Shalom-Musik KölnJüdisches Festival feiert heute Auftakt - Freie Konzerte am Sonntag
Köln – Unter dem Motto „Zuversicht“ startet heute das jüdische Festival „Shalom-Musik Köln“. An insgesamt fünf Tagen werden bis zum Abschlusskonzert am 11. August mehr als 50 Konzerte in ganz Köln gespielt. Die Idee zum Festival entstand im vergangenen Jahr und soll eine Fortsetzung des großen Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ sein, sagt Ulrike Neukamm, Geschäftsführerin des Kölner Forum für Kultur im Dialog und Teil der künstlerischen Leitung des Festivals. „Der Synagogen-Gemeinde und dem Forum war es wichtig, gerade jetzt weiterzumachen und diesen unfassbar reichen Schatz an jüdischer Musik zu zeigen.“
Dabei zeigt sich jüdische Musik ganz unterschiedlich und ist nicht immer klar definiert. „Wir wollen nicht vorgeben, was jüdische Musik ist, sondern einfach jüdischen Komponisten und Musikern eine Bühne geben“, sagt Neukamm. Deswegen werde das Festival auch nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Spektrums zeigen können – und trotzdem wird es eine Reise vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert sein. „Die Musik ist absolut vielfältig und das wollen wir auch versuchen, zu zeigen.“
Auftakt des jüdischen Festivals mit Pianist Arno Waschk in der Flora Köln
Der Auftakt des Festivals wird heute Abend beim Eröffnungskonzert in der Flora Köln mit Pianist Arno Waschk gefeiert, der die an Corona erkrankte und angekündigte Pianistin Elena Bashkirova vertritt. Damit gibt es für Neukamm schon das erste Highlight des Festivals, dessen Programm, so sagt sie, eigentlich etwas zu traurig für ein Eröffnungskonzert ist.
Denn es besteht unter anderem aus zwei Kompositionen von den Musikern Gideon Klein und Viktor Ullmann, die in der Nazi-Diktatur umgekommen sind, sagt Neukamm. „Zum Teil haben sie die Werke auch im Konzentrationslager geschrieben. Und eigentlich passt es doch ganz gut, denn wir sind noch mitten in der jüdischen Trauerzeit“, sagt Neukamm. Drei Wochen lang trauern die Menschen um die Zerstörung des Jerusalemer Tempels, die Zeit endet am Sonntag mit dem Trauertag Tischa beAv.
Das Avishai Cohen Quartett als Höhepunkt beim „Shalom-Musik Köln“
Nur einen Abend zuvor gibt es den zweiten Höhepunkt, ein Jazzkonzert. Am Samstag tritt das Avishai Cohen Quartett ebenfalls in der Kölner Flora auf. Der in Tela Aviv geborene, jüdische Jazz-Trompeter Avishai Cohen gibt offen zu, dass er nicht traditionell nach jüdischem Glauben lebt, trotzdem hat seine Musik jüdische Einflüsse. „Ich bin Jude, meine Eltern sind Juden, jede Musik die ich in meinem Leben höre, beeinflusst auch die Musik, die ich spiele“, sagt Cohen im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Einen Einfluss auf sein aktuelles Album „Naked Truth“, das er in Köln präsentieren wird, hatte aber auch die Corona-Pandemie, die dem Musiker eine ungewollte, aber nötige Auszeit bescherte. „Wenn ich die finanziellen Probleme mal nicht beachte, dann kam die Pause im Leben, aber auch vom Touren und Proben, für mich zur richtigen Zeit. Ich konnte Zuhause sein und mich auf meine Beziehung, meine Kinder und mich konzentrieren“, sagt Cohen. Musikalisch sprudelten aber immer wieder ein paar Kompositionen durch seinen Kopf, die jetzt auf dem Album zu hören sind.
Infos zum Festival, Konzerte und Tickets
Nach dem Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ im vergangenen Jahr wollten die Veranstalter, dass jüdische Musik präsent bleibt. Daraus ist Shalom-Musik Köln Festival entstanden, das zum ersten Mal stattfindet und an fünf Tagen jüdische Musik in den Fokus stellt.
Den Start bilden heute Abend das Eröffnungskonzert in der Flora und die Clubnacht im Bumann & Sohn. Am Freitag steht das Styrian Klezmore Orchestra auf der Bühne des Roncalliplatzes. Am Samstag können sich Besucher auf ein interaktives Musiktheater in der Straßenbahn 7 und das Konzert vom Avishai Cohen Quartett freuen.
Am Sonntag gibt es rund 50 Kurzkonzerte in ganz Köln. Das Abschlusskonzert findet am 11. August statt. Tickets für die beiden Konzerte in der Flora Köln gibt es bei Köln-Tickets. Alle anderen Konzerte sind kostenlos. Weitere Infos unter: www.shalom-musik.koeln
„Es unterscheidet sich stark von meinen bisherigen Alben, das Schreiben und das Komponieren waren anders, aber dieses Mal ist es auch viel persönlicher geworden, für mich stand der Trompeten-Spieler dieses Mal nicht mehr im Vordergrund“, so Avishai Cohen. Aufgrund der Intimität seiner Musik kann sich Cohen gut mit dem Festival Motto „Zuversicht“ identifizieren.
„Musikalisch gesehen muss man sich immer Gedanken dazu machen, wieviel Zuversicht, aber auch Vertrauen es innerhalb einer Band gibt, um etwas wirklich Schönes zu schaffen und Musik auf einem hohen Level spielen zu können.“ Und die Zuversicht, dass er mit seinem Quartett am Samstag einen guten Abend spielt, hat Cohen.
Die meisten Menschen denken wohl, dass jüdische Musik nur Klezmer ist. Das dies aber nicht der Fall ist, sollen andere Gigs beweisen. „Wir haben zum Beispiel eine Kooperation mit der c/o pop und organisieren ebenfalls heute Abend eine israelische Clubnacht mit zwei Acts aus Tel Aviv und Berlin im Bumann & Sohn“, sagt Neukamm. Damit soll auch ein anderes Publikum erreicht werden.
Auch der lange Tag der jüdischen Musik am Sonntag, mit zahlreichen Kurzkonzerten von rund 30 Minuten, soll den Besuchern einen Einblick in die Vielfalt jüdischer Musik geben. Unter anderem werden an diesem Tag die Berliner Künstlerin Sharon Brauner im kleinen Sendesaal des WDR mit ihrer Hommage an die jiddische Populärmusik und Kölns Opernstar Dalia Schaechter und Christian von Götz im El-De Haus auf der Bühne stehen.
Die Musiker selbst sind aber nicht alle jüdisch. Ganz im Sinne der Völkerverständigung. „Wenn es um Musik geht, sollte man Religion zur Seite schieben. Wir kommen alle zum Festival, um einfach unsere Musik zu spielen. In Bezug auf die jüdische Vergangenheit kann man aber trotzdem sagen, dass Musik heilen und Menschen auch wieder zusammenbringen kann“, sagt Trompeter Avishai Cohen.
Antisemitismus hat für Für Ulrike Neukamm keinen Platz beim Festival. „Als Veranstalter macht man sich natürlich etwas Sorgen, dass Plakate beschmiert werden oder so, aber bisher ist nichts passiert und wir bleiben auch zuversichtlich.“
Beim Abschlusskonzert am 11. August mit dem Ensemble La Morra um die Cembalistin Corina Marti könnten die Menschen, die am Ende des „Shalom-Musik Köln“-Festivals zumindest eine vereinfachte Antwort darauf haben möchten, was nun jüdische Musik wirklich ist, eine bekommen. „Corina Marti ist ausgewiesene Expertin für die mittelalterliche Musik. Sie ist selbst Jüdin und forscht selbst viel dazu. So sagen einige Quellen, dass jüdische Musik entweder synegogalische Gesänge sind, oder von jüdischen Musikern gespielt wird“, sagt Neukamm.
Beim Finale in der Synagoge können sich die Besucher beim Programm mit dem Namen Al Admat Nechar - Jüdische Musik im 15. und 16. Jahrhundert in Spanien, Italien und Polen, aber auch einfach selbst die Frage beantworten. Und die kann am Ende auch ganz individuell sein.