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Kölner Shalom-FestivalEröffnung in lauer Sommernacht

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Eröffnungskonzert 'Urlicht' zum Shalom-Musik-Köln Festival.

Köln – Es war ein schöner, aber auch mit insgesamt drei Stunden (zu) langer Eröffnungsabend unter dem Motto „Urlicht“ in der Kölner Flora, die ja an einem Sommerabend unstrittig ein berückendes Flair entfaltet.

Zu Beginn der zweiten Ausgabe des Shalom-Musikfestivals waren zahlreiche Begrüßungsansprachen zu absolvieren – seitens der Vertreter von Stadt, Land, Veranstalter und, selbstredend, des Kölner Synagogen-Gemeinde-Vorstands Abraham Lehrer.

„Viel Vergnügen“ wünschten mehrere Redner den zahlreichen Zuhörern im Flora-Ballsaal mit Blick auf das Kommende. Das übliche „Vergnügen“ wäre indes kaum eine angemessene Rezeptionshaltung gewesen angesichts der Agenda, der aufgeführten Werke und ihrer Komponisten.

Erwin Schulhoff, Gideon Klein, Viktor Ullmann – sie alle wurden von den Nazis ermordet, Kleins Streichtrio und Ullmanns Rilke-Melodram „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ entstanden jeweils als letzte Kompositionen ihrer Schöpfer vor deren Transport von Theresienstadt nach Auschwitz.

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Es bleibt eine offene Wunde

Ambivalent bleibt sogar ein „Versöhnungsstück“ wie das „Kol Nidrei“ des Kölners Max Bruch, der sich – wie erst kürzlich bekannt wurde – in seiner Berliner Spätzeit zu einem flagranten Antisemiten entwickelte. Nein, es hilft nichts: Der historisch bedingte Abgrund, der unter einem so konzipierten Programm gähnt, schließt sich nicht, kann sich auch nicht durch „Vergnügen“ und andere Normalisierungsstrategien schließen – da bleibt eine offene Wunde.

Offen gehalten wurde sie in der Flora auch durch Lehrer, der in seiner Ansprache eindringlich dazu aufforderte, den Antisemitismus-Skandal der aktuellen Documenta in Kassel glaubwürdig aufzuarbeiten – oder, wenn das nicht gelinge, diese Documenta „abzublasen“.

Ein künstlerischer Wermutstropfen wurde ebenfalls verabreicht: Die Pianistin und Barenboim-Ehefrau Elena Bashkirova hatte ob ihrer Corona-Erkrankung die Teilnahme absagen müssen. Dankenswerterweise war ihr deutscher Kollege Arno Waschk eingesprungen, der bei vier Mahler-Liedern, dem „Kol Nidrei“ (hier als Begleiter der Bratsche, obwohl das Stück mit Cello noch schöner klingt) und eben dem Ullmann-Stück einiges Holz wegarbeiten musste – was auch angesichts der Tatsache, dass die Saalakustik keinen falschen Ton und keine Ungenauigkeit verzeiht, mehr als ordentlich gelang.

Das Shalom-Musik Köln Festival

Nach dem Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ im vergangenen Jahr wollten die Veranstalter, dass jüdische Musik präsent bleibt. Daraus ist Shalom-Musik Köln Festival entstanden, das zum ersten Mal stattfindet und an fünf Tagen jüdische Musik in den Fokus stellt. Den Start bildeten das Eröffnungskonzert in der Flora und die Clubnacht im Bumann & Sohn. Am Samstag können sich Besucher auf ein interaktives Musiktheater in der Straßenbahn 7 und das Konzert vom Avishai Cohen Quartett freuen.Am Sonntag gibt es rund 50 Kurzkonzerte in ganz Köln. Das Abschlusskonzert findet am 11. August statt. Tickets gibt es bei Köln-Tickets. Alle anderen Konzerte sind kostenlos.www.shalom-musik.koeln

Bemerkenswerterweise hört man Schulhoffs und Kleins Werken (einem Duo für Violine und Cello sowie einem Streichtrio) die schrecklichen Entstehungsbedingungen nicht an. Vielmehr scheint es, als sei hier der dezidierte Gang in die autonome Musik zu einem Mittel des (vorläufigen) Überlebens geworden.

Das ist Kammermusik aus dem Geist der zweiten Wiener Schule – kontrapunktisch dicht, komplex in der motivisch-thematischen Anlage, Zitate aus der Volksmusik nicht scheuend und zugleich von einem hochexpressiven Gestus getragen.

Marc Bouchkov (Violine), Adrien La Marca (Viola) und Ivan Karizna (Cello) wurden den entsprechend gehobenen Anforderungen an die Spieltechnik, an den partnerschaftlichen Dia- oder Trialog, an die spezifische Klanglichkeit dieser Stücke mit ihrem rhythmischen Appeal, ihren Verfärbungen (Flageoletts!) und ihrer Feier des ganz Leisen vollauf gerecht.

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Eröffnungskonzert 'Urlicht' zum Shalom-Musik-Köln Festival.

Vergnügen in einem äußerlichen Sinn konnten auch die Mahler-Lieder nicht bereiten, in denen der Bariton Dietrich Henschel zwischen der tiefschwarzen „Revelge“ und dem (vom Komponisten später in die zweite Sinfonie übernommenen) „Urlicht“ mit schöner Stimmfülle und großer Kraft der Detailgestaltung ein breites Panorama zwischen Verzweiflung und Erlösungshoffnung aufriss.

Im Fall von Ullmanns Rilke-Melodram fiel dann leider die Spannung ab. Das lag nicht oder doch kaum an Henschel und Waschk – das Stück ist tatsächlich etwas langatmig.