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Kölner PhilharmonieEin Beethoven, der an Dramatik kaum zu toppen ist

Lesezeit 3 Minuten
Riccardo Minasi trägt einen Frack und dirigiert ein Orchester.

Dirigent Riccardo Minasi 2024 bei einem Konzert in der Kölner Philharmonie

Das Ensemble Resonanz unter Riccardo Minasi brillierte in der Kölner Philharmonie mit Beethovens „Eroica“.

Mitunter ist Wiederholung nicht ermüdend, sondern erhellend. Letzteres war jetzt in der Kölner Philharmonie der Fall, wo zweimal kurz hintereinander Beethovens „Eroica“ erklang: am Sonntag in der von Igor Levit gespielten Liszt´schen Klaviertranskription und am Dienstag in der Originalversion mit dem Ensemble Resonanz unter Riccardo Minasi. Und es hilft nichts – im direkten Vergleich kam letztere einfach besser davon. Ohne die instrumentalen Klangfarben, deren dramatisches und dramaturgisches Potenzial Minasi freilich auch voll ausreizte, fehlt nicht irgendetwas, sondern Wesentliches – da konnte sich Levit noch so sehr um Suggestionen und Anmutungen von „Orchestralität“ bemühen.

Zweifellos kann das Original so langweilig und uninspiriert gespielt werden, dass man sich nach der Liszt-Transkription sehnt – so sie denn glanzvoll genug ins Werk gesetzt wird. Diesbezüglich aber machte es das Ensemble Resonanz Levit eben noch im Nachhinein schwer – nicht nur wegen der Klangfarben. Zunächst: Minasi beim Dirigieren zuzuschauen, man sollte es tunlichst vermeiden. Fernab jeden professionellen Metiers fuchtelt und gestikuliert er ausufernd und bizarr.

Das Orchester frisst Riccardo Minasi gleichsam aus der Hand

Aber das Ergebnis zeigt wieder einmal, dass es gerade im Bereich der Historischen Aufführungspraxis – aus dem der Barockgeiger Minasi schließlich stammt – auf handwerkliche Solidität im engeren Sinn offensichtlich nicht ankommt, jedenfalls nicht in erster Linie. Der Mann am Pult vermag seine Klang- und Strukturideen dermaßen suggestiv und eindringlich herüberzubringen, dass das Orchester ihm gleichsam aus der Hand frisst und dem Publikum eine Aufführung in Erinnerung bleibt, die an Intensität, Dramatik, ja an überfallartiger Gewaltsamkeit kaum zu toppen ist.

Tatsächlich hagelte es da Superlative: Forte-Einsätze wie Explosionen nach beklemmendem Verstummen; synkopische Tuttischläge, die nicht als Ohrfeigen, sondern wie Messerstiche kamen; Hörnerattacken, die die Oberstimmendominanz der (im Kontext womöglich zu schwach besetzten) ersten Violinen außer Kraft setzten; Klangbilder, die vor Spannung und Zukunft schier barsten; schmerzhafteste Dissonanzballungen. Sicher war all das ostentativ, effektorientiert inszeniert und darin wohl auch übertrieben. Aber der Weg zu einem abwinkenden „Kennen wir doch schon!“, zu einem unaufgeregten Sich-Wohlfühlen im Juste-Milieu wurde hier definitiv verbaut. Das wiegt vieles auf, das man kritisieren kann.

Der erste Teil des Konzerts – mit einer Trauersinfonie von Locatelli sowie Opernarien von Händel und Cherubini (dieser immerhin mit der schönen Begleitung des Solofagottisten) – wollte programmhalber nicht so recht zur Sinfonie passen, fiel aber auch in der Performance gegenüber dem Folgenden deutlich ab. Die Streicher waren klanglich und spieltechnisch noch nicht auf der Höhe, und auch die amerikanische Vokalsolistin Hongni Wu, die ihr Debüt in der Philharmonie ablieferte, blieb ihren Szenen einiges schuldig. Ihr Mezzo klingt angenehm und kultiviert, auf langsamen Strecken entfaltet er die Tugenden eines beseelten, weitgespannten Legato. Prinzipiell mangelt es ihr aber an jener Intensität, jenem Input an Glut und Verve, der stark über die Sprache kommen müsste – was er eben nicht tat. Im Extremfall führt die gleichförmige Führung der Stimme in eine distinguierte Langeweile. Hier Wu, dort Minasi – gegensätzlicher hätte eine künstlerische Paarung kaum ausfallen können.