Ines und Anna Walachowski ziehen auf „Works for Piano Duet“ einen roten Faden durch die Klaviermusik des 19. Jahrhunderts.
Kölner PianistinnenSo klingen die neuen CDs der Walachowski-Schwestern und von Rhythmie Wong
Der Münchner Komponist und Kapellmeister Franz Lachner (1803-1890) war, einfach weil er sehr alt wurde, produktiver Zeitgenosse von musikalischen Kollegen und Entwicklungen, die man auf Anhieb nicht so ohne weiteres zusammenbringt. In seinen jungen Jahren gehörte er dem Wiener Schubert-Kreis an, und in späteren Jahren dirigierte er, obwohl er sie nicht sonderlich mochte, erfolgreich Wagner-Opern. In der bayerischen Hofkapelle saß bei diesen Gelegenheiten der Hornist Franz Strauss, Vater von Richard Strauss, welcher wiederum 1881 Lachners sechs Jahre zuvor entstandenes Nonett für Klavier vierhändig bearbeitete.
Die Kombination Schubert – Lachner – Strauss, die das in Köln und Warendorf ansässige Duo der polnischen Klavierschwestern Anna und Ines Walachowski auf seiner neuen, beim Label Oehms erschienenen CD betreibt, ist also alles andere als zufällig. Vielmehr zieht sie nicht weniger als einen roten Faden durch die Klaviermusik des 19. Jahrhunderts – und dies mit Werken, von denen zwei die allerwenigsten kennen dürften.
Mit großem musikalischen Spürsinn führen die Walachowskis die Vermittlung dieser Sphären vor
Los legt das Duo also, das sich gut behauptet in einer tendenziell expandierenden einschlägigen Szene, zu der aktuell etwa die niederländischen Jussen-Brüder und, ebenfalls in Köln, das Klavierehepaar Ensari/Schuch gehören, mit besagter Nonett-Bearbeitung. Das viersätzige Stück ist für seine Entstehungszeit sicher arg retrospektiv, bedient in der Formgebung die Formen der Kammermusik der Klassik, während in der Melodik unüberhörbar Schubert (von dem im Finale „Mirjams Siegesgesang“ zitiert wird) präsent ist. Der hier ins Biedermeierlich-Gemütliche verschoben wird.
Die Musik hat aber viel Charme, der von den Schwestern mit lebendiger Phrasierung und geschmackvollen Rubati herausgebracht wird. Exzellent ist auch die geschmeidige Austarierung der Stimmengewichte, und nach Klavierauszug klingt das Ganze keinen Augenblick – was indes sicher auch an Strauss’ sehr klaviergerechter Einrichtung liegt.
Auf Strauss, der hier mit einem frühen, aber atmosphärisch bemerkenswert dichten vierhändigen Intermezzo vertreten ist, folgt Schuberts berühmte späte f-Moll-Fantasie, die im Mai 1828 vom Komponisten und von keinem anderem als Franz Lachner aus der Taufe gehoben wurde. Das ist ein tiefgründiges Stück, dessen Tragik sich mit einer herzzerreißenden Wehmut verbindet. Im Zentrum steht neben dem gleich zu Beginn intonierten Liedthema ein hartes, unversöhnliches viertöniges Kreuzmotiv, das am Schluss noch als Fuge durchgeführt wird. Mit großem musikalischen Spürsinn und in perfekter partnerlicher Abstimmung führen die Walachowskis die Vermittlung dieser Sphären vor, etwa wenn sie das Kreuzsymbol in die lyrische Erschöpfung führen. Es klingt jedenfalls immer wieder anders – und zwar so, dass es den Hörer unmittelbar hineinzieht.
Die finale Fuge disponiert Rhythmie Wong so, dass sie noch deutlich zulegen kann
Prominent, mit der schweren Wanderer-Fantasie und den Ländlern D. 790, ist Schubert auch auf der beim spanischen Label KNS publizierten CD der aus Hongkong gebürtigen, jetzt in Köln (als „Gewächs“ der hiesigen Musikhochschule) lebenden und schon mehrfach ausgezeichneten jungen Pianistin Rhythmie Wong vertreten. Deren Programm heißt „Evolving Fantasia“ – was einen Streifzug durch die Geschichte der Klavierfantasie von den Bach-Söhnen Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel über Mozart (das unvollendete, bevorzugt im Klavierunterricht traktierte d-Moll-Werk KV 397) bis eben zu Schubert anzeigt. Dabei kommen auch Nachbauten historischer Hammerklaviere zum Einsatz, lediglich für die Wanderer-Fantasie verwendet die Interpretin – warum eigentlich? – einen modernen Steinway (den die Aufnahmetechnik bei kompakter Akkordik in der Bassregion etwas dumpf herüberbringt).
Sicher kann man an gestalterischen Details Kritik üben, aber mehr als beachtlich ist allemal, wie Wong in Klang und Gestik den unverwechselbaren Stil eines jeden der hier interpretierten Komponisten herausstellt. Die Wanderer-Fantasie dann kommt mit einer federnd-virtuosen Selbstverständlichkeit, der nie die Puste ausgeht, die aber auch nicht zum Selbstzweck wird. Die finale Fuge etwa disponiert Wong so, dass sie für die finale Steigerung noch deutlich zulegen kann. Und die Lied-Variationen des zweiten Satzes gelingen mit bemerkenswerter poetischer Intensität, einer stillen Emphase. Das ist großes Können im Aufgang.