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Kölns künftiger GMD Andrés Orozco-EstradaLeichtigkeit und Eleganz

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Andrés Orozco-Estrada

Andrés Orozco-Estrada

Der künftige Kölner Generalmusikdirektor Andrés Orozco-Estrada stellt mit dem WRD Sinfonieorchester seinen eigenen Stil unter Beweis.

Voll war's beim jüngsten Konzert des WDR Sinfonieorchesters in der Philharmonie. Das lag wohl nicht nur am attraktiven Programm, sondern auch am Dirigenten, der einige Interessenten über den Kreis der eingeschworenen WDRler hinaus angelockt haben dürfte: Andrés Orozco-Estrada startet mit der nächsten Saison als Generalmusikdirektor der Stadt Köln – und damit als Kapellmeister der Konkurrenz, des Gürzenich-Orchesters. Sicher haben beide Klangkörper einen unterschiedlichen Grundklang, aber diese Unterschiede neutralisieren sich ein Stück weit unter der charmant-fordernden Dirigierhand des „Neuen“, der ganz entschieden seinen eigenen Stil nach Köln mitbringt.

Was er da macht, klingt nicht nach Roth oder Macelaru, sondern eben nach – Orozco-Estrada. Gleich Beethovens zu Beginn erklingende Egmont-Ouvertüre war ein Beispiel dafür. Hochdramatisch, mit einer Spannung zum Bersten ging es da zur Sache, der vom Pult ausgehende Energiestrom drückte, man hörte es, förmlich auf die Artikulation der Violinen. Einiges – etwa die triumphalistische Coda – mochte arg ostentativ, effektorientiert kommen, aber kaum bestreitbar ist, dass Orozco-Estrada dieses Standardwerk der Klassik zum Lodern bringt, ihm neue Dringlichkeit gibt, eine Präsenz wie am ersten Tag. Zu einem abendlichen Konzertnickerchen bekommt der Zuhörer hier keinerlei Gelegenheit.

Außerordentlicher Präsenz und Griffigkeit

In seinem gestischen Input scheint Orozco-Estrada sich schier zu verausgaben. Er kümmert sich um viele, wenn nicht alle Details – was seinem (von außen nicht immer ganz nachvollziehbaren) Schlag eine demonstrative Kleinteiligkeit verleiht. Diese Details kommen, vom Orchester und seinen Solisten tadellos realisiert, dann auch mit außerordentlicher Präsenz und Griffigkeit, farbig und leuchtend.

Dass darüber die große Linie nicht kaputtgeht, zeigte Tschaikowskys fünfte Sinfonie am Schluss. Das omnipräsente Schicksalsmotiv wurde einem freilich so in die Ohren gehämmert, dass man es die ganze folgende Nacht nicht mehr loszuwerden drohte. Aber Orozco-Estrada kann eben nicht nur die fokussierte Attacke, sondern auch – etwa im langsamen zweiten Satz – die große, weit ausschwingende Emphase. Und er beherrscht, ausweislich des Walzer-Scherzos, das Metier von Leichtigkeit und Eleganz.

Dabei weiß er durchweg die Impulskräfte des Rhythmischen zu entfesseln. Hat das was mit lateinamerikanischer Fiesta zu tun – Orozco-Estrada kommt schließlich aus Kolumbien? Vielleicht, denn bis in Körperbewegungen wie den Hüftschwung hinein scheint ihn immer wieder eine dem Tanz nahestehende Idee des Musikalischen zu beflügeln.

In der Mitte Schumanns Cellokonzert mit dem spanischen Solisten Pablo Ferrández, der dem inspirierenden Umfeld von Anne-Sophie Mutter einiges zu verdanken hat. Das ist ein hochbegabter Musiker, der seinem Stradivari-Cello eine staunenswerte Fülle von Klangfarben zu entlocken vermag, dessen Ton warm und körperlich, zugleich fein und expressiv ist. In schnellen Passagen wird er hingegen bei aller Beweglichkeit etwas raumarm und flüchtig. Ferrández´ Force ist das dichte Cantabile, das er in seiner Zugabe, Casals´ „Gesang der Vögel“, auf berückende Weise ausspielte.