Die deutsche Medienlandschaft verurteilt das überraschende Ende des Prozesses teilweise sehr scharf.
Pressestimmen zum Geständnis„Ofarim hat den Menschen seines Glaubens einen üblen Dienst erwiesen“
Im Verleumdungsprozess gegen Gil Ofarim hat der jüdische Musiker am Dienstag (28. November) überraschend ein Geständnis abgelegt. Der 41-Jährige gestand, die Antisemitismusvorwürfe gegen einen Hotelmitarbeiter erfunden zu haben, und entschuldigte sich mit den Worten: „Es tut mir leid.“
Damit ist der Prozess ist beendet. Gil Ofarim muss eine Geldstrafe von 10.000 Euro an die Jüdische Gemeinde zu Leipzig und den Trägerverein des Hauses der Wannseekonferenz zahlen. Da die plötzliche Wendung in dem Prozess hohe Wellen geschlagen hat, haben wir ein paar Pressestimmen gesammelt.
Prozess gegen Gil Ofarim endet mit überraschendem Geständnis
„Mitteldeutsche Zeitung“: „Beschädigt hat der Sänger auch den Kampf gegen Antisemitismus an sich. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der Judenhass wieder rasant zunimmt. In der Brandanschläge auf Synagogen verübt, Häuser von Jüdinnen und Juden mit Davidsternen markiert werden. In der Betroffene sich wieder und einmal mehr fragen, ob sie in Deutschland noch sicher sind. Wie müssen sie sich jetzt fühlen, angesichts eines erfundenen, per sozialen Netzwerken viral gegangenen Vorwurfs? Was auch immer Gil Ofarim angetrieben haben mag: Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt seine Lüge.“
„Süddeutsche Zeitung“: „Es ist eine fast geräuschlose, unaufgeregte Beendigung dieses Prozesses, dessen Ursprung so viel Schaden angerichtet hat. Zwei verletzte Menschen aber bleiben zurück: Der eine ist der Hotelmitarbeiter, dessen Seelenfriede mutwillig zerstört wurde. Der andere ist Ofarim selbst: Er hat sich unglaubwürdig gemacht und seiner Sache geschadet. Denn er hat jenen Argumente geliefert, die immer schnell sagen: Alles aufgebauscht, alles nicht so schlimm. Diesmal haben sie recht behalten.“
„Stuttgarter Zeitung“: „Gil Ofarim hat den Menschen seines Glaubens einen üblen Dienst erwiesen. Ausgerechnet jetzt, da die Stimmung gegen Juden ohnehin aufgeheizt ist und viele Judenhasser sich vom Vorwurf des Antisemitismus gerne freisprechen würden. Ofarim wurde zum Täter, indem er sich als Opfer stilisierte – und schadet damit allen, die wirklich schon zum Opfer antisemitischer Diskriminierung geworden sind.“
„Focus“: Mit seinem Geständnis räumte Ofarim ein, als prominenter deutscher Jude aus ganz banalen, privaten Gründen die Antisemitismus-Karte gezogen zu haben. Er täuschte einen antisemitischen Verbalangriff auf sich vor, weil er nicht wie ein „VIP“ behandelt wurde, sondern wie jeder andere Mensch auch. Für den Kampf gegen den Antisemitismus ist das eine Katastrophe. In Zukunft könnte bei vielen antisemitischen Straftaten die Überlegung mitschwingen: Hat sich da jemand etwas ausgedacht? So wie Gil Ofarim?
„Lausitzer Rundschau“: „Der Fall Ofarim ist ein mahnendes Zeichen für all jene, die dem Sänger blind zur Seite gesprungen sind. Er ist aber auch eine Aufforderung an uns alle. Bilder gehören hinterfragt und die Quelle von Informationen recherchiert. Im Zeitalter sozialer Netzwerke ist es leicht, sich in Sekundenschnelle auf Grundlage dürftiger Informationen eine Meinung zu bilden und zu verurteilen. Doch so verführerisch das ist, der Fall Ofarim sollte uns Mahnung sein, einen Schritt zurückzutreten und zuerst nachzudenken.“
„Neue Osnabrücker Zeitung“: „Eines vorweg: Der Fall Gil Ofarimist juristisch eine klare Sache – und menschlich eine Tragödie. Der jüdische Musiker hat gelogen, als er einem Hotelmanager im Internet antisemitisches Verhalten unterstellt hatte. Auf sein spätes Geständnis und seine Entschuldigung hin wurde das Verfahren nun gegen eine Geldauflage von 10.000 Euro eingestellt. Dieser Prozess ist also abgeschlossen. Nicht abgeschlossen ist der persönliche Prozess, den der Musiker durchläuft. Hier kann man nur hoffen, dass er professionelle Hilfe sucht und findet.“
„Leipziger Volkszeitung“: „Diese große Lüge des Sängers Gil Ofarim hat nicht nur einen Menschen mit einer furchtbaren Anschuldigung diffamiert, hat nicht nur dem Image einer Stadt und einem Bundesland geschadet, brachte nicht nur dem Hotel wirtschaftliche Einbußen, sondern versetzt dem so notwendigen Kampf gegen Antisemitismus einen völlig unnötigen Schlag.“
„Nordwest-Zeitung“: „Schon werden in den Sozialen Medien Fälle tatsächlichen Antisemitismus hämisch kommentiert: ‚Ofarim 2.0 oder ein echter Fall?‘ Die Antisemiten aller Farben kriechen aus ihren Löchern – und haben nun Munition, judenfeindliche Vorfälle zu verharmlosen oder zu leugnen. Die wurde frei Haus geliefert. Den Schaden haben diejenigen, die tatsächlich Antisemitismus erleben, und das sind in Deutschland viel zu viele.“
In einem am 5. Oktober 2021 in sozialen Netzwerken verbreiteten Video hatte der Musiker angegeben, er sei von einem Mitarbeiter des Hotels „Westin“ beim Einchecken aufgefordert worden, eine Halskette mit Davidstern abzulegen. Das Video schlug damals hohe Wellen. In seinem Geständnis und seiner Entschuldigung sagte Ofarim am Dienstag: „Ich habe das Video gelöscht.“ (mbr/dpa)