Der NRW-Ministerpräsident forderte in der ARD eine ehrliche Analyse zum Unions-Ergebnis bei der Bundestagswahl. Das sagen Parteifreunde.
Nach Maischberger-InterviewWüst-Auftritt wird zum Polit-Talk in Düsseldorf

Hendrik Wüst (CDU) war zu Gast bei Moderatorin Sandra Maischberger. Der Ministerpräsident von NRW blickte selbstkritisch auf den Wahlkampf seiner Partei.
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In der Aktuellen Stunde des Landtags stand am Mittwoch das geplante Investitionspaket für Infrastruktur auf der Tagesordnung. Hinter den Kulissen wurde in den Reihen der CDU-Fraktion aber über ein anderes Thema getuschelt. „Hast Du gestern Wüst bei ‚Maischberger‘ gesehen?“, war eine häufige Frage. Ja, das hatte die meisten. „Das war ja mal eine klare Ansage“, sagte ein Abgeordneter vom Niederrhein schmunzelnd.
Während die Debatte im Plenarsaal lief, zeigte man sich gegenseitig die Online-Berichte über den Auftritt. „Wüst rechnet schonungslos mit seiner Partei ab“, lautete die Überschrift der „Bild-Zeitung“. „Na ja, das ist wohl etwas übertrieben“, kommentierte eine CDU-Frau aus dem Rheinland gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Das war eine klare Positionierung. Hendrik hat sich einfach ehrlich gemacht.“
Wüst: „Wir können als Union insgesamt mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden sein“
Der Auftritt des NRW-Ministerpräsidenten in der Talkshow war am Dienstag in Köln aufgezeichnet worden. Das Interview von Sandra Maischberger dauerte zwar nur gut 15 Minuten, aber die hatten es zum Teil in sich. Auf die Frage, wie er das Wahlergebnis der CDU bei der Bundestagswahl (28,5 Prozent) einschätze, redete Wüst Klartext: „Wir können als Union insgesamt mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden sein. Wir haben uns mehr vorgenommen“, sagte der Ministerpräsident. Wenn die Ampel-Parteien im Vergleich zu 2021 fast 20 Prozentpunkte verloren hätten, die Union aber nur knapp vier Prozentpunkte dazu gewann, „dann ist das kein gutes Ergebnis“. Friedrich Merz habe „selber von 35 Prozent und mehr gesprochen, was drin sein sollte“.
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So deutlich hatte Wüst bislang noch nicht über die Wahlschlappe gesprochen, und forderte nun: Nach der Regierungsbildung müsse das Ergebnis ehrlich analysiert werden. Wüst erklärte, das Thema Migration habe die CDU nicht hochgezogen. Die Gewalttat in Aschaffenburg im Januar, bei der ein Mann einen zweijährigen Jungen mit einem Messer getötet hatte, habe die Lage jedoch verändert. Durch das dann „auftretende Schweigen“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei eine „kommunikative Lücke“ entstanden, die von der AfD sofort besetzt worden sei.
Stimmen aus der CDU-Fraktion
Dass Merz im Bundestag mit einem Fünf-Punkte-Plan zur Migrationspolitik reagiert hatte, sei daher richtig gewesen, so Wüst. Ob das Thema den Parteien am Ende geholfen habe, daran könne man jedoch „große Zweifel haben“. Dass der Antrag der Union nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit fand, ließ Wüst in dem Zusammengang unerwähnt. „Da hat er Friedrich geschont“, war in der CDU-Fraktion zu hören. Es sei doch klar, dass dies der schwerste Fehler von Merz im Wahlkampf gewesen sei.
Nach dem mageren Wahlergebnis blieb der CDU nur die Option auf die Koalition mit der SPD. Um die Regierung bilden zu können, musste Merz einen Kurswechsel vornehmen und - anders als noch im Wahlkampf - die Aufnahme hoher zusätzlicher Schulden befürworten.
Wüst nahm bei Maischberger kein Blatt vor den Mund: „Wenn viele Leute das Gefühl haben, dass durch diese Beschlüsse zu Schuldenbremse und Sondervermögen eine andere Positionierung vorgenommen worden ist, dann ist das ja nachvollziehbar.“ Es sei „schlicht die Wahrheit“, dass man die eigene Position geändert habe - da könne man nichts vormachen. „Die Leute sind ja nicht blöd.“ In einer Umfrage des ZDF-Politbarometers aus der vergangenen Woche waren 73 Prozent der Befragten – darunter 44 Prozent der CDU/CSU-Anhänger – der Meinung, die Union und ihr Kanzlerkandidat hätten die Wähler mit ihren Finanzplänen getäuscht.
„Hendrik ist weiterhin völlig loyal zu Merz“
Trotz der selbstkritischen Rede sei Wüst Merz „aber nicht in den Rücken gefallen“, hieß es in Düsseldorf. Im Gegenteil, er habe die Gründe für den „Wortbruch“ klar erläutert. „Hendrik ist weiterhin völlig loyal zu Merz“, sagte ein Mitglied aus dem CDU-Landesvorstand. Klar sei auch, dass man die Koalitionsgespräche mit der SPD aus NRW-Sicht mit Sorge betrachte. In der Migrationspolitik müsse es einen deutlichen Kurswechsel geben. „Da hat der Friedrich mit seiner Ankündigung, von Tag eins seiner Kanzlerschaft werde der Schalter umgelegt, sich selbst ein Bein gestellt. Das ist das nächste Versprechen, was er nicht halten wird.“
Das Verhältnis zwischen Merz und Wüst habe sich seit der Bundestagswahl nicht verändert. In den Parteigremien habe sich der Ministerpräsident nach der Wahl zurückgehalten, was Merz zu schätzen wisse, heißt es in der CDU-Landesgruppe im Bundestag. Wenn Wüst, den viele als den jungen, liberalen Gegenpol zu Merz sehen, solidarisch bleibe, trage das zur Stabilität der Union bei. „Und wer weiß, am Ende hat es doch einen Effekt für NRW.“ Etwa bei der Postenvergabe.
Für Wüst wäre es wichtig, wenn die Bereiche Bildung, Forschung und Infrastruktur mit ihm nahen CDU-Ministern besetzt werden könnten. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) sitzt angeblich schon auf gepackten Koffern nach Berlin. Auch die NRW-Vertreter Jens Spahn, Carsten Linnemann und Armin Laschet würden künftig gerne mit am Kabinettstisch sitzen.