Gil Ofarim hat gestanden, einen antisemitischen Vorfall erfunden zu haben. Aber es gibt nicht nur Verlierer dieser deprimierenden Geschichte.
Kommentar zu Gil OfarimDen entstandenen Schaden einzudämmen, liegt jetzt an uns allen
Es ist das kleinlaute Ende eines spektakulären Prozesses: Am sechsten Verhandlungstag setzte Gil Ofarim dem Verleumdungsverfahren gegen ihn ein vorzeitiges Ende. Der deutsche Musiker, der sich selbst als säkularen Juden bezeichnet, räumte ein, einen antisemitischen Vorfall frei erfunden zu haben: „Die Vorwürfe treffen zu. Es tut mir leid“, sagte Ofarim vor dem Landgericht Leipzig und führte dabei immer wieder die Kette mit dem Davidstern an seine Lippen, wegen dieses Sterns war ihm im Oktober 2021 angeblich der Zutritt zum Leipziger Hotel The Westin verwehrt worden.
Tatsächlich hatte sich Ofarim damals darüber aufgeregt, in der Schlange vor der Hotelrezeption warten zu müssen, während andere Gäste an ihm vorbeizogen. Weil sie bereits eingecheckt hatten. Aus diesem kleinlichen Grund hatte der Musiker den guten Ruf und die berufliche Karriere des von ihm beschuldigten Hotelmanagers gefährdet. Aus purer Ungeduld griff er zur größtmöglichen Anschuldigung.
Gil Ofarim hielt auch nach Angriff der Hamas noch an seiner Lüge fest
Zwei Jahre lang hatte Ofarim an seiner Lüge festgehalten. Sein Geständnis kommt nun zum schlechtesten Zeitpunkt. Seit dem Terrorangriff der Hamas registriert die Meldestelle Antisemitismus durchschnittlich 29 Vorfälle pro Tag, viermal mehr als noch vor einem Jahr. Die sind nicht erfunden. Als jüdischer Mensch kann man sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlen. Das ist der eigentliche Skandal, über den wir reden sollten. Selbstredend konnte Ofarim nicht ahnen, wie die Lage eskalieren würde. Aber er ließ auch nach dem 7. Oktober noch 20 Tage bis zu seinem Geständnis vergehen.
Mit seinem Verhalten habe er, sagt jetzt der Zentralrat der Juden, all denen, die tatsächlich von Antisemitismus betroffen sind, großen Schaden zugefügt: „Es ist richtig, bei einem Antisemitismusvorwurf auf der Seite des Betroffenen zu stehen, ihm beizustehen und die Antisemitismuserfahrung zunächst nicht infrage zu stellen. Umgekehrt darf so ein Vorwurf niemals grundlos erhoben werden.“
Es gibt in dieser deprimierenden Geschichte freilich nicht nur Verlierer: Der geschädigte Hotelmanager hat die Entschuldigung des Lügners großzügig angenommen. Die Leipziger Staatsanwaltschaft hat akribisch und sachorientiert gearbeitet. Und Andreas Stadler, der Vorsitzende Richter, sprach in dem Urteil kluge Worte. Unsere Gesellschaft kenne keine ewige Verdammnis, sagte Stadler. Dann fügte er hinzu: „Eines bleibt, wie es war: Antisemitismus ist eine Tatsache, der Kampf dagegen ist eine Aufgabe.“
Es bringt nichts, sich jetzt im Furor gegen Gil Ofarim zu übertrumpfen. Den entstandenen Schaden einzudämmen, das liegt an uns allen.