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StadiontauglichWarum Sam Fender auch ohne große Show die Arenen füllt – und das Kölner Palladium

Lesezeit 3 Minuten
Konzert von Sam Fender im Palladium

Konzert von Sam Fender im Palladium

Trotz berührender Texte klingt der britische Singer-Songwriter alles andere als depri. Unsere Kritik.

Menschen auf der Straße beobachten – was der Nachbarin von gegenüber gerne mal als übertriebene Neugier ausgelegt wird, ist die kreative Inspirationsquelle von Singer-Songwriter Sam Fender. Er singt von den Schicksalen der Anderen, erzählt Geschichten von Liebhabern und von den Beobachtungen im Pub seiner nordbritischen Heimatstadt Nähe Newcastle und macht auch vor sozialkritischen Themen keinen Halt. Was schnell in eine düstere, melancholische Richtung abdriften könnte, ist musikalisch das genaue Gegenteil. 

In seiner englischen Heimat füllt Sam Fender Stadien – in Köln das Palladium

Sam Fender klingt wie der hoffnungsspendende 80er-Jahre-Soundtrack zu einem Roadtrip entlang der amerikanischen Westküste: Fenster runter, Wind in den Haaren, Freiheit. Selbst im ausverkauften Kölner Palladium scheint da die warme Umarmung der Morgensonne spürbar, dank eindringlicher Gitarrenklänge, kraftvoller Saxofon-Soli und dem gewissen Pathos. Das verkörpert der 30-Jährige mit einem Mix aus Indie, Rock und Mundharmonika-untermauertem Folk, ein bisschen auf den Spuren Bruce Springteens. 

Und gemischt ist auch das Publikum: Männer und Frauen, vermehrt um die 30, einige Mittfünfziger, angereist sind selbst Fans aus England. Dort zählt Fender schon seit seinem Debütalbum „Hypersonic Missiles“ (2019) zu den ganz großen Namen. Erst im Februar dieses Jahres gewann er den Brit Award als „Best Alternative/Rock Act“, in Newcastle füllte er bereits zweimal die Arena, im kommenden Sommer soll er vor 75.000 Menschen in London zu sehen sein. 

Streifenlook: Nur eine von vielen Gitarren, mit der Sam Fender seinen Gesang begleitete.

Streifenlook: Nur eine von vielen Gitarren, mit der Sam Fender seinen Gesang begleitete.

Genau danach klingt auch seine Musik: stadiontauglich. Sie ist zum Mitgrölen, -wippen und -hüpfen und sich in den Armen liegen. Da braucht es keine große Show oder Special Effects. Fender – lässig, dunkle Hose, dunkle Jacke – wirkt unaufgeregt. Fürs Anheizen sorgt im Hintergrund Keyboarder und Gitarrist Joe Atkinson, der fast mehr mit dem Publikum interagiert als der Sänger selbst. 

Fender ist dagegen auch mal ganz bei sich, beim Gitarrensolo zu „Crumbling Empire“ („zerfallendes Imperium“) – auch eine dieser tragischen, gesellschaftskritischen Geschichten auf seinem Album – wendet er sich vom Publikum ab und seiner siebenköpfigen Band zu. Das wirkt keinesfalls ablehnend, viel mehr irgendwie authentisch. 

Mehr von dieser persönlichen Seite lernt das Publikum auch in der Videoprojektion zu „Spit of You“ kennen, einer ruhigen Väter-Hymne von seiner zweiten Platte „Seventeen Going Under“.  Tausende bunte Polaroids, Erinnerungen an seine Vergangenheit, fügen sich da zu einem großen Bild von ihm und seinem Vater zusammen. 

Der Titeltrack „People Watching“ wird dagegen von verschwommenen, städtischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen begleitet. Der Hintergrund des Songs ist traurig: Er handelt von einer Person, die „wie eine Ersatzmutter für mich war und letzten November gestorben ist“, schrieb Fender vergangenes Jahr auf Instagram. „Ich war am Ende an ihrer Seite, schlief auf einem Stuhl neben ihr.“ Die Gedanken, die er auf dem Weg zwischen ihr und seinem Zuhause hatte, habe er in dem Text verarbeitet. „Ich hoffe, dass sie, wo auch immer sie jetzt ist, auf uns herabblickt und sagt: ‚about time kid‘“, schreibt er – also: Es wurde auch Zeit. 

Die Stimmung dieses Abends liegt trotzdem fernab von Resignation und Trauer. Lebensbejahend, das trifft den Ton von Sam Fender wohl am besten.