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Kölner Nö-TheaterDie Kehrseite des Kokainkonsums

Lesezeit 3 Minuten
„35 Tonnen“ vom Nö-Theater: Felix Höfner (v.l.), Lucia Schulz und Asta Nechajute posieren in weißen Kitteln (und sonst nichts) vor orangen Schiffscontainern.

Szene aus „35 Tonnen“: Felix Höfner (v.l.), Lucia Schulz, Asta Nechajute

Mit „35 Tonnen“ ist der Kölner Theatergruppe ein grandioses Stück über die schmutzigen Konsequenzen des weißen Pulvers gelungen.

Dieser Schnee ist leider nicht von gestern. Kokain ist längst vom Luxusgut zur Massenware der jungen Menschen aus der Mittelschicht geworden. Dass das billigere Abfallprodukt Crack die Straße erobert, macht diese neue Drogenwelle noch schlimmer. Das Kölner Nö-Theater hat mit „35 Tonnen“ aus dem Stoff ein grandioses Stück gemacht, das mit hohem Unterhaltungswert und fundierten Fakten Abläufe und Auswirkungen des Kokainhandels beleuchtet.

Regisseur Asim Odobašić lässt zum Warm-up zuerst einmal Felix Höfner als Stimme aus dem Publikum über die Erwartungshaltung der Zuschauer sprechen. Da tauchen bei ihm mythische Kinobilder im Kopf auf: von coolem Gangster-Style aus Kino-Epen wie „Der Pate“ oder „Goodfellas“ oder Gewaltexzessen psychopathischer Drogenbarone wie in „Narcos“. Krank natürlich, beteuert der Schauspieler, „aber irgendwie auch geil.“

NRW-Polizei stellt 35 Tonnen Kokain sicher – aber die Preise bleiben stabil

Da wird die folgende Szene prompt zur Spaßbremse, wenn Asta Nechajute einen deutschen Minister spielt, der im Juni auf einer Pressekonferenz des NRW-Justizministeriums stolz einen Fahndungserfolg von Zoll und Polizei verkündet. 35 Tonnen Kokain im Wert von mehreren Milliarden Euro konnten sichergestellt werden. Dass der spektakuläre Einsatz den Drogenhandel in Deutschland nicht wirklich beeinflusst hat und die Preise für Kokain stabil bleiben, verdeutlicht die wahren Dimensionen der Drogenkriminalität, die jährlich um die 100 Milliarden Euro in Deutschland umsetzt.

Raus aus den Düsseldorfer Amtsstuben und rein in den kolumbianischen Dschungel geht es mit dem Auftritt von Lucia Schulz, die als verführerische Drogenbaronin das Publikum nach einem Ortswechsel in subtropische Gefilde entführt. Es beginnt die Geschichte einer unseligen Liaison zwischen der furiosen Latina und einem gierigen Gringo aus Europa. Eine smart, sinnlich und mit süffisantem Humor erzählte Chronik des beidseitigen Sündenfalls.

Das Nö-Theater strotzt nur so vor entlarvenden Einfällen

Der gedankenlose Drogenkonsum des Westens zerstört Gesellschaftsstrukturen in den lateinamerikanischen Staaten, lässt gigantische Kartelle des organisierten Verbrechens entstehen, deren globale Tätigkeiten wiederum unsere Demokratien gefährden. „Geldwäsche im hohen Milliardenbereich“ ist die eher unsichtbare, aber wohl größte Gefahr, brutale Bandengewalt die sichtbare Kehrseite der Lifestyle-Droge.

Es ist den artistischen Alchimisten des Nö-Theaters zu verdanken, dass die bedrückenden Fakten zur Sprache kommen und dennoch auf der Bühne ein so originell wie virtuos inszeniertes und gespieltes Schauspiel zu sehen ist. Die Inszenierung strotzt nur so vor entlarvenden Einfällen und liebevollen Details und das Trio auf der Bühne spielt groß auf, allen voran eine entfesselt agierende Lucia Schulz, die mit muttersprachlichem Verve die verruchte Südamerikanerin gibt.

Die Story endet, wie solche Geschichten im Kino zumeist enden, doch diesmal gibt es als Nachschlag noch eine Fortsetzung. Die rollt im Gewand eines Drehberichts die Vorfälle in Köln rund um geklaute 300 Kilogramm Cannabis auf. Was sich anhört wie der Plot für einen Krimi mit Explosionen, Entführungen und Schüssen auf offener Straße, ist das Protokoll einer Auseinandersetzung im international operierenden Drogenmilieu.

Bürgerhaus Kalk, 3. bis 5.4., 20 Uhr; Orangerie, 26. -28.5., 20 Uhr