97-Jährige auf Kölner BühneSie tanzte schon für Hitler im Olympiastadion
Köln – Den Stimmen der Großstädte an Rhein und Ruhr spürt Jörg Fürst und das A.Tonal.Theater in seiner intermedialen Musikperformance „Polis – Stimmen der Stadt“ nach. Auf der Bühne in der Alten Feuerwache begegnet sich dafür eine Mischung aus Jung und Alt, Laien- und Berufskünstlern zu jazziger Livemusik der beiden Musiker Kyusang Jeong (Bassklarinette) und Peter Eisold (Percussion & Elektronik).
Das ganze Ambiente hat etwas von einer Revue-Show. So leitet auch Josef Hofmann als leutseliger Moderator den Reigen der Stadtstimmen ein, die in den kommenden 90 Minuten zu Wort kommen. Wer dabei autobiografisch als Erzähler seiner eigenen Geschichte auftritt und wer als Darsteller stellvertretend spricht, ist nur in einzelnen Fällen auszumachen.
Geschickt verwebt Jörg Fürst die Geschichten der Stadt zu einer facettenreichen Collage, bei der unterhaltsame Anekdoten, gewöhnliche Alltagsberichte und typische Figurenbeschreibungen nebeneinander stehen. Im Gedächtnis bleibt der Auftritt der ältesten Akteurin Cilli Hagedorn. Mit stolzen 97 Jahren tritt sie vor das Mikrofon und lässt bei Geschichten aus ihrer Vergangenheit wieder den verschmitzten Charme einer Diva aufblitzen.
Im Vorprogramm von Marlene Dietrich
Geboren 1924, berichtet sie von ihrem Auftritt als Teilnehmerin der Massenchoreographien der Nazis zur Eröffnung der Olympischen Spiele 1936 und stolz von ihrem Zusammentreffen mit Marlene Dietrich, deren Auftritt im Berlin der Nachkriegsjahre sie als Vorprogramm begleiten durfte.
Wenn mitten in ihrem Vortrag die 14-Jährige Clara Duchatz ihre Erinnerungen aus Jugendjahren weitererzählt, gelingt der Inszenierung ein schöner Schulterschluss der Generationen. Bevor der Abend aber in amüsanten Anekdötchen entschlummert, sorgt die Straßenmusikerin „Krazy“ mit ihren kraftvollen Songs für den nötigen Weckruf. Ihre Berichte vom Leben auf der Straße zwischen Bahnhof, Dom und Hohenzollernbrücke sind voller wunderbarer Widerhaken und beleben mit trotziger Vitalität.
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Der angekündigte Ausblick auf den Identitätswandel, den die Großstädte im digital beschleunigen Tempo durchlaufen, löst die Aufführung nur bedingt ein, und überraschende Visionen bleiben gänzlich aus. Amüsant und auch meist interessant bleibt diese kurzweilige Revue der Großstadtstimmen aber allemal.
Alte Feuerwache, 12.2., 20 Uhr, 13. 2. 18.Uhr