Kölner Tiktok-StarWarum sich David Renken über Influencer lustig macht
Köln – Der Blick: Übertrieben cool. Die Pose: Total gestellt. Angestrengt lässig räkelt sich David Renken mit schwarzer Lederjacke auf einer Bank in der Sonne. Das Bild hat er bei Instagram gepostet, darunter steht: „Ein weiterer Fashionblogger-Tipp: Achte IMMER auf Authentizität und Natürlichkeit.“
Ein Witz, den er heute völlig entspannt machen kann. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass er so ähnliche Bilder produziert hat – völlig ernsthaft. Denn David Renken ist zwar erst 29 – aber die unglaubliche Karriere, die er gerade auf der Plattform Tiktok macht, ist schon seine zweite in den sozialen Medien. Vor ein paar Jahren war er tatsächlich Influencer für Mode und Lifestyle, warb auf Instagram für Jeans und Bier und wohnte in Köln in einer klassischen Influencer-WG (die er inzwischen gegen eine gemeinsame Wohnung mit seiner Verlobten in Düsseldorf getauscht hat).
Millionenpublikum auf Tiktok
Dass er stattdessen heute ein Millionenpublikum mit lustigen Quatsch-Videos unterhält, war kein Plan. Im Gegenteil: Er hatte eigentlich einen Schlussstrich gezogen, alle Agenturen angerufen, Kooperationen abgesagt, sein Instagram-Profil aufgegeben. Das ganze Influencer-Ding war für ihn irgendwann nur noch Stress.
Weil der adrette David auf den Bildern immer weniger mit ihm selbst zu tun hatte: „Manchmal habe ich mich gefühlt wie eine Schaufensterpuppe“. Denn er hatte immer schon einen Hang zum Quatsch-Machen. Aber das kam bei einigen Unternehmen nicht gut an. „Und dann habe ich mich selber ertappt dabei, wie ich mich verstellt habe. Das wurde immer mehr und irgendwann hatte ich einfach keinen Bock mehr.“
Lieber seriös als Influencer
Also schmiss er alles hin und suchte sich einen „vernünftigen“ Job, wie er sagt. Und freute sich, dass er doch noch seinen Master in Wirtschaftsingenieurwesen durchgezogen hatte – obwohl ihm das Studium während seiner Influencer-Zeit eher lästig war. Immerhin: Bei der „Handelsblatt Media Group“, wo er immer noch arbeitet, kann er seine Erfahrungen aus den sozialen Medien bestens gebrauchen.
Hier könnte die Geschichte jetzt zu Ende sein. Hätte David Renken nicht doch irgendwann wieder Lust bekommen, Videos zu drehen. Erst nur ein paar private Sachen, „einfach, weil ich Spaß dran hatte und weil es auch Normalität für mich war, mich zu filmen.“ Und dann immer mehr. Keine Mode-Fotos auf Instagram, sondern Comedy bei Tiktok. Als die Plattform durchstartete, war er sofort begeistert: „Da dachte ich: »Moment mal, da kannst du dich komplett austoben, das ist total lustig.« Und das hat mich so in den Bann gezogen, dass ich dann halt immer weiter Videos gemacht habe, einfach aus Spaß.“
Das könnte Sie auch interessieren:
David Renken dreht meistens kurze, witzige Clips. Spielt gerne auch in verteilten Rollen – als Verkleidung reicht irgendein Handtuch oder auch mal eine Unterhose auf dem Kopf. Wenig Aufwand, im Vergleich zu den perfekt inszenierten Modefotos. Aber umso mehr Wirkung: „Das ging dann halt ständig viral und dann hatte ich auf einmal 1,5 Millionen Aufrufe und dann kamen natürlich auch immer mehr Abonnenten. Und dann dachte ich: »Ey, das macht total Spaß, ich muss das jetzt irgendwie weiter machen.«“
So wurde er fast aus Versehen als „herrdavid“ zum Tiktok-Star, wo ihn inzwischen mehr als eine Million abonniert hat. Wie er das schafft, neben seinem Vollzeit-Job? „Das frage ich mich auch manchmal“, sagt er. Das Homeoffice hilft, da kann er mal in der Mittagspause eine halbe Stunde abzweigen. Oder eben abends und am Wochenende. „Ich habe ja noch eine Verlobte und eine Familie, also man muss sich wirklich einen Plan machen, ich bin wirklich sehr, sehr getaktet.“
Renken macht nur, worauf er Bock hat
Dafür kann er endlich machen, was er will, ist von niemandem abhängig: „Ich kenne so viele Leute, die Sachen annehmen, weil sie darauf angewiesen sind. Und ich bin das nicht, ich mache nur das, worauf ich Bock habe.“ Worauf er Bock hat? Zum Beispiel auf das Video-Format „Unnötige Fragen“ – auf die er die Antworten gibt, die einem leider in solchen Momenten selbst nie einfallen. Eine Szene: Es klingelt an der Tür. David Renken öffnet. „Entschuldigung, wohnen sie hier?“ fragt ein Mann (auch David Renken, nur mit Basecap und Hoodie). Die Antwort: „Nööö, ich verstecke mich nur vor der Polizei!“
„Unter der Lupe“ heißt eine andere Reihe von Clips, wo er genau das macht: Irgendwas unter die Lupe nehmen und kommentieren: seine Turnschuhe, Geldstücke oder auch mal seine Ohren. Vor dem inneren Auge sieht man Schülergruppen mit ihrem Handy, die sich über sowas kaputt lachen. Seine Zielgruppe ist aber viel gemischter, erklärt David Renken: „Mir folgen Leute ganz unterschiedlichen Alters, obwohl Tiktok natürlich eine sehr junge Plattform ist“.
Zu Instagram zurückgekehrt
Inzwischen ist er sogar zu Instagram zurückgekehrt und lädt seine Videos auch bei Youtube hoch – um sich nicht wieder von einer Plattform abhängig zu machen. „Ich merke selber, wie ich mir eine Sicherheit aufbaue, in einer unsicheren Reichweiten-Welt.“ Denn das hat er schon in seiner Zeit als Lifestyle-Influencer lernen müssen: „Jeden Tag gibt es zehn neue Leute, die dir deine Reichweite wegnehmen können. Und wenn du irgendwann keine Reichweite mehr hast, bist du weg vom Fenster.“
So erklärt sich wohl auch das merkwürdige Gebaren vieler Stars in den sozialen Medien. Die ein perfekt inszeniertes Leben simulieren, das mit ihnen selbst nicht mehr viel zu tun hat. Genau darüber macht er sich in der Reihe „Wenn Influencer ehrlich wären“ lustig: Zum Beispiel spielt er einen Typen, der morgens eine gesunde Bowl mit Obst-Deko fotografiert und postet („Hashtag lecker“) – nur um sie danach in die Tonne zu schmeißen und sich einen Schokoriegel rein zu schieben. „Klar war ich früher selbst ein Teil davon – aber ich kann auch ganz gut über mich selber lachen.“ Und Tausende andere offenbar auch.