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Einziges Deutschland-KonzertJetzt ist Lady Gaga eine Göttin

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Lady Gaga am Sonntagabend in Düsseldorf  

Düsseldorf – Lange Zeit, bekennt Lady Gaga am Sonntagabend in Düsseldorf, habe sie nicht gewusst, ob sie jemals wieder auf Tour gehen werde. Sie räkelt sich auf einem Klavierschemel. Aus dem dazugehörigen Flügel wächst knorriges Geäst, als müsste sie sich erst ihren Weg aus dem Dornwald freispielen. Zehntausende umringen die kleine Zweitbühne inmitten des Spielfeldes der Arena. An ihren Handgelenken tragen sie Armbänder mit Leuchtdioden, die zu jedem Wort der Sängerin sympathetisch in Bonbonpapierfarben aufleuchten.

Es sind natürlich sie, ihre Fans, die kleinen Monster, die Gaga die Kraft gegeben haben, nicht nur wieder auf der Bühne zu stehen, sondern auch sich selbst zu lieben. Behauptet die Künstlerin und tut das unter Tränen, weshalb man ihr alles glauben mag und ganz schnell noch mehr Liebe in ihre Richtung schickt - mit blinkendem Armband.

Lady Gaga wählt Düsseldorf für Tourauftakt aus

Tatsächlich erlebt Düsseldorf eine Premiere, es ist das erste Konzert ihrer kurzen, dabei jedoch absurd aufwändigen Welttournee durch die größten Stadien des Planeten, „The Chromatica Ball“ genannt, nach Lady Gagas noch aktuellem Album, auf dem sie zu ihren Dance-Pop-Wurzeln zurückgefunden hat.

Wie Lady Gaga den eigenen Ruhm herbeisang

Es war mein fünftes Gaga-Konzert. Bereits auf ihrer ersten Tour, dem „Fame Ball“ begegnete man – in meinem Fall im Kölner Palladium – einer fertig geformten Kunstperson. Die Anleihen beim deutschen Bauhaus und Andy Warhols New Yorker Factory mit schamlos stampfender Kirmesmusik verband. Eine junge Pop-Prinzessin, die ihren erst noch folgenden Ruhm einfach so herbeisang.

Beim nächsten Mal passte dann auch die Kulisse zu den Ambitionen, ein phantasmagorisches Science-Fiction-New-York, mit gläsernen U-Bahnen, waffenfähigen Taxen und sexuell ausgehungerten Fischmonstern, die der Sängerin im Central Park auflauerten. Dazu hämmerte sie mit Stöckelschuhen auf ein brennendes Klavier ein.

Zum dritten Konzert ritt Gaga maskiert auf einem aus zwei Tänzern bestehenden schwarzen Einhorn ein. Später verwandelte sie sich noch in ein lebendes Motorrad: Ein Mensch, der sich in eine Popmaschine mit größtmöglichen Hubraum verwandelt hatte.

Lady Gaga lässt Karriereknick hinter sich

Das vierte Mal war die Tour zum verquasten „Artpop“-Album. Zum ersten Mal in ihrer Karriere hatte sich Lady Gaga gründlich verhoben und wusste das wohl auch, zählte vorwärtsverteidigend ihre Hits auf und die Tatsache, dass sie diese selbst geschrieben hat. Ein Popstar in Erklärungsnot, das Ende ihrer imperialen Phase. Neue Popstars würden kommen. In Düsseldorf singt sie kein einziges Stück von „Artpop“.

Dass sie aus diesem Karriereknick – es kam noch allerhand physische und psychische Unbill dazu – als Jazz-Chanteuse, Hollywood-Star und Inaugurations-Sirene hervorgegangen ist, als Diva für alle Gelegenheiten, erhebt sie weit über die gewöhnlichen Erzählungen der populären Musik. Weshalb man in der Merkur-Spiel-Arena weniger ein Konzert besucht, als der Audienz einer Göttin beiwohnt.

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Am Anfang kaum zu sehen: Lady Gaga im Sarkophag 

Es ist viertel nach Neun, als endlich das Stadionlicht erlischt und auf der riesigen Bühne, die wie ein aus Stahlplatten zusammengehauenes Wehr wirkt, allerhand abstrakte Linien aufflackern. Die formen sich langsam zum Schattenriss einer nur halb figürlichen, noch vorwiegend aus Dreiecksflächen zusammengesetzten Gaga, wie eine Scherenschnitt-Animation von Lotte Reiniger, nur ins Monströse gesteigert.

Dann wird es wieder ganz dunkel, bis die ersten Takte von „Bad Romance“ verwaschen durch die Halle bollern, als präge eine gigantische Göttin ihren Fußabdruck der Erde ein. Aber wo ist sie?

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Man erkennt sie kaum, auf der Brücke über der Bühne: Sie steckt noch ein einer Art Sarkophag fest, nur der Kopf ist zum Singen frei. Erinnert an eine gottgleich verehrte Pharaonin und mehr noch an den Maschinenmensch Maria aus Fritz Langs „Metropolis“. Schon auf ihrer ersten Tour hatte sie „Willkommen“ aus „Cabaret“ gesungen, die Weimarer Republik bleibt ein unerschöpflicher Quell der Inspiration.

Kurz darauf zuckt sie zu „Monster“ auf einer Totenbank wie Frankensteins Braut. Als müsste sie erst die Energie der Masse zu neuem Leben erwecken. Sie ist, das kann man nun wirklich nicht deutlicher zeigen, ein Kunstwesen. Und wir sind die verrückten Jünger, die ein Stadion in einen Tempel verwandeln wollen.

Neue Gerüchte um Beyoncé

Erst als der zweite Akt der Show beginnt, er wird tatsächlich als solcher annonciert, steht Gaga, die wasserstoffblonden Haare zurückgekämmt, auf eigenen Beinen, umringt von ihren Tänzern, singt „911“ und „Sour Candy“ vom „Chromatica“-Album und auch „Telephone“, zu dem allerdings nicht, wie im Vorfeld spekuliert wurde, ihre einstige Duett-Partnerin Beyoncé erscheint. Man soll eben keine anderen Göttinnen haben neben ihr.

Den liturgischen Höhepunkt markiert das bereits erwähnte Zwischenspiel auf der kleinen Bühne im Innenraum. Ihre LGBTQ-Hymne „Born This Way“ versetzt die Gemeinde – die Mehrzahl trägt hier Glitter und etliche sind in knapp sitzenden Drag-Kostümen erschienen – als klavierbegleitete Mitsing-Hymne in Verzückung, ebenso das orgiastische „The Edge of Glory“ und ihre Oscar-gekrönte Ballade „Shallow“, zu der die Armbänder angemessen gülden blinken.

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Der Höhepunkt am verwurzelten Flügel  

Darauf folgen noch die aktuellen Disco-Stampfer „Stupid Love“ und „Rain On Me“, in denen die Göttin mit ihren Verehrern Klartext spricht: „Ich will deine dumme Liebe!“ – und schließlich, als Zugabe, die Powerballade „Hold My Hand“. Die hat sie für Tom Cruises Fliegerspektakel „Top Gun: Maverick“ komponiert. Aber hier funktioniert sie als unmögliche Aufforderung ans Publikum. Selbstredend wollen wir alle ihre Hand halten, aber die Hand, die sie hochhält, ist eine künstliche Monsterklaue: Gaga mit den Scherenhänden.

Sie verschwindet mit der Klaue winkend hinter einer Feuerwand. Zurück ins Tempelinnere. Nur um dann, jemand hat bereits das Putzlicht anschaltet, noch ein letztes Mal zu erscheinen. Den Applaus, von dem zu leben Lady Gaga in einem alten Song behauptet, als Opfergabe empfangend. Was für ein Konzert! Es ist der Stoff, aus dem Legenden sind.