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Konzert im Kölner GloriaMarc Almond fühlt sich nicht gut, aber die Songs tragen ihn

Lesezeit 3 Minuten
30.09.2024, Köln: Konzert von Marc Almond,
"I´m Not Anyone Tour 2024", im Gloria.

copyright Michael Bause

Marc Almond (l.) mit seinem Gitarristen Neal X

Der ehemalige Soft-Cell-Sänger sang im Gloria-Theater ausschließlich Coverversionen. Aber die könnten persönlicher nicht sein. Unsere Konzertkritik.

Marc Almond leidet. Er sei erst vor einer Stunde am Flughafen angekommen, klagt der Held der 1980er Jahre. Er habe vielleicht drei Sushi gegessen. Außerdem fühle er sich nicht gut, mal sehen, wie lange er durchhalte. Und überhaupt, warum stünden denn hier alle im Gloria-Theater? „Ich spiele eigentlich keine Stehplatz-Säle mehr, da hat wohl jemand das Memo nicht bekommen.“

Na gut, man hatte ja gezahlt, um eine Diva zu erleben. Ob auch allen im Publikum im Vorfeld bewusst war, dass Almond an diesem Abend ausschließlich Coverversionen zum Besten geben würde? Aber das ist gar kein Problem, denn nur wenige Künstler können es an kuratorischem Gespür mit dem Nordengländer aufnehmen: Almond besitzt Geschmack, so eigensinnig wie exquisit, und weiß genau, was er sich anverwandeln kann.

Marc Almonds größte Hits waren Coverversionen

Drei seiner größten Hits waren Coverversionen, Soft Cells „Tainted Love“, „Something's Gotten Hold of My Heart“ und „The Days of Pearly Spencer“ (das Original kennt man in Deutschland aus dem Frühstücksradio, aber im Vereinigten Königreich war die Single ein Flop) – und alle drei stehen natürlich auch in Köln auf der Setlist.

Für die gewisse Üppigkeit im Klangbild gönnt sich Almond eine fünfköpfige Band und drei Backgroundsänger, irgendwann stößt auch noch der Support-Act mit seiner Wandergitarre dazu, da wird es schon ein wenig eng auf der Bühne des Gloria. Doch der Einsatz zahlt sich aus: Chers „I’m a Woman“ verliert nichts an Phil Spectors wagnerianischem Wumms, im Gegenzug schleicht Eartha Kitts „The Heel“ auf Katzenpfoten durchs Cabaret. Almonds langjährigen Gitarristen Neal X kennt man – mit radikal anderer Frisur – noch von der One-Hit-Wonder-Band Sigue Sigue Sputnik.

Auch die immer leicht näselnde Stimme des 67-Jährigen trotzt dem annoncierten Unwohlsein und wenn er Charles Aznavour zu dessen 100. Geburtstag gleich zwei Chansons widmet, „The Boss is Dead“ und „I Have Lived“, kommt ihm sein reiferes Alter dabei gut zu pass: „Ich habe alles gelebt und gekostet, was es zu probieren gab.“

Zwischen den Stücken lässt Almond seinem Musik-Nerdtum freien Lauf und man erfährt unter anderem, dass die „How Can I Be Sure“-Version des 70er-Jahre-Teeniestars David Cassidy dem Original der Young Rascals vorzuziehen ist, oder dass David Bowie seinen Song „Andy Warhol“ für seine Jugendfreundin und zeitweilige Muse Dana Gillespie schrieb. Von Bowie singt er dessen frühe Hipster-Hymne „London Boys“, aber der Höhepunkt des Abends ist seine Version von Gillespies „Stardom Road“, eine Kampfansage an all die missgünstigen Menschen, die den angehenden Star klein halten wollten: „Du hast nicht das Aussehen und nicht das Format/ Und du siehst aus wie eine Schwuchtel mit diesen süßen, geschwollenen Augen.“

Pah! Die Glamrock-Hymne „Children of the Revolution“ muss auch noch mitgenommen werden, Almond ist der weltgrößte Marc-Bolan-Fan (und hat sich von seinem Idol die Schreibweise des Vornamens ausgeborgt). Dann weiß Almond, dass sein Tag sehr viel besser zu Ende geht als er angefangen hat. Er fühle sich schon viel besser, verkündet der Sänger, aber jetzt hätte er wirklich Hunger, spricht's, covert Dusty Springfield und Sammy Davis Jr.'s „I'm Not Anyone“, noch so ein trotziges Selbstbehauptungsstück, und eilt dem Sushi-Buffet entgegen.