Auf dem Roncalliplatz finden in dieser Woche drei Konzerte statt. Den Auftakt machen Kettcar und Thees Uhlmann.
Auftakt der Konzertreihe auf dem RoncalliplatzWarum mit Kettcar keine Revolution zu machen ist
Während der Himmel hinter dem Kölner Dom langsam gelb-orange wird, stehen fünf Männer auf einer Bühne direkt davor. Unaufgeregt. Schlicht. In Schwarz gekleidet. Sie spielen eines ihrer ältesten Lieder. Den Text singt jedoch das Publikum, während die Band sichtlich gerührt zu ihnen schaut: „Und da sah ich das Heer der leeren Flaschen auf dem Balkon verteilt. Sie sammeln ihre Kräfte für die nächste Offensive, für die Schlacht heut Nacht“.
Jedes Wort sitzt. Der Publikumschor ertönt textsicher auf dem Roncalliplatz, bis Kettcar endlich mitsingt: „Viel Glück heut Nacht und viel Glück demnächst, wenn du weitermachst oder untergehst, wenn du aufhören willst und einsehen musst zwischen ‚komm zurück‘ und ‚wirklich Schluss‘“.
„Balkon gegenüber“ ist ein Song über stille Empathie, versteckte Gemeinsamkeiten, und vor allem über Verständnis zwischen Fremden. Dass dieses Lied inbrünstig von den Zuschauenden gesungen wird, ist ein Sinnbild für diesen Mittwochabend vor dem Dom. Denn wenn man es herunterbricht, geht es bei dem Konzert vor allem um Verständnis zwischen Fremden. Es ist auch ein politisches Konzert, aber vor allem ein Konzert über und mit Liebe.
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Konzerte auf dem Roncalliplatz: Kettcar, Chilly Gonzales und Nick Mason
Zwischendurch macht Bassist Reimer Bustorff immer wieder Witze darüber, dass der Abend unter dem Motto „Weltstars am Dom“ steht. An den nächsten Tagen folgen Chilly Gonzales und Nick Mason's Saucerful of Secrets, die weltweit große Erfolge feiern konnten. Dass eine Indie-Rockband aus Hamburg den Auftakt der Konzert-Reihe auf dem Roncalliplatz macht, scheint dem Bassisten eben dieser Band fremd. Doch für das Publikum sind diese fünf Männer auf der Bühne genau die Stars, auf die sie gewartet haben.
Musiker und Autor Thees Uhlmann macht an diesem Abend den Auftakt. Er ist als Freund der Band und Mitgründer des gemeinsamen Labels Grand Hotel van Cleef Voract. Irgendwie fühlt es sich aber an, wie ein eigenes Konzert. Ganz unprätentiös kommt Uhlmann auf die Bühne. Steht dann mit Akustik-Gitarre vor einem Standmikrofon und singt von Vergangenheit und Zukunft, Leid und Glück, Angst und Zuversicht. Er ist locker, bodenständig, macht Witze und redet mit dem Publikum. Die Zeile „Evangelisch schlecht gelaunt“ vor dem Kölner Dom zu singen, findet er selbst so lustig, dass er kurz innehalten muss.
Voract: Thees Uhlmann schwelgt in Kölner Erinnerungen
Den Bezug zu Köln und dem Dom findet Uhlmann durchgehend. So schwelgt er in Erinnerungen an die Zeit, als er selbst hier gewohnt hat. Er erzählt Anekdoten. Spielt passenderweise „In Köln und dann in meinem Zimmer“ seiner Band Tomte. „Für eine Vorband komme ich ganz gut an“, stellt er selbst fest. Die Zuschauenden singen ausgelassen mit.
Dass er keine Zugabe spielt, sei für ihn als alter Punker Prinzip, erklärt er, was das Publikum widerstrebend akzeptieren muss. Als er von der Bühne geht, zeigt er etwas unbeholfen den Daumen nach oben, bevor er in einem kleinen, untypischen Starmoment, seine Gitarre stolz in die Luft streckt. Später wird er für eine Zugabe mit Kettcar zurückkehren.
Als die fünf Mitglieder von Kettcar dann auf die Bühne kommen, sind sie ähnlich gelassen wie ihr Freund Uhlmann. Ohne große Einleitung lassen sie erstmal die Musik sprechen. Sie sind ein eingespieltes Team. Immerhin musizieren sie seit 23 Jahren zusammen.
Marcus Wiebuschs tiefe, rauchige Stimme kratzt über den Roncalliplatz und versetzt das Publikum in eine wehmütige und zugleich doch hoffnungsvolle Stimmung. Die Akustik ist leider nicht gut. Zwischen Gitarren, Schlagzeug, Bass und Keyboard sind die Texte häufig nicht zu verstehen, aber das Publikum kennt sie ja so oder so alle.
Kettcar vor dem Kölner Dom: „Humanismus ist nicht verhandelbar“
Der Abend fühlt sich nostalgisch an – selbst für jemanden, der Kettcar nicht schon seit 23 Jahren hört. Trotzdem sind die Musik und vor allem die Themen, mit denen sie sich beschäftigt, aktuell. Ihre simple Regel für den Abend: Auf einen Politsong muss ein Liebeslied folgen und darauf ein Politsong. War Köln erst am Wochenende zuvor bunt und laut, um gegen Queerfeindlichkeit zu demonstrieren, singt Kettcar passend dazu „Der Tag wird kommen“, einen Solosong von Wiebusch.
„Es wird der Tag sein, an dem wir die Liebe, die Freiheit und das Leben feiern. Jeder liebt den, den er will und der Rest bleibt still. Ein Tag, als hätte man gewonnen“. Das Publikum bittet er, im Rhythmus die Hände mitzuschwingen, „wenn ihr das mit uns fühlt“. Alle Hände gehen nach oben. Hier auf dem Roncalliplatz ist man sich einig: Es gibt keinen Platz für Hass und Feindseligkeit. „Humanismus ist nicht verhandelbar“, fasst Wiebusch es zusammen.
Ihr neuestes Album „Gute Laune ungerecht verteilt“ ist nicht nur ihr erfolgreichstes, sondern - so sagen sie es selbst - ihr politischstes Album. Eine bewusste Entscheidung. Ihnen sei bewusst, dass sie mit ihrer Musik keine Revolution anfangen werden. „Aber Musik kann Leute zusammenbringen, die das Gleiche fühlen und denken“, sagt Wiebusch, „und das ist ganz schön viel“. Und während sie abwechselnd warme Liebeslieder und wütende, hoffnungsvolle Politsongs spielen, fühlen fremde Menschen das Gleiche.