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Brisanter Bericht zur Kölner OperPrüfer rügen Auftragsvergaben ohne „ordnungsgemäße Verfahren“

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild aus dem Januar 2023 zeigt den Zuschauerbereich und die Bühne im Opernhaus.

Das Bild aus dem Januar 2023 zeigt den Zuschauerbereich und die Bühne im Opernhaus.

Der Stadtrat wollte wissen, warum die Bühnen-Sanierung erneut teurer wurde. Der erste Zwischenbericht liegt nun vor.

Der Mann, der Kölns nächster Oberbürgermeister werden will, sagte im vergangenen September über die erneute Kostenexplosion der Bühnen-Baustelle am Offenbachplatz: „Unsere Energie legen wir nicht in die Beantwortung von Fragen aus der Vergangenheit.“

Der Mann, der diesen Satz damals sagte, ist der Baudezernent dieser Stadt: Markus Greitemann. Er tritt für die CDU bei der Kommunalwahl am 14. September als OB-Kandidat an. Seit Sommer ist Greitemann hauptverantwortlich für die scheinbar nie enden wollende Bühnen-Sanierung am Offenbachplatz, die die Bürgerinnen und Bürger knapp 1,5 Milliarden Euro kosten wird.

Warum das so viel kosten muss, will aber das Mehrheitsbündnis aus Grünen, CDU und Volt (51 von 90 Sitzen im Rat) wissen. Deshalb hat es im Oktober eine Untersuchung beim städtischen Rechnungsprüfungsamt (RPA) beantragt. Das Trio möchte Energie darauf verwenden, wie eine Stadt ein Großbauprojekt derart ausufern lassen kann, sowohl finanziell als auch zeitlich. Der erste RPA-Zwischenbericht liegt jetzt vor und lässt die Bühnen der Stadt als Bauherr nicht gut aussehen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

So soll der neue Offenbachplatz einmal aussehen.

So soll der neue Offenbachplatz einmal aussehen.

Worum geht es?

Seit 2012 lässt die Stadt Oper, Schauspiel, Kinderoper und Kleines Haus sanieren. Aus drei Jahren Bauzeit sind mittlerweile zwölfeinhalb Jahre geworden, ohne dass das Großbauprojekt fertig wurde. Und aus geschätzten Gesamtkosten (Bau, Finanzierung, Interimsspielstätten im Rechtsrheinischen) von 540,9 Millionen im Jahr 2012 sind rund 1,465 Milliarden Euro (plus 170,4 Prozent) geworden. Allein der Bau ist mit 798,6 Millionen Euro ausgewiesen. Wie die Stadt vorige Woche mitteilte, sollen die vier Häuser bis Ende 2025 fertig gebaut sein, die Spielzeit vermutlich im September 2026 regulär beginnen.

Warum hat das Rechnungsprüfungsamt die Vorgänge geprüft?

Weil der Stadtrat das am 1. Oktober einstimmig beschlossen hat. Zuvor hatte die Stadt Köln Ende August 2024 verkündet, dass die Sanierung eineinhalb Jahre länger dauert und wohl erst Ende 2025 abgeschlossen ist. Und aus bis zu 714 Millionen Euro reinen Baukosten wurden bis zu 798,6 Millionen Euro. Es war die nächste Verzögerung, die nächste Kostenexplosion – und der Frust und die Wut im Stadtrat über das seit Jahren gleiche Prozedere bei Kölns Skandalprojekt Nummer eins mündete in einem Antrag des Mehrheitsbündnisses. Das RPA sollte die internen Vorgänge, Auftragsvergaben und Schadenersatzansprüche prüfen. Das Amt prüft generell, ob die Stadtverwaltung wirtschaftlich und rechtmäßig arbeitet.

Was sind die zentralen Erkenntnisse?

Erstens: Insgesamt 65 Auftragsvergaben der städtischen Bühnen an externe Planer mit einem Wert von rund 145 Millionen Euro sind nach der abgesagten Opern-Eröffnung im November 2015 „ohne ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt worden“. Die Stadt Köln als öffentlicher Auftraggeber muss sich an Vorschriften bei der Vergabe von Arbeiten halten, beispielsweise ab welcher Summe sie die Arbeiten ausschreiben muss. Aber: Die Unterlagen von damals sind nicht oder nur rudimentär vorhanden. Zweitens: Die 98 Vergaben an die ausführenden Firmen, die tatsächlich bauen, mit einem Wert von rund 364 Millionen Euro sind laut der Analyse aber rechtmäßig.

Drittens: Die Kosten für das reine Planen der Sanierung sind sehr hoch. 341,9 Millionen Euro für die Baukonstruktionen und die technischen Anlagen stehen 223,5 Millionen Euro für das Planen und Steuern gegenüber, das entspricht 65 Prozent. Der Wert liegt „deutlich über dem in der Fachliteratur angegebenen von rund 30 Prozent“. Allerdings: Als die Stadt dem Planungsbüro Deerns 2015 kündigte und Ex-Baudezernent Bernd Streitberger übernahm, plante sein Team fast komplett neu. Und viertens: Insgesamt haben über die Jahre 151 Firmen am Offenbachplatz gearbeitet, viele davon sind nicht mehr dabei. Aber: „Bis zur Berichtsabfassung konnten anhand der Dokumentation zu diesen Firmen keine gravierenden Schlechtleistungen identifiziert werden.“ Eine tiefergehende Analyse könnte das noch ändern, heißt es laut RPA.

Bewerten die Prüfer ihre Erkenntnisse?

Nur sehr verhalten oder gar nicht. Und das ist anders als beispielsweise in den Gutachten zu den externen Wachleuten an Karneval oder in den städtischen Museen, die die Verwaltung in der Vergangenheit beauftragt hatte (wir berichteten). Damals listete das RPA 19 beziehungsweise 29 Beanstandungen auf. Die Vertragsverlängerung mit der zuständigen Firma für die Museen bezeichnete das RPA beispielsweise als „teilweise vergabewidrig“.

Werden weitere RPA-Berichte zu den Bühnen folgen?

Ja. Im zweiten Zwischenbericht soll es vor allem um die Kosten gehen. „Weiterhin werden etwa die Gründe für die Verzögerung, die damit einhergehenden Kostensteigerung und etwaige Schadenersatzansprüche geprüft.“ Falls nötig, will das RPA Empfehlungen abgeben, wie es zukünftig besser laufen soll.

Der Blick auf das Opernhaus am Offenbachplatz.

Der Blick auf das Opernhaus am Offenbachplatz

Gab es nicht schon einmal eine Analyse für die Gründe der abgesagten Opern-Eröffnung?

Ja. 2017 hatten die Anwälte der Kanzlei Hecker Werner Himmelreich (HWH) eine Analyse präsentiert. Vereinfacht gesagt war das Ergebnis: Die Stadt trifft kaum Schuld, die beauftragten Firmen sind schuld. Doch dieses Gutachten hatte ein Problem: Die Stadt bezahlte die Kanzlei seit Jahren als Berater für die Bühnen-Sanierung – trotzdem sollten die Anwälte als selbst involvierte Beteiligte eine neutrale Untersuchung abliefern. Einen Interessenskonflikt sah die Verwaltung nicht, verwies darauf, dass der RPA dem Auftrag für die Kanzlei einstimmig zugestimmt hatte. Tatsächlich hatten die Politiker das getan. Doch als das 60.000-Euro-Gutachten vorlag, beschwerten sie sich, der Auftrag sei nicht erfüllt worden. HWH-Anwalt Frank Siegburg sagte seinerzeit, es sei nicht seine Aufgabe gewesen, „eine Nubbelverbrennung vorzubereiten“. Die FDP forderte eine zweite Untersuchung, aber das Thema schlief ein.

Wie sieht das RPA jetzt die Arbeit der Kanzlei Hecker Werner Himmelreich?

In dem aktuellen Bericht heißt es: „Hier bleibt festzuhalten, dass die Aufarbeitung nicht durch ein externes Büro, sondern durch unmittelbar Beteiligte erfolgte.“ Allerdings: Der Vorschlag, die Anwälte von HWH zu beauftragen, kam 2016 vom Kulturdezernat, das sich zuvor mit den Rechnungsprüfern abgestimmt hat. So steht es in einer Information aus 2016. Als Grund nannte das Dezernat „eine kostengünstige und rasche Abarbeitung der Analyseaufträge“. Bei einem damaligen Baubudget von 460 Millionen Euro wollte die Verwaltung also ausgerechnet bei der Fehlersuche Geld sparen – und sowohl Stadtrat als auch die interne Prüfstelle stimmten zu.