Politik- und Verwaltungspuzzle. Das kann auch nicht nur die Sache von einer Person sein. Es gibt ja viele interessante Protagonisten in unserer Stadtgesellschaft. Vor allem auch die, die neu sind, frisch sind, unabhängig denken. Mit denen gilt es, eine Vision dieser Stadt zu entwickeln, eine Art Masterplan. Ich weiß ja, was wir mit der lit.Cologne bewegt haben. Und deswegen weiß ich auch, wie viel möglich ist.
Aufgezeichnet von Kerstin Meier
Tsitsi Dangarembga zu Gast im Literarischen Salon mit Navid Kermani und Guy Helminger.Tsitsi Dangarembga ist nicht nur eine großartige Schriftstellerin, sondern ist auch die erste Schwarzafrikanerin, die den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, nicht zuletzt für ihren Einsatz für Demokratie, Emanzipation und Menschenrecht. Und gerade hat sie mit ihrem Essay „Schwarz und Frau“ das Buch der Stunde im postkolonialen Diskurs veröffentlicht. Den deutschen Text liest Anja Laïs. 14. Dezember, 19.30 Uhr Schauspiel Köln, Depot 1.
Foxi, Jussuf, Edeltraud von und mit Markus John Das Kult gewordene Solo über die Kraft des Zuhörens ist eine respektvolle Verbeugung vor den „Menschen von nebenan“ und dem Humor, mit dem sie ihr Schicksal meistern. Theater im Bauturm, 8. Dezember, 20 Uhr.
Jazz: Moving Krippenspielers & Jimi Hering Weihnachts Experience Die kölnisch-österreichische Kult-Band Moving Krippenspielers definiert Besinnlichkeit einmal anders. Stadtgarten: 15. Dezember, 20 Uhr.
Am 6. Dezember stellt die lit.Cologne ihr Programm für 2024 vor, dann startet ab 12 Uhr auch der Kartenvorverkauf.