Die Bühne der Philharmonie ist im Evakuierungsfall nicht barrierefrei zu verlassen. Bei anderen Kölner Bühnen sieht es ähnlich aus.
Kinderchor durfte nicht auftretenWie barrierefrei sind Kölns Bühnen?

Überall Stufen: Der Zugang zur Bühne der Philharmonie ist nicht barrierefrei.
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Gebärdendolmetscher, speziell für Rollstuhlfahrer abgesperrte und erhöhte Bereiche, Audio-Deskription und einfache Sprache – auch wenn viele Veranstaltungen noch nicht barrierefrei sind, es tut sich etwas. Immer öfter wird damit geworben, dass etwa Theater auch für Menschen mit Behinderung zugänglich sind. Dabei geht es allerdings meist nur um den Publikumsbereich. Wie es dagegen auf der Bühne aussieht – diese Frage drängt sich nach einem Fall aus der vergangenen Karnevalssession auf.
Es wäre mit Sicherheit ein Highlight für die Kinder gewesen. Einmal auf der Bühne der Philharmonie stehen und für mehr als Tausend Menschen singen. Doch den Plänen des Festkomitees Kölner Karneval, die Belve Pänz gemeinsam mit dem Kölner Kinderdreigestirn bei der Karnevalistischen Matinee zugunsten des Kölner Rosenmontagszuges am 19. Januar auf die Bühne zu holen, wurde ein Strich durch die Rechnung gemacht. Der Grund: Die Sicherheitsbedenken für den Fall einer nötigen Evakuierung waren zu groß. Denn dann ist die Bühne nicht barrierefrei zu verlassen – und im Chor singen auch gehbehinderte Kinder.

Das Mottolied hat das Kinderdreigestirn der Session 2025 gemeinsam mit den Belve Pänz aufgenommen.
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Die Belve Pänz sind der Chor der LVR-Förderschule Belvedere. Da der Kinderbauer der vergangenen Session, Anton Kewitz, im inklusiven Chor Belve Pänz and Friends gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern der Förderschule singt, entstand beim Festkomitee die Idee einer Kooperation. Der inklusive Chor nahm gemeinsam mit dem Kinderdreigestirn das Mottolied auf, bei der Proklamation im Theater am Tanzbrunnen konnten sie es erstmals zusammen auf die Bühne bringen. „Etwas blauäugig“, wie FK-Vizepräsidentin und Verantwortliche für den Kinder- und Jugendkarneval Christine Flock sagt, wurden die Belve Pänz dann auch ins Programm der Karnevalistischen Matinee in der Philharmonie eingeplant.
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Doch es kamen Sicherheitsbedenken auf: Das in den 1980er Jahren geplante Haus weicht deutlich von den heutigen Ansprüchen an Barrierefreiheit ab. Das Künstlerfoyer und die Bühne sind im Falle einer nötigen Evakuierung nicht barrierefrei zugänglich beziehungsweise zu verlassen, erklärt eine Sprecherin der Philharmonie auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Im Falle einer Flucht etwa aufgrund eines Brandes funktionieren die beiden Aufzüge aus dem Künstlerfoyer nicht, daher bliebe nur die Flucht über das enge Treppenhaus.
Theater am Tanzbrunnen sei hinsichtlich Barrierefreiheit eine „Katastrophe“
In Absprache mit dem Festkomitee sei man zu dem Entschluss gekommen, keine Rollstühle auf der Bühne zuzulassen. Die Sprecherin der Philharmonie betont jedoch, dass dies nicht bedeute, dass grundsätzlich keine Menschen mit Rollstuhl auf der Bühne der Philharmonie auftreten können. „Wir müssen aber je Veranstaltung die Sicherheit der Auftretenden abwägen.“ In diesem Fall wurde auch aufgrund der Vielzahl an Personen auf dem Podium entschieden, keine Rollstühle zuzulassen. Das Festkomitee weist die Verantwortung an dieser Stelle von sich: „Wir sind in der Philharmonie nur zu Gast, deshalb gelten für uns deren Regeln“, sagt Flock.
„Zuschauen dürfen Menschen mit Behinderung. Aber auf die Bühne? In der Regel nicht“, sagt Christof Bünk, Schulleiter der LVR-Schule Belvedere. Auch Tom Nesgen und Mareen Heikhaus, die an der Schule unter anderem für den Chor verantwortlich sind, betonen, dass viele Kölner Bühnen nicht barrierefrei seien. Das Theater am Tanzbrunnen etwa sei dahingehend „eine Katastrophe“, aber: „Alles ist machbar, man muss nur ein bisschen kreativ sein“, meint Nesgen. So seien auch am Tanzbrunnen die Auftritte bei der Loss-mer-singe-Sitzung im vergangenen Jahr und bei der Proklamation des Kinderdreigestirns für die Belve Pänz möglich gemacht worden.
Lift zur Saalebene aber nicht zur Bühne
Eine Abfrage einiger Kölner Bühnen hinsichtlich der baulichen Barrierefreiheit ergibt ein ähnliches Bild: Bei der Volksbühne am Rudolfplatz etwa gibt es einen Plattformlift zur Saalebene, die Bühne dagegen ist aber nicht barrierefrei erreichbar. Der Denkmalschutz sorge hier für Probleme, erklärt eine Sprecherin. Doch in Einzelfällen könnte dies etwa durch Rampen gelöst werden, so konnte auch im Rahmen der Digital X ein Mensch mit elektrischem Rollstuhl in der Volksbühne auftreten.
Auch im Sartory gibt es einige Bereiche, die nicht barrierefrei sind, grundsätzlich könnten aber auch Menschen auf der Bühne auftreten, die auf einen Rollstuhl oder eine Gehhilfe angewiesen sind, sagt Geschäftsführer Marcus Sartory. „Natürlich können sich in diesem Zusammenhang Sicherheitsfragen ergeben, die unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände zu klären sind. Uns sind keine Probleme bekannt, die zu einem Nutzungsausschluss in der Vergangenheit geführt hätten.“
Im Staatenhaus konnten bisher bei allen mit Rollstuhlnutzern geplanten Veranstaltungen Lösungen gefunden werden, indem etwa die Spielfläche eben geplant oder Rampen eingesetzt wurden, erklärt eine Sprecherin der Oper auf Anfrage. Und auch nach dem bevorstehenden Umzug soll die Kölner Oper für gehbehinderte Menschen zugänglich bleiben: Alle Spielflächen am Offenbachplatz würden demnach barrierefrei erreichbar sein.
Derweil hat sich eine weitere Chance für die Belve Pänz aufgetan, doch noch in der Philharmonie aufzutreten. Es laufe eine Anfrage für eine andere Veranstaltung im Sommer. Die LVR-Schule hofft nun, dafür in Gesprächen Lösungen für den Zugang der Kinder zur Bühne zu finden. Die Philharmonie antwortet auf Anfrage, sie sei für solche Gespräche offen: „Wo immer möglich, suchen wir Lösungen im Haus, Barrierefreiheit zu gewährleisten.“ Und: „Im Zuge einer möglichen Generalsanierung wird dieser Aspekt mit Sicherheit nach den heutigen Standards berücksichtigt.“