Zu Beginn der Sondierungen einigen sich Union und SPD auf radikale Schritte. CDU-Chef Merz wird pathetisch.
Einigung mit der SPDWie Friedrich Merz die Schuldenbremse abräumt

Markus Söder (l-r), Vorsitzender der CSU, Saskia Esken, Parteivorsitzende der SPD, Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, und Lars Klingbeil, Fraktionsvorsitzender der SPD, kommen zu einer Pressekonferenz über die Sondierungsgespräche zwischen der Union und der SPD.
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Friedrich Merz braucht ein paar Sätze, bis er die Beschlüsse verkündet, die so eine große Wucht haben. Merz spricht über sich überschlagende außenpolitische Ereignisse, über veränderte Rahmenbedingungen, über eine wachsende Bedrohungslage. Er sagt, es habe „ausführliche Beratungen“ gegeben von den 18 Verhandlern von CDU, CSU und SPD. Er braucht eine Grundlage für das, was dann folgt. Für die Finanzgrundlage der Regierung, die er als Kanzler leiten will. CSU-Chef Markus Söder wird von Summen sprechen, von denen man „schwindelig werden kann“.
Und so ist es in der Tat: Für die Verteidigungsausgaben gibt es erstmal kein wirkliches Limit mehr. Alles, was in diesem Bereich mehr kostet als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts soll künftig von der Schuldenbremse freigestellt werden, sagt Merz. Er legt Pathos in die Stimme. „Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens muss für unsere Verteidigung gelten: ‚Whatever it takes‘“, sagt Merz. Was immer nötig ist also. Es ist eine Erweiterung des Mottos des scheidenden Kanzlers Olaf Scholz (SPD). „So lange wie nötig“, hat der stets gesagt, wenn es um die Unterstützung der Ukraine ging. Zu den Verteidigungsausgaben gehört nicht nur diese Unterstützung, sondern auch die Aufrüstung des Landes.
Kommende Woche im Bundestag
Einen zweiten Punkt umfasst das Paket. Mit einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro – faktisch also weiteren neuen Schulden - sollen Infrastrukturausgaben unterstützt werden. Die Volkswirtschaft müsse „binnen kürzester Zeit auf Wachstumskurs zurückkehren“, erklärt Merz. Zudem wollen SPD und Union den Bundesländern höhere Ausgaben ermöglichen. Für alles sind Änderungen des Grundgesetzes nötig.
In der kommenden Woche wollen die voraussichtlichen künftigen Koalitionspartner entsprechende Anträge in den Bundestag einbringen, der dann noch in seiner alten Zusammensetzung tagt. Die Eile hat einen Hintergrund: Im neuen Bundestag gibt es neue Mehrheiten, Union und SPD müssten dann auch um die Zustimmung der Linkspartei werben. Bei den alten Mehrheitsverhältnissen reicht es noch, wenn die Grünen zustimmen.
„Sie sehen an diesen Ergebnissen: Wir sind zu Entscheidungen in der Lage“, sagt Merz noch. Am Mittwoch wird er die Einigung im Kanzleramt Scholz präsentieren, einen Tag vor dem EU-Gipfel, auf dem die weitere Ukraine-Hilfe im Fokus steht. Scholz hatte im Wahlkampf für genau diese Lösungen geworben, drang aber bei der Union nicht durch. Scholz‘ Genugtuung wird sein, dass er recht behalten hat.
„Unser Land fährt auf Verschleiß“
Und die SPD hat der Union noch etwas abverhandelt: Man habe sich geeinigt, dass bis Ende des Jahres werde die Schuldenbremse reformiert werde, sagt SPD-Chef Lars Klingbeil. Er betont, es sei wichtig gewesen, die Finanzierungsfragen an den Beginn der Verhandlungen zu setzen. Man könne ja nicht Vorhaben beschließen ohne zu wissen, ob dafür Geld da sei. Er unterstreicht, es könnten nun Verbesserungen für Bahn und Straßen, für Kitas und Schulen finanziert werden. „Unser Land fährt auf Verschleiß“, so formuliert es Klingbeil. „Eine künftige Regierung muss den Verschleiß stoppen.“ Und es sei wichtig, dass die Investitionen in die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik nicht zu Lasten anderer Bereiche gingen. „Ich bin zufrieden“, sagt Klingbeil.
Söder gerät geradezu ins Schwärmen. Nicht ängstlich und zaghaft, sondern „besonnen, aber entschlossen“, habe man „einen Riesenschritt nach vorne“ gemacht, sagt er. „Die erste große Bewährungsprobe ist eigentlich schon bestanden“, sagt er. Man werde getragen von einem gemeinsamen Verantwortungsgefühl. Und international sende man das Signal: „Deutschland ist da. Deutschland zieht sich nicht zurück.“
Worüber SPD und Union noch sprechen wollen
Zu Ende sind die Verhandlungen von SPD und Union damit noch nicht. Klingbeil kündigt an, die SPD werde nun auch noch auf die Entlastung von Familien, die Stabilisierung der Renten, ein gerechtes Steuersystem drängen. Merz betont, es werde auch noch um Migration, Sicherheit und Einsparungen gehen. „Zeitnah“, so formuliert es Merz, sollten die Sondierungsgespräche abgeschlossen werden. Bis Ostern soll die Regierung stehen.
Und parallel muss mit den Grünen gesprochen werden, die man ja braucht in der kommenden Woche im Bundestag. Richtig begeistert klingen sie nicht. Söder und Merz hätten „keinen Funken Demut gezeigt“, kritisiert Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Ihre Kollegin Katharina Dröge bemängelt, der Klimaschutz komme bei dem Finanzpaket zu kurz. Aber anschauen werde man sich die Vorschläge natürlich.
Und auch in der Unionsfraktion zeigt sich erste Skepsis: Die Sorge in Teilen der Partei ist groß, dass die im Wahlkampf versprochenen Einsparungen nun gar nicht mehr nötig seien, weil so ein großer Finanzspielraum möglich sei, hieß es. Auch sei der Druck, perspektivisch zwei Prozent Wirtschaftswachstum zu erreichen, gar nicht mehr da. Das Infrastruktur-Sondervermögen wird besonders kritisch gesehen.
Merz sagt: „Wir sind uns der Dimension bewusst.“ Und dieses Finanzpaket werde „erst der Anfang einer längeren Wegstrecke sein“. (rnd)