Auf dem Kölner Roncalliplatz tritt Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason als nahbare Version der eigenen Legende auf.
Nick Mason in KölnWie man Pink Floyd vor Roger Waters rettet
Als der Regen nachlässt, ruft wie auf Bestellung Roger Waters an. Nein, er wisse nicht, wo sein Gong geblieben sei, antwortet Nick Mason auf das Gequake aus dem Telefon, während er das Publikum stumm beschwört, ihn bitte nicht zu verraten. Der vermisste Gong wartet derweil auf der Bühne vor dem Kölner Dom auf seinen großen Auftritt. „Ich glaube, ich habe ihn bei David gesehen“, sagt Mason, bevor er den unverständlichen Redeschwall unterdrückt.
Endlich mal eine Pink-Floyd-Nostalgieshow, in der Waters seine Anhänger nicht mit politischen Botschaften beschallt
Nick Mason führt diesen Altherrenstreich auf Kosten seines Jugendfreunds bereits seit einigen Jahren auf der Bühne auf. Als er noch mit Waters die Welt bereiste, durfte er niemals an den Gong, sagt er, obwohl er als Schlagzeuger und Gründungsmitglied von Pink Floyd jedes Recht dazu gehabt hätte. Das Publikum auf dem Kölner Roncalliplatz quittiert die etwas steife Aufführung mit dankbarem und vielleicht auch erleichtertem Gelächter – endlich mal eine Pink-Floyd-Nostalgieshow, in der Waters seine Anhänger nicht mit politischen Botschaften beschallt.
Auch sonst ist an diesem Kölner Samstagabend vieles anders als bei der sehr speziellen Roger-Waters-Experience – und mindestens eine Nummer kleiner. Nick Masons fünfköpfige Saucerful-of-Secrets-Band widmet sich dem Frühwerk von Pink Floyd und verleiht den damals schon kräftig wabernden Waters-Klängen eine irdische, sprich: rockige Grundierung. Zwar zelebrieren auch Guy Pratt, langjähriger Gastmusiker von Pink Floyd, und Gary Kemp, ehemals Leadgitarrist von Spandau Ballet, die Sphärenklänge von Klassikern wie „Echoes“ oder „Set the Controls for the Heart of the Sun“. Aber wer sich Pink Floyd schon immer als nahbare und kompetente Garagenband gewünscht hat, wird von Masons Interpretation der eigenen Legende bestens bedient.
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Begonnen hatte der verregnete Abend mit einer Hommage an Syd Barrett, der die Band mit seiner depressiven Hymne auf einen Mann, der Damenunterwäsche von Wäscheleinen stiehlt, auf den Index englischer Radiostationen brachte. In dieser Frühphase gelangte Pink Floyd als Schlechtwetterversion des kalifornischen Acid-Rocks zu nationalem Ruhm, und Mason huldigt Barretts geplagtem Genie, indem er dessen Stimme bei „Remember Me“, einem kaum bekannten Song, einspielen lässt. Die Aufnahme aus dem Probenkeller zeigt vor allem, dass Gesang (und Texte) bei Pink Floyd stets eine Nebenrolle spielten. Gary Kemp führt diese Tradition als Leadsänger überzeugend fort.
Zum Abschluss der ersten Konzerthälfte wird endlich der Gong geschlagen. Mason liebkost das Instrument beim Auftakt von „Set the Controls…“, einem Lied, das 1968 die Bemühungen der Nasa, einen Mann auf den Mond zu stellen, bereits als ferne Vergangenheit erscheinen ließ. Auf den elektronischen Klangwellen von Stereo- und Quadrophonie reiste Waters durchs Universum – mit Nick Masons’s Saucerful-of-Secrets gelingt der sichere Rücksturz zur Mutter Erde. Während sich die Band erschöpft und glücklich in die Pause verabschiedet, schüttelt das Publikum seine Regenponchos aus.
Gary Kemp ist als David-Gilmour-Ersatz gar nicht schlecht
Vermutlich wären etliche Gäste auch bei gutem Wetter in bequemer Funktionskleidung gekommen – oder hätten, wie die Musiker, offene Hemden über T-Shirts getragen. Psychedelisch ist hier wohl niemandem mehr zumute, die neue Boomerdroge ist bekanntlich Sentimentalität. Anders als bei Taylor Swift werden hier keine Erinnerungen gemacht (oder teuer verkauft), sondern aufgefrischt. Massenartikel sind sie in beiden Fällen, aber hier, auf dem Roncalliplatz, macht es wenig Sinn, sich darüber Illusionen hinzugeben.
Die zweite Konzerthälfte wabert für Menschen, die mit Spandau Ballet aufgewachsen sind, etwas ziellos vor sich hin. Gary Kemp ist als David-Gilmour-Ersatz gar nicht schlecht, aber natürlich fragt man sich, ob er hier steht, weil sich seine Popstar-Millionen bei einem Börsenkrach oder einer verhängnisvollen Scheidung verflüchtigten. Die Antwort dürfte die gleiche sein wie bei Nick Mason: Er hat an dem, was er am besten konnte, immer noch Spaß – und noch längst nicht alles verlernt. Als Mason seine Schelmennummer mit Waters spielt, lacht Kemp aus vollem Hals, obwohl er sie schon tausend Mal gesehen haben dürfte. Aber auch der Roncalliplatz ist Showbiz, und Kemp hat in „Bodyguard“ immerhin mal den schmierigen Presseagenten Whitney Houstons gemimt.
Vor der Zugabe gibt es eine 25-minütige Fassung von „Echoes“, einem jener Klangexperimente, für die Pink Floyd schon berühmt waren, bevor sie die erfolgreichste Band der 1970er Jahre wurden. Wer will, konnte hier kölsche Anklänge an Karlheinz Stockhausen heraushören, oder doch nur die schreienden Möwen aus David Gilmours Wah-Wah-Pedal. Beides hallte noch nach, als sich der Strom der Regenponchos über die Domplatte ergoss.