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Großes WagnisÜbersetzer gründet neuen Verlag mitten in der Corona-Krise

Lesezeit 4 Minuten

Viel unterwegs: Übersetzer und Verleger Frank Henseleit

Köln – Frank Henseleit ist ein Reisender, aber jetzt sitzt er fest: Im Kölner Pantaleonsviertel, wo er seit einem Jahr ein Atelier für seinen neuen Verlag gemietet hat. Es war als Arbeits- und Veranstaltungsraum gedacht – und Arbeit hat der 56-Jährige auch jede Menge. Aber an Lesungen und Buchpräsentationen ist gerade nicht zu denken. Genauso wenig wie an ausgedehnte Aufenthalte in Spanien, Polen oder in der Ukraine, wie vor dem Ausbruch der Pandemie.

„Ich war im letzten Jahrzehnt fast die Hälfte der Zeit verreist“, erzählt er. Der Verlag hat sogar ein eigenes Büro in Kiew. „Dort gibt es eine sehr vitale literarische Kultur und aus diesem Bereich wird es auch in der nächsten Zeit Publikationen geben.“

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Von fast allen seinen Reisen bringt der Verleger Projekte mit: „Dieses Entdecken, Eindringen in eine literarische Szene – das fehlt mir gerade sehr“. Wie international dieser kleine Verlag arbeitet, fällt sofort beim Durchblättern des Programms auf.

Und noch etwas: Viele Bücher sind vom Verleger selber übersetzt. Auch den Haupttitel aus dem Frühjahrsprogramm hat Henseleit erstmals ins Deutsche übertragen: „Das Meer“ des Mallorquiners Blai Bonet erschien 1958 im katalanischen Original und ist für Mitte März angekündigt.

Bis zum vergangenen Jahr arbeitete er fast ausschließlich als Übersetzer aus dem Portugiesischen, Spanischen und Katalanischen. Aber mit dem Gedanken, einen eigenen Verlag zu gründen, hatte er schon öfter gespielt. Schließlich verfolgte er schon als Übersetzer seine eigenen Buch-Projekte.

Und so war mit der Zeit ein Programm entstanden, das er in anderen Verlagshäusern nicht hätte realisieren können – zumindest nicht in seinem Tempo. „Einen Verlag, der die ganze Zeit nur Bücher von Henseleit macht – den gibt es nicht.“

Neustart in der Corona-Krise

So ein Verlag soll auch der Kupido Literaturverlag nicht sein. Zum Beispiel findet sich im Frühjahrsprogramm auch ein Roman der Autorin Shahla Ujayli aus dem Arabischen.

Unter dem Namen Kupido hatte Frank Henseleit schon seit den 90ern ein paar kleinere Titel veröffentlicht. Aber den Schritt zur Gründung eines größeren Buchverlags wagte er erst Anfang des vergangenen Jahres.

„Ich hatte schon häufiger darüber nach gedacht, aber irgendwann war einfach der Moment da.“ Er konnte ja nicht ahnen, dass er mit seinem Neustart direkt in die Corona-Krise geraten würde.

Ambitioniertes VerlagsProgramm

Im Kupido Literaturverlag sind unter anderem schon die Reisetagebücher der Ukrainerin Sofia Yablonska erschienen, die im Jahr 1929 mit 22 Jahren alleine durch Marokko reiste – ein Land, das sie mit großer Empathie und Begeisterung beschreibt („Der Charme von Marokko“).

Außerdem der Kurzroman „Die Zeugen“. Darin begegnet Jaime Begazo dem Autor, den man seit Jahrzehnten für den Inbegriff der Literatur hält: Jorge Luis Borges. Eigentlich ein Sakrileg, macht er sich auf, „Emma Zunz“ aus Borges’ Erzählungsband „Das Aleph“ neu zu schreiben.

„Ich habe daraufhin alles verschoben und umgestellt, die Reihenfolge der Bücher und das Marketing angepasst“, erzählt er. Nur die Pressearbeit und die Grafik hat Frank Henseleit ausgelagert, ansonsten kümmert er sich um alles alleine: Rechte, Vertrieb und zuallererst natürlich die Übersetzungen.

Doch dafür ist die Zeit knapp geworden. Nur: Was im Programm steht, soll auch ausgeliefert werden – Corona hin oder her. „Ich stricke noch an dem Pulli“, seufzt der Verleger. Aber, betont er, er wusste, worauf er sich eingelassen hat. Schließlich arbeitet er schon lange in der Branche, hat ein Faible für Zahlen. Und er stammt aus einer Dortmunder Druckerfamilie: „Ich kenne den Geruch, die Geräusche, den Gestank, den Dreck, und die viele Maloche, die man als Drucker hat.“

Portugal ist Gastland auf der Leipziger Buchmesse

Das Gastland der nächsten Leipziger Buchmesse im Mai ist Portugal – für Kupido eigentlich perfekt, um sich als neuer Verlag ins Gespräch zu bringen. Aber ob die Messe tatsächlich stattfinden wird, steht in den Sternen. Genauso wie der Tag, an dem Frank Henseleit wieder reisen kann – auf der Suche nach neuen literarischen Entdeckungen.