Wilco im E-WerkWarum Jeff Tweedy sein grausames, dummes Land liebt
Köln – Vielleicht war Wilcos Meisterwerk „Yankee Hotel Foxtrot“ ja wirklich der letzte Innovationsschub der Rockmusik. Das ist nun allerdings schon mehr als 20 Jahre her. Das Album erschien wenige Tage nach 9/11 und fing die Angst, Hysterie und Kriegslüsternheit dieser Zeit perfekt ein. Seitdem, kann man sagen, befindet sich die Band um den Chicagoer Songschreiber Jeff Tweedy in einer langen Entspannungsphase.
Die dürfte mit dem aktuellen Doppelalbum „Cruel Country“ ihren Zielpunkt erreicht haben, auf dem die Band, dem doppeldeutigen Titel folgend, zu ihren Country- und Americana-Wurzeln zurückgekehrt ist.
Im Kölner E-Werk präsentieren sich Wilco in nie zuvor gehörter Lockerheit, sechs Musiker, die instrumental perfekt ineinander greifen, und umso besser wissen, wo sie Platz zum Atmen lassen können. Wenn Gitarrist Nels Cline – Wilcos Geheimwaffe – mal wieder zu einem seiner cape-canaveralesken Raketen-Soli abhebt, tut er das von weichem Untergrund, kein Vergleich mehr zum schroffen Paranoia-Sound der Jahrtausendwende.
Unerschöpfliches Reservoir an Songs
So klingt eine Band, die weiß, dass ihr wichtigstes Album zwar lange hinter ihr liegt, deren Mitglieder aber besser aufeinander hören als je zuvor – und auf ein schier unerschöpfliches Reservoir an Songs zurückgreifen können. Den größten Teil des Sets bilden die neuen, oft mit Slide-Guitar begleiteten Stücke. „Ich liebe mein Land wie ein kleiner Junge“, singt Tweedy im Titeltrack, „Ich liebe mein dummes, grausames Land.“
Auf dem Papier liest sich das wie ein Statement zur Lage der Nation, aber live hebt der federleichte Country-Shuffle das Bleigewicht der Aussage auf und die eher kurzen neuen Songs von „Cruel Country“ – „Many Worlds“, das einzige Stück von epischer Länge, spielen Wilco in einer kurzen Instrumentalversion – wirken wie Ruheinseln in der aufgewühlten See früherer Werke.
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Besonders schön mäandert „Impossible Germany“durch die Gehörgänge, zuerst nur ein weiteres Unverstanden-in-der-Beziehung-Lied, erreicht es mit dem erhabensten Nels-Cline-Solo des Abends kosmische Dimensionen. „Nichts ist wichtiger, als zu wissen, dass jemand zuhört“, singt Jeff Tweedy. Und wir hören zu, weil es eine Lust ist, auch noch nach all den Jahren.