- Der Vertrag von Kölns Opernintendantin Birgit Meyer wird nicht über 2022 hinaus verlängert.
- Es gibt hartnäckige Gerüchte, dass Kölns Generalmusikdirektor François-Xavier Roth auf Meyers Ablösung gedrängt hat.
- Im Interview nimmt Meyer Stellung zu den Vorgängen.
Köln – Frau Meyer, die Kölner Oper befindet sich in einem corona-bedingten Winterschlaf. Läuft da nicht vor allem die Intendantin Gefahr, in eine Depression zu fallen?
Kein Winterschlaf! Wir proben, planen beständig und produzieren weitere Streamings. Depressionen kann ich mir da gar nicht erlauben. Im Übrigen hatten wir in den vergangenen Jahren, wie Sie wissen, viele schwierige Situationen zu meistern. Die Kunst, so ein Haus zu führen, besteht eben darin, die eigenen künstlerischen Visionen in Einklang mit den Möglichkeiten zu bringen. Früher waren die durch die Ausweichspielorte limitiert, jetzt sind wir es durch Corona. Aber ich verliere nicht meinen Optimismus.
Als zweiter Tiefschlag kommt die Ankündigung der Oberbürgermeisterin hinzu, Ihren Vertrag nicht über 2022 hinaus zu verlängern. Sie sind damit eine Intendantin auf Abruf – was ja Stimmung und Motivation wohl auch nicht steigert.
Was mich an dieser Entscheidung trifft, ist nicht so sehr der Wille der Stadtspitze, am Offenbachplatz mit einer neuen Intendanz zu starten. Ich habe meinen Einsatz hier im Interim nie davon abhängig gemacht, dass ich das sanierte Haus eröffnen kann. Ich hatte die Oberbürgermeisterin aber gefragt, was dagegen spräche, dass ich das Interim zu Ende bringe – das ich ja nun nach allgemeiner Einschätzung nicht so schlecht hingekriegt habe. Die sehr fordernde Situation des Interims wird nun nochmals für alle in der Oper Engagierten ohne Not erschwert. Der Vorlauf bis zum 1. September 2022 ist ja extrem kurz. Es gibt jetzt seit drei Monaten ein Vakuum, was die Zukunft nach dem 31. August 2022 anbelangt. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Es geht nicht um Dankbarkeit
Sie finden, dass die OB undankbar ist?
Es geht nicht um Dankbarkeit, sondern eben um die Zukunft der Oper. Sehen Sie nur mal die Kinderoper, die das Land für zwei Jahre mit 1,24 Millionen Euro gefördert hat. Im dritten Jahr könnte man Förderung verstetigen – diese Chance entgeht mir jetzt. Ähnlich verhält es sich mit der Kooperation der Oper mit der Uniklinik zugunsten von Demenzkranken. Das hätte ich gerne vor meinem Weggang nachhaltig verankert. Das ist ja meine feste Überzeugung: Die Oper ist für alle da, nicht nur für eine kleine Elite. Kurzum: Es ist, aus meiner Sicht, ein sehr ungünstiger Zeitpunkt für diesen Intendantenwechsel – mitten im Interim.
Die offizielle Begründung war ja: Zehn Jahre sind genug. Glauben Sie die?
Eine erfolgreiche Intendanz bemisst sich nicht nach Jahren. Bei dem einen sind fünf Jahre schon genug, den anderen lässt man nach 20 Jahren nicht gehen. Letztlich ist doch die Frage: Hat man eine Vision für den Ort, an dem man arbeitet? Und die habe ich.
Wenn Sie selbst die offizielle Begründung für fadenscheinig halten, werden Sie sich sicher schon nach den tatsächlich wirksamen Gründen gefragt haben. Das Ergebnis?
Wenn Sie mehr wissen, dann sagen Sie es mir ...
Der erste Grund, der immer wieder genannt wird: Generalmusikdirektor François-Xavier Roth kann nicht mit Ihnen und will Sie loswerden – und hat dabei die Unterstützung der OB.
Ich kann dazu nur sagen: François-Xavier Roth und ich haben hier in den vergangenen Jahren zusammen durchaus Erfolge gefeiert. Und wir alle am Haus sind jederzeit bereit, Herrn Roth jeden Wunsch zu erfüllen – ganz gleich, ob das nun Sängerengagements, Orchesteraufstellung oder Technik betrifft.
Das könnte Sie auch interessieren:
Der neue Roth-Vertrag mit den erweiterten Kompetenzen zeigt ja, wo ihm offensichtlich etwas gefehlt hat ...
Ja, er erhält mehr Zuständigkeiten – was bedeutet, dass die des künftigen Intendanten beschnitten werden. Die entscheidende Frage ist immer, wer tagtäglich die Arbeit macht, den Überblick behält und am Ende die Verantwortung trägt; und auch, wer den Kopf hinhält, wenn mal was nicht so klappt; zum Beispiel wenn es um Fragen der Auslastung und der Ausgaben geht.
Spielen bei all dem auch Machtfragen eine Rolle?
Ich denke, Machtfragen spielen immer eine Rolle, auch in Köln.
Wie sind denn Kölns Chancen, unter den obwaltenden Umständen einen neuen Opernintendanten zu bekommen?
Einen Opernintendanten wird man sicher finden. Wer immer das Haus leiten wird, hat schwierige Aufgaben vor sich. Der oder die Neue muss – bei empfindlich beschnittenen Entscheidungsbefugnissen – das nicht unkomplizierte Interim weiterführen und gleichzeitig die Eröffnung am Offenbachplatz vorbereiten. Aber das ist nicht mehr mein Problem.
Der zweite mögliche Grund: die wiederholten Klagen ausgeschiedener oder vielleicht auch „amtierender“ Mitarbeiter über Ihren angeblich autoritären Führungsstil.
Ich bin immer bestrebt, meinen MitarbeiterInnen respektvoll und wertschätzend zu begegnen. Das Wohl meiner MitarbeiterInnen ist mir ein großes Anliegen. Sicher gibt es auch mal Auseinandersetzungen, Konflikte, die dann eine Trennung unausweichlich machen, aber das war Gott sei Dank nur sehr selten der Fall. Und es ist für mich wirklich schwer, mich mit Anschuldigungen auseinanderzusetzen, wenn diese anonym sind.
In vielen Bereichen gibt es Kontinuität im Haus
Einige Bereiche des Hauses weisen eine bemerkenswert hohe Personalfluktuation auf.
Die meisten gar nicht. In vielen Bereichen des Hauses, darunter das Ensemble, gibt es eine große Beständigkeit und Kontinuität. Sonst wären auch die Leistungen nicht möglich, die wir erbringen.
Nun ist es ja kein Geheimnis, dass es am Haus (wie auch in der Kommunalpolitik) eine Fraktion gibt, die dem früheren Intendanten Laufenberg nachtrauert – und Ihnen damit tendenziell das Leben schwermacht.
Am Anfang war das zu spüren. Mittlerweile, nach all den Erfolgen, spielt das im Haus keine Rolle mehr.
Die Planungen bis 2022 stehen. Was wartet auf die Kölner Opernfreunde?
Die nächste hoffentlich dann coronafreie Spielzeit steht in der Tat – wobei wir hoffen, dass wir auch in der laufenden Spielzeit noch Publikum in Präsenz empfangen dürfen. Wir werden das Programm voraussichtlich im Mai veröffentlichen. Schon jetzt kann ich Ihnen ankündigen, dass wir natürlich einiges, was in dieser Spielzeit nicht stattfinden konnte, in die Spielzeit 2021/22 übernehmen werden: So beginnen wir mit sechs Live-Aufführungen von Korngolds „Die tote Stadt“, das Opernpasticcio „Miranda“ nach Purcell und Berlioz’ „Béatrice et Bénédict“ haben wir ebenfalls von 2019/20 auf 2021/22 geschoben. Hinzu kommen dann vier weitere Opernpremieren.
Was haben Sie für die Zeit nach Ihrem Ausscheiden an der Kölner Oper vor?
Im Moment beschäftige ich mich ausschließlich mit der Oper Köln. Ich will die kommenden anderthalb Jahre in derselben Qualität wie bisher Oper für Köln machen – gemeinsam mit dem ganzen großen Team der Oper. „Oper Köln im Staatenhaus“ war bisher ein großartiges gemeinschaftliches Erlebnis, auch was das Publikum betrifft. So soll es bleiben!