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Kölner „Tatort“-Kommissarin„Beim Casting war ich total heiser“

Lesezeit 5 Minuten

Ines Marie Westernströer in „Ein grüner Junge“

Köln – Hauptkommissarin also. Der Dienstrang ist im deutschen Krimi-Fernsehen ja alles andere als unwichtig. Hauptkommissarin Pia Heinrich. Als diese gehört Ines Marie Westernströer zum neuen „Tatort“-Ermittlerteam des Saarländischen Rundfunks. Ihren ersten Fall hat sie gerade abgedreht. Im Zivilleben spielt die 33-Jährige seit 2016 im Ensemble des Kölner Schauspiels.

Wer einigermaßen regelmäßig den Weg ins Mülheimer Depot findet, kann sie unmöglich übersehen haben: Die gebürtige Bochumerin spielt in neun laufenden Produktionen mit. Unter anderem die Marie im „Woyzeck“, in Frank Castorfs „Ein grüner Junge“ und in Ersan Mondtags genderneutraler Fassung von „Die Räuber“. Dieses Wochenende feiert sie mit der Alfred-Döblin-Dramatisierung „Pardon wird nicht gegeben“ bereits die nächste Premiere.

Nie wieder andere „Tatort"-Rollen

Ach, und bevor sie sich nun auf die Seite des Gesetzes schlägt, hatte sie noch im Kölner „Tatort“ eine Biolehrerin gespielt ( die Folge wird erst nächstes Jahr ausgestrahlt). Zumindest damit ist jetzt Schluss: „In Zukunft darf ich nur noch im Saarländischen »Tatort« auftreten, es gibt da so etwas wie eine Ermittlersperre“, erzählt Westernströer. „Tauchte ich plötzlich als Leiche oder gar Täterin in einer anderen »Tatort«-Folge auf, würde das nur das Publikum verwirren.“

Aber wie gelangt man überhaupt zu den höheren Weihen des sonntäglichen Kriminalspiels? „Ein Redakteur, der mich über meine Rolle in dem Kinofilm »Die Hannas« kannte, hat mich zum Casting eingeladen. Ich bin da total heiser hin, weil wir an den beiden Abenden davor zweimal Castorf gespielt hatten (in dessen „Ein grüner Junge“ das Ensemble fast sechs Stunden lang auf Hochtouren laufen muss).

Trotzdem lief es sehr gut. Ich hatte das Glück, dass ich gleich mit Brigitte Urhausen zusammen dran war: Zwischen uns stimmte sofort die Chemie.“ Urhausen bekam die andere Hauptkommissarinnen-Rolle. Im ersten Fall müssen die frischgebackenen TV-Beamtinnen noch den beiden männlichen Ermittlern vom Büro aus zuarbeiten, das soll sich in den nächsten Folgen jedoch ändern. „Die sind beide sehr tough und lassen sich auf jeden Fall nicht die Butter vom Brot nehmen.“

Schauspiel Köln unterstützt die TV-Karriere

Kino- und Fernseherfahrung bringt Westernströer mit, eine durchgehende Rolle hat sie indes noch nie gespielt: „Ich bin sehr gespannt, wie sich die Figur in den nächsten Folgen entwickeln wird.“ Nur: Lässt sich die regelmäßige TV-Arbeit denn mit ihrem Kölner Engagement vereinbaren? „Als ich die Rolle bekommen habe, bin ich direkt zu Stefan Bachmann gegangen. Der hat sich für mich gefreut und war sofort kooperationsbereit. Und auch die Produktionsfirma ist auf uns zugegangen und ich konnte am Spielplan entlang drehen.“

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Größere Rollenangebote könnten dagegen schon mal an den festgezurrten Spielplänen scheitern. Doch Westernströers Herz hängt nun mal am Theater. „Der Traum war immer die Bühne. Hier habe ich angefangen und hier fühle ich mich zu Hause.“ Wie er angefangen hat, dieser Traum? „Eigentlich ganz klassisch, in Bochum im Jugendclub des Schauspielhauses. Da bin ich über meinen Bruder hingekommen, der mir von einem Pantomime-Workshop für Kinder erzählt hatte und mich fragte, ob ich da nicht mitmachen möchte?“ Es war die Ära Leander Haußmann, „das war damals unglaublich spannend, weil er es geschafft hat, dass das Theater der place to be war, da waren die tollen Partys. Ein wilder, schillernder Ort“.

Ines Marie Westernströer

Ines Marie Westernströer in "Pardon wird nicht gegeben".

Trotzdem, mit dem Schritt vom Hobby zum Berufswunsch hat Westernströer lange gehadert. Weil sie schon zu viele Geschichten von gescheiterten Karrieren gehört hatte und sich nicht vorstellen konnte, dass es bei ihr selber klappen sollte. Tat es aber. Nicht an der Folkwang-Schule, wo sie es bis in die Endrunde schaffte, aber in Leipzig, an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“. Also verließ sie ihr geliebtes Ruhrgebiet für längere Zeit: Von Leipzig wechselte sie direkt ans Staatsschauspiel Dresden, spielte Miss Sara Sampson, die Hilde Wangel im „Baumeister Solness“. Und hier lernte sie auch Stefan Bachmann kennen, der sie nach Köln holte. Wo sie, laut eigener Einschätzung, mit ihrer Ruhrgebietsmentalität auch besser hinpasse.

Sie wird Köln erhalten bleiben

Hier wird uns Ines Marie Westernströer zum Glück vorerst erhalten bleiben, trotz des „Tatort“-Ruhms. Der Zusammenhalt im Ensemble sei sehr groß und die laufende Spielzeit mit ihren künstlerisch herausfordernden Regisseuren habe sie noch zusätzlich elektrisiert. Etwa wenn sie, wie zuletzt bei Ersan Mondtag, auch Männerrollen übernehmen darf.

„Ich finde diese Entwicklung super“, sagt Westernströer. Schon auf der Schauspielschule müsse man als junge Schauspielerin Frauenrollen vorsprechen, bei denen man lange überlege, wie man die heute noch so spielen könne, dass man sie vertreten kann. „Rollen, in denen man nur herumsitzt, wartet, weint und die Männer vermisst. Die Schulen orientieren sich immer noch zu sehr an dem, was sie glauben, das der Markt, das die Theater von ihnen wollen. Dabei sollten sie eigenständige Künstlerinnen ausbilden.“

Da hinkt das Theater der Gesellschaft manchmal tatsächlich hinterher. Selbst das Fernsehen ist weiter. So eine Hauptkommissarin, die sitzt nämlich nicht lange rum und wartet. Die ergreift die Initiative.

Die nächsten Termine

„Pardon wird nicht gegeben“ in der Regie von Rafael Sanchez wird am 26. Mai, 7., 12., 14., 18., 21., 22., 27.,30. Juni und 11. Juli im Depot 1 des Kölner Schauspiels gespielt.

„Ein grüner Junge“, Regie: Frank Castorf ist dort zum letzten Mal am 10. Juni zu sehen.