Köln – Um kurz nach 20 Uhr öffnet sich der virtuelle rote Vorhang mit den goldenen Kordeln und der erste, den die Besucherinnen und Besucher der ausverkauften Lanxess-Arena sehen, ist Brian May, Gründungsmitglied der englischen Rockband Queen. Die Botschaft ist klar: May und Schlagzeuger Roger Taylor, ebenfalls seit Beginn an dabei, stehen für die Kontinuität einer der erfolgreichsten Bands der Musikgeschichte. Das hier ist Queen – und dann natürlich auch wieder nicht.
Denn einer fehlt. So laut, so allgegenwärtig, dass sein Name über allem schwebt: Freddie Mercury. Was würde der 1991 Sänger gestorbene dazu sagen, dass gut 30 Jahre später seine ehemaligen Bandkollegen immer noch die Hallen mit der Musik füllen, die er maßgeblich geprägt hat?
Lambert versucht gar nicht erst, die Lücke bei Queen zu füllen
Es ist eine Frage, auf die es keine Antwort geben kann. Nur eines ist klar: Adam Lambert, der selbst erst knapp zehn Jahre alt war, als Mercury starb, vermeidet alles, was danach aussehen könnte, er wolle eine Lücke füllen, die nicht zu füllen ist. Das macht der ehemalige Castingshow-Teilnehmer aus den USA schon seit er mit Queen auf Tour geht.
„Macht Lärm für zwei Legenden“, ruft er dem Publikum mit Blick auf May und Taylor zu. Er sei dankbar, eine der größten Rock’n’Roll-Bands aller Zeiten feiern zu dürfen – und eine unersetzliche Ikone.
„Ich bin ein Fan, genau wie ihr“, so oder ähnlich formuliert Lambert das in jedem Konzert. Er ist der, der für die Fans stellvertretend den Traum wahr macht, mit seinen Helden auf der Bühne zu stehen. Man kann das anbiedernd finden, aber vielleicht ist es auch schlicht die Wahrheit.
Immer glitzernd, immer weit, immer schwarz
Lambert, der sich stimmlich nicht verstecken muss, vermeidet alles, was nach Nachahmung aussieht. Wo Mercury meist in hautengen Anzügen mit einer ausgestellten Körperlichkeit über die Bühne stolzierte, die alles überstrahlte, hat sich Lambert zu Beginn für einen schwarzen, glitzernden Anzug entschieden, an den eine weiße Blume geheftet ist. Er trägt einen Zylinder und Sonnenbrille. Bei ihm schafft das Outfit eher Distanz. Auch seine anderen Kostüme sind immer glitzernd, immer weit, immer schwarz.
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Es ist ein Spagat, den er erfüllen muss. Auf der einen Seite sind die Menschen ja in die Arena gekommen, um sich auch und gerade an Freddie zu erinnern, auf der anderen Seite darf eben niemals der Anschein entstehen, Lambert setze sich auf eine Stufe mit ihm. Das würden die Fans nicht verzeihen. Und der 40-Jährige meistert diese schwierige Aufgabe mit Bravour. Es ist kein Zufall, dass er nun auch schon seit zehn Jahren mit May und Taylor tourt.
Perfekte Show in der Kölner Lanxess-Arena
Die Show ist perfekt choreografiert. Jeder Effekt sitzt. Und es passiert so einiges. Neben einem ausgefeilten Lichtkonzept gibt es auch Bühnennebel und ab und an ein bisschen Pyro-Technik. Und wenn aus Mays Gitarre bei "A Kind of Magic" kleine Leuchtraketen schießen, dann werden Jungsträume wahr.
Hinter den insgesamt sechs Musikern auf der Bühne sitzen einige Zuschauer in kleinen Boxen, die angestrahlt werden und wie Opernboxen aussehen. Ein Steg führt in die Mitte des Innenraums. Songs wie „Don’t Stop Me Now“, „Under Pressure“, „Hammer to Fall“, „I Want to Break Free“ und „Another One Bites the Dust“ verwandeln die Arena in eine riesige Party. Man ist immer wieder überrascht, wie viele famose Songs diese Band geschrieben hat – und wie gut sie auch heute noch funktionieren.
Es gibt auch leise Momente
Es gibt aber auch leise Momente: „Guten Abend, Kölle. Geht’s euch gut?“, ruft Brian May ins Publikum, als er am Ende des Steges nur mit seiner Gitarre sitzt. Und dann noch „Kölle Alaaf“. Damit hat der knapp 75-Jährige seine Deutschkenntnisse dann allerdings ausgereizt, wie er zugibt.
Der promovierte Astro-Physiker hat da aber ohnehin schon vermutlich auch das letzte Herz im Arena-Rund erreicht. In Würde zu altern ist nicht leicht, Taylor und May ist das hervorragend gelungen. Die Haare sind zwar mittlerweile grau, aber ansonsten sind die ja nun auch nicht mehr ganz jungen Musiker mit Leidenschaft und erstaunlicher Energie bei der Sache.
May spielt und singt „Love of My Life“ und es gibt natürlich nur einen, dem er diesen Song widmet. Irgendwann erscheint Mercury auf der Leinwand über ihm, und für einen Moment sind die beiden wieder auf der Bühne vereint. Dann geht die Party weiter, und sie findet im Finale mit „Bohemian Rhapsody“, „We Will Rock You“ und „We Are the Champions“ ihren Höhepunkt und Abschluss.
Zyniker mögen anmerken, dass Nostalgie ein einträgliches Geschäft ist. Aber darf nicht gerade Musik genau dieses Gefühl bedienen? Um neue Botschaften können sich ja die anderen kümmern. An diesem Sonntagabend wird in der Arena das Erbe einer Band gefeiert, die Musikgeschichte geschrieben hat und die noch immer die Massen anlockt und sehr, sehr gut unterhält. Was würde Freddie Mercury dazu sagen? Vermutlich würde es ihm sehr gefallen.