Köln – Alles schon mal da gewesen: die Musik, die Hormone, die Geschäftemacherei. Teenie-Pop, das ist auch schon eine in die Jahre gekommene Erkenntnis, ist älter als Justin Bieber, Britney Spears und BTS zusammen. Geboren wurde er aus der Idee, dass auch Jugendliche ein Recht darauf haben, von der Unterhaltungsindustrie ausgebeutet und mit seriell erzeugten Aufputschmitteln um das Geld ihrer Eltern gebracht zu werden.
Teenie-Pop ist heute ungefähr so alt wie Paul Anka, und der zählt immerhin schon 80 Jahre. Diese sieht man ihm allerdings nicht an, als er sich, „Diana“ schmetternd, im Kölner Tanzbrunnen den Weg durch das Publikum zur Bühne bahnt. Seinen ersten Nummer-Eins-Hit schrieb Anka, als er gerade einmal süße 14 war, das perfekte Alter, um sich einen direkten Weg ins empfindliche, noch formbare Teenager-Ich zu bohren.
Seinen ersten Nummer-Eins-Hit „Diana“ schrieb Paul Anka als 14-Jähriger
In „Diana“ beschwört er seine ältere Freundin, bei ihm zu bleiben und nicht auf die Warnungen der Erwachsenen zu hören. Doch eigentlich lautet der Refrain: Da draußen ist jemand, der all deine narzisstischen Sehnsüchte versteht.
Selbstredend ist Paul Anka seit ungefähr 60 Jahren zu alt, um noch als Erfüllung ungehemmter Jugendträume durchzugehen. Aber das erwartet das Publikum auch nicht von ihm. Es will wohl einfach noch einmal sehen, wie einer, der diesen Teenagertraum als Star erlebte, das böse Erwachen als Erwachsener meisterte – und wie er mit dem Altern umgeht. Die Antwort ist schnell gefunden und leider ein bisschen langweilig: absolut professionell.
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Als Anka die Bühne betritt, wähnt man sich für einen Augenblick in Las Vegas. Er trägt ein schwarzes Hemd zum schwarzen Anzug, dazu ein rotes Einstecktuch, und er lächelt so breit, als würde der gut, aber für Ankas einziges Konzert in Deutschland auch nicht übermäßig gut besuchte Tanzbrunnen vor Begeisterung und Menschen überschwappen. „His Way“ heißt seine Welttournee, eine Anspielung auf Frank Sinatras berühmtesten Song, für den Anka den englischen Text verfasste, und die natürlich auch deswegen wunderbar auf diesen Abend passt, weil das gediegene Sinatra-Entertainment für Paul Anka eine zweite Heimat geworden ist.
Also spielt Anka seine großen Teenie-Hits, „Diana“ und „Put Your Head on My Shoulder“, eher als Zitat, als Karaoke-Show mit Band, und inszeniert sich ansonsten als lebende Show-Legende und selbstloser Komponist. Er singt „She’s a Lady“, das er für Tom Jones schrieb, als stampfende Rocknummer, er dimmt das Licht für Buddy Holly und „It Doesn’t Matter Anymore“ herunter und vergisst auch „This is it“, seine posthum erschienene Hitsingle für Michael Jackson nicht. Allerdings erreicht nichts davon die ergreifende Schlichtheit seines 50er-Jahre-Teenie-Pops. „Wenn man vergisst, sie lächerlich zu finden“, schrieb Nik Cohn über diese Musik, „lässt sie einen nicht mehr los.“
Peter Kraus hat im Kölner Tanzbrunnen einen kurzen Gastauftritt
Vermutlich weiß Anka, dass die mittelalten Groupies, die im Tanzbrunnen die Bühne stürmen, dies nicht wegen seiner Qualitäten als Frank-Sinatra-Double tun. Sie wollen der Legende nahe sein, dem ersten minderjährigen Selfmade-Millionär der Popgeschichte, dem süßen Jungen, der die Augen ungezählter Mädchen glasig werden ließ, bevor ihn die Beatlemania in den Vorruhestand versetzte. Jedenfalls haben die Kölner Sicherheitsleute erstaunlich viel zu tun, zumal bei einer Besucherschar, die mehrheitlich etwa zehn Jahre zu jung scheint, um Paul Anka bereits 1959 erlegen zu sein.
Das Rentnerpublikum schaut diesem Treiben teilweise etwas bange zu, ein Jungbrunnen ist der Abend vor allem für Anka selbst. So agil wäre man gerne mit 80 Jahren, und auch so gut in dem, was man stets am besten konnte. Anka gibt dem Publikum, was er ihm schuldig ist, holt Peter Kraus für ein kurzes Duett an seine Seite und singt sogar einen putzigen alten deutschen Schlager über „Zwei Mädchen aus Germany“, den er vor einer Ewigkeit für den deutschen Markt aufnahm und von dem er fälschlicherweise annimmt, er sei hierzulande ein Evergreen. Den Refrain muss Anka jedenfalls alleine singen, das verdutzte Publikum bleibt mangels Textkenntnis stumm.
Seine Cover-Version von „Smells like Teen Spirit“ war süße Rache an der Gegenwart
Auch die Frage „Wer von Euch liebt Nirvana?“ bleibt ohne Antwort, dabei gehört seine beschwingte „Smells like Teen Spirit“-Version zu den musikalischen Höhepunkten des Konzerts. Seine diversen Comebacks glückten Anka nicht nur mit Las-Vegas-Standards, sondern auch mit einer Coverplatte aus 80er-Jahre-Hits. Der Geist der Vergangenheit feierte darauf süße Rache an der Gegenwart.
Manchmal geht das aber auch schief, etwa wenn Anka seine Teenie-Schnulze „Crazy Love“ mit „Purple Rain“ von Prince verschneidet, wie um zu beweisen, dass er als 17-jähriges Wunderkind den Liebesschmerz erfand. Die hervorragende Begleitband spielt auch darüber gekonnt hinweg und darf kurz vor Schluss mit Soloeinlagen glänzen. Alles absolut professionell eben, die letzte Zugabe verklingt pünktlich, bevor im Tanzbrunnen auf behördliche Anordnung der Ton ausgeht. Mehr kann man nicht verlangen. Außer vielleicht, noch einmal ein verliebter Teenager zu sein.