Im Musiktheater „Nano Operas“ der Kölner Gruppe „Paradeiser Productions“ erlebt man poetische Soundperformances - darunter auch die Klänge einer Pilzkultur.
Kölner Musiktheater „Nano Operas“In diesem Musikparcours singen sogar Pilze
„Panta Rhei“, alles ist im Fluss bei den Projekten der Kölner Musiktheatergruppe „Paradeiser Productions“. Das zeigt sich auch in ihrer neuesten Arbeit „Nano Operas“. Wie in einem Testraum für Transformationsprozesse bewegt sich das Publikum durch die Aufführung.
Ort ist der Konzertkeller des Radiosenders 674fm, der am Ubierring 13 in der Südstadt seine neue Heimstätte gefunden hat. Der Raum ist zum Zeitpunkt der Premiere im Juni noch ein wenig Baustelle. In dieser rauen Club-Atmosphäre haben die Paradeiser ihre magischen Theaterinseln verortet. Kein unpassendes Ambiente für ein solches Projekt, das mit Prozessen arbeitet.
Kölner Musiktheater „Nano Operas“
Vier Musiktheaterminiaturen werden in „Nano Operas“ zur Aufführung gebracht. Poetische Sound- und Performance-Vignetten, die mit Texten von ukrainischen Autorinnen unterlegt werden, die diese Mini-Librettos eigens für die Produktion verfasst haben. Der Zuschauer bewegt sich dabei frei im Raum, wie in einem Parcour, der sich zum Panoptikum aus musikalischen und performativen Elementen fügt.
Ganz ohne eine Struktur haben die beiden Regisseurinnen Ruth Schultz und Margo Zālīte den Abend allerdings nicht gelassen. Während zwei der vier Stationen nur in kleinen Gruppen besucht werden können, für die sich das Publikum aufteilt, werden die beiden anderen Stationen für alle gleichzeitig bespielt, wobei jeweils eine der Stationen im Fokus steht. Klangkünstler Kai Niggenmeier, der zuletzt beim „Cri“-Projekt von Wehr 51 den Sterbeprozess einer Eiche musikalisch begleitete, sorgt für die akustische Grundierung der „Nano Operas“, die von den vier Performerinnen sehr individuell ergänzt werden.
Spezialmikrophone fangen die Klänge einer Pilzkultur ein
Hier trifft das Publikum auf die Sängerin und Schauspielerin Burçin Keskin, die mit Spezialmikrophonen und Synthesizer eine Pilzkultur zum Klingen bringt, Essi lässt an einem Wasserbecken Walgesänge erschallen und führt mit Voguing-Choreographien aus der queeren Ballroom-Szene die Zuschauer zu einer tänzerischen Trauma-Therapie ins Treppenhaus.
In Theaternebel hüllt eine poetische Pyjama-Party, bei der Katharina Sim auf einem Luftmatratzenlager eine märchenhafte Schöpfungsgeschichte erzählt. Intim ist auch der Rahmen, in dem Annika Nippoldt ihre Performance absolviert. Im Cowboylook kommt sie wie einer jener nostalgischen Musikautomaten aus alten Jahrmärkten daher. Dass die ausgebildete Magierin ihre in Wort und Gesang vorgetragene Erzählung über die Widerstandskraft der Menschen in den besetzten Gebieten der Ukraine mit Zaubertricks versieht, verleiht dem Vortrag eine zusätzliche magische Note.
Diesem eher fluiden Konzept stehen auf der anderen Seite die Texte der vier ukrainischen Autorinnen gegenüber, die mit ihren Geschichten über Flucht und Kriegsalltag einen erdigen Kontrast bilden. Hier begegnen sich zwei Künstlerrealitäten, mal kontrastreich, mal symbiotisch. Die Summe der einzelnen Teile soll Bewusstwerdungsprozesse in Gang setzten. Inwieweit das gelingt, liegt nicht zuletzt an der Bereitschaft des Zuschauers, sich auf diese Reise einzulassen.
Zur Veranstaltung
Paradeiser Productions: Nano Operas. Konzertkeller von 674 FM, Ubierring 13. 30.9. + 1.10., jeweils 18 + 20 Uhr, 2.10. jeweils 1 Miniatur im Stundentakt ab 20 Uhr.