Starpianist Emanuel Ax spielt Anders Hillborg zweites Klavierkonzert, das dieser ihm auf den Leib geschrieben hat.
Kölner PhilharmonieDas musikalische Material ist denkbar schlicht

Der schwedische Komponist Anders Hillborg
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Es gibt sie noch: Komponisten, die reisenden Starinterpreten wirkungssichere Solokonzerte auf den Leib schneidern. Der 1954 geborene Schwede Anders Hillborg hat sein zweites Klavierkonzert mit dem Untertitel „The MAX Concerto“ versehen – eine Huldigung an den amerikanischen Pianisten Emanuel („Manny“) Ax, der das Stück 2023 in San Francisco aus der Taufe hob und auch bei allen bisherigen Aufführungen am Klavier saß.
So nun auch beim Gürzenich-Sonderkonzert in der Philharmonie, wo die gut 20 Minuten dauernde Komposition bei weiten Teilen des Publikums große Zustimmung fand. Hillborg ist ein Meister der Orchestrierung; die Attraktivität des Stückes liegt vor allem in seinen wechselnden Farb- und Lichtstimmungen. Das musikalische Material ist denkbar schlicht: reine, gelegentlich auch raffiniert verunreinigte Dreiklänge, in sphärische Weiten getrieben.
Anders Hillborgs Klavierkonzert fehlt jede Idee von Linie und Entwicklung
Was völlig fehlt, ist das eigentlich konzertante Prinzip der Konfrontation von Solist und Orchester; auch fehlt jede Idee von Linie und Entwicklung: Die einzige Bewegung in der Musik ist die von einem Zustand zum nächsten. Emanuel Ax, der es wahrlich versteht, Bögen zu bauen und Zusammenhänge zu gestalten, war hier über weite Strecken hinweg zum Ausmalen vorgezeichneter Klangfelder verurteilt. Dass er dies dennoch mit einem hohen Maß an Sinnstiftung und Formulierungsschärfe tat, bezeugt seinen hohen künstlerischen Rang.
Die besondere Bedeutung von Timbre und Textur in Hillborgs Partitur verweist auf französische Vorbilder – mit Maurice Ravels „Valses nobles et sentimentales“ und der „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz schuf Dirigent Sakari Oramo also ein durchaus passendes Umfeld. Der finnische Maestro hat in diesem Jahr bereits zwei Programme des Gürzenich-Orchesters dirigiert und war auch bei der Japan-Tournee im Februar dabei. Ab der kommenden Saison verbindet ihn eine fünfjährige Partnerschaft mit dem Orchester.
Oramo ist ein Mann der klaren Strukturen, der konzisen, stabilen Rhythmik. In seiner Lesart der Ravel-Walzer waren die imaginären Tanzbeine häufiger auf dem Boden als in der Luft. Auch die markant hervortretenden Hörner und sechs hoch motivierte Schlagzeuger trugen zum Eindruck eines eher rustikal gestimmten als schwebend eleganten Ballvergnügens bei. Die „Symphonie fantastique“ legte Oramo schon äußerlich als bildstarkes Instrumentaltheater an: Neben der obligatorischen Fern-Oboe postierte er zwei Pauken auf der Chorempore und vier Harfen an der Podiumsrampe – wo sie allerdings eher für Sichtbehinderung als für klanglichen Mehrwert sorgten.
Was die Orchesterleistung angeht, war das eine hochkompetente, detailstarke und beeindruckend expansive Darstellung. Die Bläser spielten allesamt exzellent: das Englischhorn in der „Szene auf dem Land“ ebenso wie die Fagotte im „Marsch zum Richtplatz“ und die gellende hohe C-Klarinette im finalen Hexensabbat. Weniger deutlich wurden die gewissermaßen subkutanen Qualitäten des Stückes, seine Nervenreize und Überreiztheiten. Unterschwelliges geriet zu offen, Vorbereitendes zu präsent. So war die Interpretation gerade das nicht, was das Konzert als Motto im Schilde fühlte: „Magisch“.