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Kölner Festival mit jüdischer MusikHebräisch gesungener Elektropop in Ehrenfeld

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White Screen aus Tel Aviv

Köln – „1700 Jahre – so lange schon leben Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland. Und so lange schon gehört ihre Kultur zu unserem Land“, schreibt Ministerpräsident Hendrik Wüst in seinem Grußwort zum Festival „Shalom-Musik.Koeln“, das vom 4. bis 11. August mit mehr als 50 Konzerten die Stadt bereichern wird.

Ministerpräsident Wüst: „Jüdische Kultur ist vielfältig.“

„Antijüdische Ressentiments, die oft auf Vorurteilen und Unkenntnis aufbauen, sind auch heute, mehr als 75 Jahre nach dem Holocaust, in unserer Gesellschaft präsent.“ Umso wichtiger seien Begegnung und Austausch. „Musik bringt Menschen zusammen und baut Brücken. Und wir sehen: Jüdische Musikkultur ist vielfältig. Das spiegelt sich nicht nur in den vielen unterschiedlichen Veranstaltungen des Festivals, sondern auch in der Vielzahl an selbstbewussten jüdischen Künstlerinnen und Künstlern in unserem Land wider“, so Wüst weiter.

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Die Pianistin Elena Bashkirowa ist mit Daniel Barenboim verheiratet.

Direkt am Eröffnungsabend könnten die Kontraste größer nicht sein. In der Flora gibt „Urlicht“, jenes zugleich tieftraurige wie hoffnungsfrohe Lied Gustav Mahlers, das Motto des Abends und des Festivals vor (Tickets ab 20 Euro). Zuversicht angesichts der Schrecken der Welt. Dietrich Henschel interpretiert mit einer exquisiten Kammermusikerbesetzung nicht nur vier Lieder aus Mahlers berühmtem „Wunderhorn“, sondern gemeinsam mit Elena Baschkirowa auch die erschütternde „Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“.

Alles zum Thema Hendrik Wüst

Musikalische Skizzen aus dem KZ

Das letzte Werk Viktor Ullmanns, im Konzentrationslager Theresienstadt skizziert, malt die Schrecken und Versuchungen des Krieges in erschütternden Farben. Die Pianistin Baschkirowa ist auch Intendantin des Jerusalem Chamber Music Festival und nicht zuletzt die Ehefrau von Daniel Barenboim, der drei Tage vor seiner Frau in der Philharmonie gastiert.

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White Screen aus Tel Aviv

Am selben Abend gibt es eine israelische Klubnacht im Ehrenfelder Bumann & Sohn mit The White Screen aus Tel Aviv sowie Ryskinder aus Berlin, die dort jüngst im legendären Club Berghain auftraten. Der Mix der beiden Acts aus modernen Sounds und hebräischem Gesang steht für die Entwicklung israelisch-jüdischer Popkultur. So fallen The White Screen, eine fünfköpfige Band um die Cousins Gabriel und Gilbert Broid vor allen durch schräge Videos auf, etwa „Yerushalayim“ oder „Sukar“, einem verkitschten Cover des „Sugar, Sugar“-Hits der Archies aus den 1960er Jahren. Hier ist wie bei vielen anderen Konzerten der Eintritt frei.

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Dass die Vielfalt jüdischer Musik mehr sei als die oft genannte synagogale Musik und Klezmer, hatte jüngst Abraham Lehrer betont, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vorstand der Kölner Synagogen-Gemeinde, die das Festival genauso mitträgt wie die Kölner c/o pop. So ist in einer Stadtbahn der KVB am 6. August ein interaktives Musiktheater des weltberühmten jüdischen Regisseurs Adrian Schwarzstein zu sehen, einen Tag später gibt es ein Glockenspielkonzert der Carilloneure Katarzyna Takao-Piastowska und Toru Takao, das man vor dem historischen Rathaus hören kann.

Kölner Komponist sampelt Landino-Songs

Der in Köln lebende Komponist Tal Botvinik performed mit Gitarre und Samples Minimal Music von Steve Reich sowie Eigeninterpretationen von bekannten Ladino-Songs in der Trinitatiskirche. Das Trio Picon spielt jüdischen Tango, Swing und Klezmer, die Gruppe Toda steht für ein interreligiöses Liedprojekt mit Liedern aus christlicher und jüdischer Tradition. Der Eintritt ist überall frei.

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Jazztrompeter Avishai Cohen spielt beim Shalom-Festival in der Flora.

Ein weiteres Hightlight: Der charismatische, in Tel Aviv geborene Trompeter Avishai Cohen mit impressionistisch anmutenden Kompositionen für Jazzquartett. Der israelische Trompeter arbeitet mit seinen langjährigen Weggefährten – Pianist Yonathan Avishai, Bassist Barak Mori und Schlagzeuger Ziv Ravitz – , die ein intuitives Verständnis für die vorsichtig auf und ab wogenden Bögen der Musik gemein haben. Inspiration für alles ist „Departure“, ein Gedicht von Zelda Schneurson Mishkovsky. Dessen thematische Schwerpunkte – Verzicht, Akzeptanz und Loslassen – spiegeln sich auf eindringliche Weise in der Stimmung der Musik wider (Flora, 6. August, Tickets ab 20 Euro).

Tagung in der Kölner Synagoge im Herbst geplant

„Wir wollen den Austausch der Kulturen weiterbringen“, sagte Claudia Hessel vom Kölner Forum für Kultur im Dialog. Deshalb plane man derzeit für den Herbst, ergänzend zum Festival, eine wissenschaftliche Tagung in der Synagoge, die sich in Kooperation mit der Musikhochschule auch theoretisch mit der Frage „Was ist jüdische Musik?“ auseinandersetzen soll.

www.shalom-koeln.de