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Gorillaz in KölnWie Damon Albarn eine junge Frau zu Tränen rührte

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Gorillaz-Sänger Damon Albarn

Köln – Eines Tages, so geht die Mär, schlonzten Blur-Sänger Damon Albarn und sein damaliger Mitbewohner Jamie Hewlett auf dem WG-Sofa und fühlten sich nach einer Überdosis Formatmusik auf MTV derart leer, dass sie beschlossen, selbst eine Band am Reißbrett zu entwerfen. Beziehungsweise am Zeichentisch.

Und so malte Hewlett – bekannt durch seine Comicserie „Tank Girl“, die britische Antwort auf „Mad Max“ – das erste virtuelle Quartett der Popgeschichte. Mit einem Bassisten, der aussah, als hätte ihn Keith Richards mit einem Ghul gezeugt, einem süßen, aufreizend hohlen Sänger, einer zehnjährigen Japanerin an der Lead-Gitarre und einem von Dämonen besessenen schwarzen Schlagzeuger.

In der Rückschau klingt das arg klischeebeladen, doch gleich die erste Single der Gorillaz, so der Name des Kunstprodukts, „Clint Eastwood“, wurde zum europaweiten Hit. Viel erstaunlicher ist indes die Langlebigkeit des Sofa-Projekts: Die Gorillaz haben nicht nur MTV und die große Krise des Musikgeschäfts überlebt, sondern auch Albarns ursprüngliche Hauptband Blur, sowie mehrere Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Hewlett.

Englische Wehmut, afrikanische Rhythmen

Der war zwischenzeitlich wenig glücklich darüber, dass seine Animationen auf Konzerten nur noch im Hintergrund liefen, und wenn man ganz ehrlich ist, liegt die Existenzberechtigung der Gorillaz doch eher darin, Albarns englische Wehmutsmelodien mit afrikanischen und afroamerikanischen Rhythmen zu verknüpfen – und mit einer Heldengalerie aus – manchmal auch zu Unrecht vergessenen – Legenden der Musikgeschichte.

Wie reizvoll diese Kombination noch immer ist, konnte man am Mittwochabend im Palladium erleben. Auf der Leinwand mag das lustige Quartett sein Unwesen treiben, auf der Bühne hat Albarn eine zwölfköpfige Band um sich versammelt, Überraschungsgäste nicht mitgezählt, darunter fünf Background-Sänger und gleich drei Schlagwerker. Es ist eher ein großes Funk-Orchester und traumhaft aufeinander eingespielt.

Albarn wirft Kusshände

Seine mal vorwärts preschenden, mal sanft gedrosselten Grooves fangen das Publikum unmittelbar ein und lassen es über zwei Stunden auch nicht mehr los. Und das einzige neue Stück, „Cracker Island“, die erste Single vom kommenden Album, reiht sich nahtlos ins immer hippe, seltsam zeitlose Werk der Gorillaz ein.

Albarn hat auch mit 54 Lebens- und weit über 30 Berufsjahren noch den Spaß seines Lebens auf der Bühne, wirft Kusshände, radebrecht im wieder erinnerten Schuldeutsch von seiner ersten Busfahrt auf dem Kontinent, die ihn prompt nach Köln führte. Immer wieder badet er in der Menge, verteilt Handschläge, ersetzt sein rosa Baseball-Käppi durch eine ihm hingehaltene Kapitänsmütze.

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Die steht ihm ganz wunderbar, er zugleich Zampano und Kapitän eines Narrenschiffs auf Irrfahrt über den schwarzen Atlantik. Einige der zuletzt eingespannten Superstars – darunter The Cures Robert Smith und Elton John – begegnen uns erwartungsgemäß nur vom Band und als animierte Avatare, leibhaftig im Gepäck hat Albarn den englischen Reggae-Sänger Sweetie Irie, der eine ausgedehnte Version von „Clint Eastwood“ versüßt und drei amerikanische Hip-Hop-Veteranen: Bootie Brown von The Pharcyde und mit Trugoy und Posdnuos zwei Drittel von De La Soul.

Echte Rap-Götter, die hier für ein paar Minuten von „Stylo“ oder „Feel Good Inc.“ über die Bühne wandeln. Einerseits ist das die reine Verschwendung, andererseits gibt es dem Publikum das gute Gefühl, sich auf einem Luxusdampfer eingeschifft zu haben. Am Ende gibt Damon Albarn die Kapitänsmütze der jungen Frau zurück, die sie ihm entgegengestreckt hatte.