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Kommentar zur Kölner OperDie Sanierung muss durchgezogen werden, auch wenn es wehtut

Lesezeit 4 Minuten
Kölner Oper

Außenaufnahme von dem Opern- und Schauspielhaus der Bühnen der Stadt Köln

Köln – Gibt es jemanden, der es nicht rundum leid ist und nicht von massivem Überdruss heimgesucht wird? Keine Frage, die einschlägigen Reaktionen, die die Katastrophengeschichte der Kölner Opernbausanierung mit ihren gigantischen Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen mittlerweile provoziert, sind rundum verständlich. Im Stadtrat zum Beispiel gab es jüngst einen Vorstoß, die aus dem Ruder gelaufene Sanierung zu stoppen und von Grund auf neu über Alternativen nachzudenken.

In der Tat sollte man immer dann, wenn man sich in einer Sackgasse wähnt, innehalten und erwägen, ob nicht Umkehr besser als stur-verzweifeltes Weiterwursteln ist. Und die beliebte Rede von der „Alternativlosigkeit“ hat schon oft genug knöcherne Fantasielosigkeit bemäntelt. Was den Stand der Sanierung am Offenbachplatz und darüber hinaus die Zukunft der Kölner Oper insgesamt anbelangt, so sieht sich indes auch jede noch so berechtigte Kritik am Ist-Zustand zu einer nüchternen, genauen und von wohlfeiler Empörung nicht getrübten Sicht der Dinge verpflichtet.

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Und diese kann eigentlich nur zu folgendem Ergebnis kommen: Die Dinge sind schon zu weit gediehen, als dass man jetzt guten Gewissens aussteigen könnte. Die Causa Opernquartier ist schließlich kein Monopolyspiel, wo man abwechselnd „zurück nach der Badstraße“ gehen oder auf „Los“ vorrücken könnte. Wo und mit welchen Mitteln, zum Beispiel, wäre denn ein neues Opernhaus zu bauen (so man nicht ad calendas graecas mit Provisorien vorliebnehmen will)?

Was soll mit der Investitionsruine geschehen?

Und was, bitte schön, soll in diesem Fall mit der Investitionsruine an der Nord-Süd-Fahrt geschehen? Will man sie etwa in einen weiteren Konsumtempel umwandeln? Nein, so, wie die Dinge liegen, muss die Sanierung am Offenbachplatz mit zusammengebissenen Zähnen zu Ende gebracht werden. Und dafür sprechen nicht nur pragmatische und zumal finanzielle, sondern auch historische, städtebauliche und stadtkulturelle Erwägungen. Nicht zuletzt wurden die jetzt erneut geforderten Alternativlösungen durch den Sanierungsbeschluss selbst definitiv zunichtegemacht. Seinerzeit lagen andere Optionen ja durchaus auf dem Tisch: der Abriss des Riphahn-Baus und ein Neubau an nämlicher Stelle genauso wie eine Neuerrichtung der Oper auf der Deutzer Werft.

Dass man seinerzeit nicht die Chance von Abriss und Neubau an nämlicher Stelle ergriff – nicht wenige dürften das heute für einen fatalen Fehler halten. Und das unerachtet der Tatsache, dass die Sanierung bei besserer konzeptioneller Planung und professioneller Festschreibung von Entscheidungskaskaden und Verantwortlichkeiten kaum jenes Desaster geworden wäre, das jetzt zu bestaunen ist.

Kein Neubau auf der Deutzer Werft

Erleichtert hingegen darf man im Rückblick darüber sein, dass die Idee Deutzer Werft nicht realisiert wurde. Ein zentraler und für die Stadtidentität wichtiger Kulturort wie die Oper gehört nicht an die Peripherie, sondern auch raumsymbolisch in die urbane Mitte. Fragen der Erreichbarkeit und Standortqualität im engeren Sinne sind damit noch gar nicht berührt. Aber all das sind im Irrealis zu führende und damit fruchtlose Debatten – hätte, hätte, Fahrradkette.

Nicht ganz überflüssig im Sinn einer generellen Standortbestimmung scheint an dieser Stelle eine kurze historische Rückversicherung. Bekanntermaßen wies das alte Köln eine vom heutigen Zustand abweichende Platzierung seiner Kulturbauten auf: Die Kölner Ringstraße war im Zuge der Stadterweiterung nach 1880 nach dem Vorbild des imperialen Wien angelegt worden – und das 1902 vollendete Opernhaus am Habsburgerring unverkennbar eine Nachbildung der historistischen Prunkbauten aus der Ära des Kaisers Franz Josef an der Wiener Ringstraße. In Köln wie in Wien entsprach dieses Konzept auch einem praktischen Gesichtspunkt: Hier wie dort verhinderte die dicht bebaute Innenstadt eine City-Lösung.

Nach dem Krieg war der Platz da

Diese Situation änderte sich nicht in Wien, wohl aber in Köln angesichts der nahezu vollständigen Verwüstung der Innenstadt durch die alliierten Bomberflotten. Nun war der Platz auf einmal da, und zum Verhängnis wurde dies vor allem dem alten Opernhaus, das im Krieg zwar stark beschädigt worden war, nach allgemeiner Einschätzung aber problemlos hätte rekonstruiert werden können.

Rekonstruktion oder Neubau? Einige Jahre lang tobte die Diskussion, dann fielen die Würfel zugunsten von Abriss und Neubau an anderer Stelle. Damit setzte sich der Stadtplaner Rudolf Schwarz durch, der die Konzentration der Hochkulturbauten in der Innenstadt und nicht an deren Rand forcierte. Eine „neue Baugesinnung“ sollte ins Werk gesetzt werden, die, so der Historiker Eberhard Illner, „als Beitrag der Architektur für einen demokratischen Neuaufbau eines freiheitlich-pluralistischen Gemeinwesens gesehen wurde“. Also: Sichtbeton statt Protzhistorismus, Offenbachplatz statt Habsburgerring.

30 Jahre später hätte es keinen Abriss gegeben

Man kann den sorglosen Umgang mit dem städtebaulichen Erbe bedauern – er wäre wohl auch 30 Jahre später so nicht mehr möglich gewesen: Da war der rekonstruierende Wiederaufbau der romanischen Kichen in vollem Gang, durch den der historische Sakralraum Köln im kulturellen Gedächtnis nachhaltig verankert werden sollte.

Gleichwohl verdienen die Überlegungen von Schwarz (der andererseits mit seiner Leitidee einer autogerechten City von heute aus gesehen viel Unheil anrichtete) immer noch Anerkennung. Viele Konzepte aus der Wiederaufbauphase müssen heute als überholt gelten. Aber der Gedanke, die Hochkultur mit Museen, Philharmonie, Oper und Schauspiel in der Stadtmitte anzusiedeln, ist unverbraucht und vital. Es gibt keinen gewichtigen Grund, ihn zu verabschieden. Und also auch keinen, diesen Aspekt mit Blick auf die Opernsanierung am Offenbachplatz hintanzustellen.