In Köln konnte man erfahren, warum die konsequent rückwärtsgewandte Musik von David Lynchs Lieblingssänger immer noch so modern klingt. Unsere Konzertkritik.
Konzert in KölnChris Isaak weckt im Palladium alte Sehnsüchte wieder auf
„Auf ewig einsam“, heult Chris Isaak, seine personalisierte Akustikgitarre auf einem Barhocker zupfend, im schönsten Cowboy-Jodler. Das Spiel ist immer schon verloren: Du liebst sie, sie liebt dich nicht, „You did your best/Life did the rest“. Da haben sich die unbehaglichen Weiten des Palladiums längst in einen verlorenen Highway verwandelt, links und rechts verschluckt die Dunkelheit unendliche Prärie. Eben ganz wie in David Lynchs „Wild at Heart“, der Regisseur griff in seinen Filmen immer wieder auf Chris Isaaks Songs zurück, als Sound des unheimlichen Amerikas.
„Wenn Ihr Lieder über unerwiderte Liebe mögt“, sagt Isaak, „dann seid ihr hier gerade auf die Hauptader gestoßen.“ Dann erzählt der Rockabilly-Liebhaber von der wunderschönen Tochter einer Filmschauspielerin, in die er sich einst während einer Europatournee verguckt hat, ihr hat er den Song „Blue Spanish Sky“ gewidmet, und auch sie – man ahnt es bereits – hat ihn verlassen. Dem Sänger bleibt nur der etwas kleinliche Wunsch, er könnte sie ebenso zum Weinen bringen, wie sie ihn.
Seit fast 40 Jahren spielt Chris Isaak mit seiner Band Lieder übers Liebesleid
Warum er so gerne sehnsüchtige Liebeslieder an flüchtige Frauen singe? „Weil ich den Großteil meiner Zeit in einem Bus mit vier anderen Typen verbringe“, scherzt der Kalifornier. Seit fast 40 Jahren spielen Isaak und seine Band nun schon zusammen, er ist inzwischen 68 Jahre alt, aber sein fantastisches Aussehen – halb Chet Baker, halb Elvis – ist ihm geblieben. Nur wenn er in seinem königsblauen Nudie Suit charmierend durchs Publikum streicht, erinnert er ein wenig an einen TV-Evangelisten.
Nebenbei: Nudie Suits nennt man jene mit reichlich Strass bestickten Anzüge aus der Schneiderwerkstatt Nudie Cohns, ohne die einst kein Country-Musiker, der etwas auf sich hielt, die Bühne betrat.
Zur Zugabe erscheint Isaak in einem Anzug aus Spiegel-Lamellen, quasi die Disko-Version von Elvis' Goldlamé-Anzug, das mag man entweder spektakulär oder spektakulär albern finden. Der Sänger selbst hatte gleich eingangs festgestellt, dass es kaum eine andere Profession gäbe, in der seine Garderobe angemessen erschiene, höchstens noch Eiskunstlauf.
Seinen enorm unterhaltsamen, zumeist selbstironischen Ansagen merkt man den Medienprofi an: Isaak kann nicht nur eine eindrucksvolle Zweitkarriere als Film- und Fernsehschauspieler vorweisen (ideal besetzt als tragischer NASA-Astronaut Ed White in „From the Earth to the Moon“), auch eine Sitcom und eine Talkshow trugen bereits seinen Namen.
Auf den Hit, dem er diese Karriere zu verdanken hat, muss man in Köln nicht lange warten. Ein kollektives „Oh“ entfährt dem Publikum, als das trostlose Heulen der Sologitarre erklingt, auch nach 35 Jahren hat „Wicked Game“ nichts von seiner gespenstischen Kraft verloren, alte Wunden werden wieder aufgerissen, längst vergessenes Liebesleid sucht die Hörer einmal mehr heim.
1989, als Isaak die Single veröffentlichte, hatte Jacques Derrida sein Konzept der „Hauntology“ kaum entwickelt, und es sollten 20 Jahre vergehen, bis seine Idee, dass die Geister der Geschichte die Gegenwart fest im Griff halten, von Pop-Theoretikern adaptiert wurde. Aber „Wicked Game“ bleibt eines der besten Beispiele fürs hauntologische Verfahren: Der Song feiert die unzeitgemäße Wiederkehr der verhallten Roy-Orbison-Ballade, dessen „Pretty Woman“ covert Isaak gleich im Anschluss.
Während sich die Popmusik Ende der 1980er Jahre ihrer beständigen Erneuerung erfreut (Acid House, der ecstasybefeuerte zweite Summer of Love), erzählt „Wicked Game“ von einer Sehnsucht, die unerfüllbar bleibt, „What a wicked game to play/ To make me feel this way“. Und weil Chris Isaak einer der ersten Pop-Künstler war, der Nostalgie als besseren Sex präsentierte, klingt seine rückwärtsgewandte Musik auch heute noch so modern.
Als Isaak auf Presleys Schmachtklassiker „Can’t Help Falling in Love“ seine „Heartbreak Hotel“-Version „Blue Hotel“ folgen lässt, hört man deutlich den Unterschied zwischen Original und Wiedergänger: Elvis singt von Einsamkeit und Verzweiflung, Isaak versucht das kitzelnde Gefühl festzuhalten, das ihm Elvis‘ Einsamkeit gegeben hat. Das ist eigentlich fast noch schöner.