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Konzert in der Live Music HallWarum Tinashe als unabhängige Frau erst so richtig aufblüht

Lesezeit 3 Minuten
20.02.2025
Köln:
Die Sängerin Tinashe trägt in der Live Music Hall von Tüchern umwehte Shorts, ein enges Bustier und eine große Sonnenbrille unter der Baseballkappe.

Die R'n'B-Diva Tinashe in der Live Music Hall

Die kalifornische R'n'B-Sängerin Tinashe ist schon ewig im Geschäft. In Köln konnte man sie im zweiten Frühling erleben. Unsere Kritik.

Manchmal, wenn die Jugend längst verschwendet ist, schenkt einem das Leben eine kleine Reprise. Einen Abenteuerurlaub, bei dem man seine Knieprobleme vergisst, eine hitzige Sommerliebe – oder einen Sommerhit, nicht weniger hitzig, auf Tiktok. Über einen solchen konnte sich vor ein paar Monaten die kalifornische R’n’B-Sängerin Tinashe freuen.

Nachdem ein weißer Nerd dazu aufreizend die Hüften kreisen ließ, ging ihr ungemein eingängiger Beischlaf-Aufruf „Nasty“ auf dem Kurzvideoportal viral. Und ihre Frage, ob da draußen wohl jemand genauso ungezogen sein möchte wie sie – „Is somebody gonna match my freak?“ – wurde vieltausendfach mit lustigen Bildchen im Internet geteilt. „Match my freak“ hat Tinashe denn auch ihre Welttournee genannt, die sie am Donnerstagabend in die Kölner Live Music Hall führte.

Tinashes Show erinnert an optimistischere Pop-Zeiten

Ihre nur knapp 75-minütige Show wirkte selbst wie eine Reprise aus den letzten Jahren des Optimismus, als Britney Spears‘ Girly-Pop den Mainstream beherrschte und Brandy und Monica „The Boy Is Mine“ sangen. Als Timbaland, Missy Elliott und die Neptunes aus alten R’n’B-Wurzeln Zukunftsmusik schmiedeten. 1999 gastierte Beyoncé zum ersten Mal mit Destiny’s Child in Köln, auf ebendieser Bühne. Der Horizont schien endlos.

Der hypnotische „Nasty“-Refrain eröffnet das Set. Vier durchtrainierte Typen tanzen vor einer breiten Videowand, eine orangefarbene „11“ leuchtet jeweils von ihren Camouflage-Muscle-Shirts. Dann erscheint Tinashe und alle Handys gehen hoch. Sie trägt angemessen wenig, aber die große Sonnenbrille ist blickdicht. „Wir bekommen keinen Schlaf, nein, nein“, prahlt sie und die Menge singt mit, es ist auch ein süßes Versprechen.

20.02.2025
Köln:
Die R'n'B-Diva Tinashe in der Live Music Hall. 
Foto: Martina Goyert

Tinashe mit ihren Tänzern.

Die Musik kommt von der Festplatte, wo sie ja auch entstanden ist. Die visuelle Begleitung täuscht trotzdem eine viel größere Show vor, als würde man sich kommendes Jahr in der Arena wiedersehen. Aber es ist eben schon die zweite, selbstbestimmtere Jugend. Tinashe konnte vor wenigen Tagen ihren 32. Geburtstag feiern, sie ist schon ewig im Showgeschäft unterwegs. Als Kind synchronisierte sie Cartoons, trat in der Sitcom „Two and a Half Men“ auf, schloss sich einer Girlgroup an. Sie trat im Vorprogramm von Justin Bieber, Nicki Minaj, Katy Perry und Beyoncé auf, sang ein Duett mit Britney Spears. Jagte, getrieben von einer großen Plattenfirma, dem großen Pop-Erfolg hinterher, blieb aber trotz kleinerer Hits stets an der Peripherie.

Vor sechs Jahren trennte sie sich von RCA Records, seitdem ist sie in eigener Sache unterwegs. Das ist auch das Bild, das sie in der Live Music Hall hinterlässt: Eine unabhängige Frau mit mehr Talent und Erfahrung als die Konkurrentinnen, die in den Charts vor ihr landen. Wenn sie tanzt, selbst wenn sie twerkt, strahlt sie mühelose Eleganz aus. Und steht sie dann endlich einmal allein auf der Bühne, wie etwa bei der wie in der Unterwasser-Disco blubbernden Ballade „Red Flags“, kann man auch endlich in Ruhe ihre supersicher sitzende, auf jede Akrobatik verzichtende Singstimme bewundern.

Immerhin 23 Songs bringt Tinashe in ihrem kurzen Set unter, wirkt dabei aber nicht so, als ließe sie sich hetzen. Sie hat mehrere Verschnaufpausen eingebaut, aber sie nutzt sie nicht zum Kostümwechsel. Reicht ja, wenn man perfekt aussieht. Nur die dicke Sonnenbrille bleibt backstage.

Selbstredend endet das Konzert mit „Nasty“, aber das wird nicht der letzte Hit für Tinashe gewesen sein. Da ist noch jede Menge wiederaufgelegter Jugend drin.