AboAbonnieren

Konzert in KölnWarum Zaho de Sagazan Frankreichs neuer Superstar ist

Lesezeit 5 Minuten
Zaho de Sagazan live bei einem Konzert in der Kantine.

Zaho de Sagazan live bei ihrem Konzert in der Kantine in Köln.

Die 24-Jährige mischt klassische Chansons mit ihrem ganz eigenen Elektrosound und begeistert so ihre Fans.

Das Licht geht an, es blendet die Sängerin am Elektro-Klavier. Eine Schreibtischlampe leuchtet auf die Tasten und Zaho de Sagazan blickt freudig ins Publikum, das sie gar nicht sehen, aber erahnen kann, denn es jubelt ihr bereits frenetisch zu. Und dann legt sie los in der Kölner „Kantine“, viel zu klein für die Größe des folgenden Auftritts. Um die 1000 Menschen sind gekommen, der Saal ist restlos ausverkauft. Das Konzert wurde ohnehin schon vom Club Bahnhof Ehrenfeld hierher verlegt. Die Menge erlebt eine französische Sängerin und tanzverliebte Frau, der es spielend gelingt, mit Charme und Leichtigkeit, mit einnehmender Stimme, mit ihrer famosen Ausstrahlung und ihrer ansteckenden Lebenslust diesen Raum zu erobern und die Menschen darin zum Tanzen aufzufordern, egal wie. Denn: „Euch sieht eh keiner.“

Zaho Mélusine Le Moinès de Sagazan verfügt nicht nur über einen märchenhaften Namen, sondern auch über ein großes Potenzial, das sie in ihren Auftritten mit Grandezza ausschöpft. So routiniert und selbstverständlich tritt sie auf, dass staunend ihr Geburtsjahr registriert wird. Es ist aber tatsächlich 1999. Am 28. Dezember wird sie 25 Jahre jung. Zaho de Sagazan stammt aus Saint-Nazaire an der Loire-Mündung, 50 Kilometer westlich von Nantes. Diese erstaunliche Sängerin und einstige Altenpflegerin ist die Tochter eines Malers und Bildhauers sowie einer Lehrerin, Zaho und ihre vier Schwestern wurden offen erzogen. „Drückt euch aus“, hätten ihre Eltern stets gefordert: „Ich habe deshalb keine Barrieren im Kopf.“

Die junge Künstlerin ist voller Energie, sie liebt elektronische Musik, verehrt die deutsche Band Kraftwerk und ist auf der Bühne selbst eines, dessen Energie einen Saal auflädt. Frankreich hat sich verknallt in diese junge blonde Frau mit dem großen Charisma. Dort erschien ihr Gesicht auf den Titelseiten der wichtigsten Magazine, sie begeisterte bei den nationalen Festivals, sie trat bei den Filmfestspielen in Cannes auf und war der erste Akt bei der Schlussfeier der Olympischen Spiele von Paris. Ihre aktuelle Tournee führt sie auch ins Ausland, sie ist ausverkauft. Nach Köln gastierte sie in Berlin, in Amsterdam und am Montagabend in London.

Tanzen ist ihre große Leidenschaft

Zudem gewann Zaho das französische Grammy-Pendant „Victoire de la Musique“ für ihr Debütalbum „La Symphonie des Éclairs“, die Symphonie der Blitze, das es bis auf Rang drei der nationalen Charts schaffte. Die Blitzsymphonie ist ein brillanter Song, eindringliche Musik, schöner Text, beides stammt von ihr, es ist ihr bisher größter Hit. Er handelt von der Hypersensibilität, die auch das Leben der Künstlerin prägt.

Normalerweise dauert diese Symphonie um die vier Minuten, in Köln zieht Zaho sie auf 6:35 Minuten, das textsichere Publikum singt lautstark mit. Zaho genießt diesen Moment, springt hinunter von der Bühne, dem Publikum entgegen. Und singt weiter von den Blitzen, die sie nicht störten, wenn sie ein Vogel wäre. Sie würde in einem solchen Fall sogar bewusst unter den Wolken in der Luft tanzen.

Überhaupt Tanzen. Ihre große Leidenschaft. Auf der Kölner Bühne lebt sie diesen Bewegungsdrang sehr offensiv aus, sie ruft: „Tanzt. Seid glücklich. Macht, was ihr wollt.“ Und knallt dann rhythmische Elektro-Hymnen in den Saal. Bisher sei sie noch nie verliebt gewesen, sagt Zaho, was verrückt sei, weil viele ihrer Lieder, ihre Gedanken und Vorstellungen immer wieder um die Liebe kreisten. „Ich warte noch darauf, dass ich mich verliebe, vielleicht in einen Mann, vielleicht in eine Frau“, sagt sie. Und trägt dann den Song „Dis-moi que tu m’aimes“ mit ungekünsteltem Pathos vor, sag mir, dass du mich liebst, singt sie sehnsüchtig im Stakkato zum Klang des Klaviers.

Eine Liebe aber habe sie schon, zu der sie auch offensiv stehe – sie gilt eben jenem Instrument, „dem Klavier. Das hat mein Leben verändert.“ Früher habe sie oft geweint, „in mein Kissen, vielleicht war ich einfach hypersensibel“. Das Klavier aber habe dafür gesorgt, dass sie diese Gefühlsregung in den Griff bekam: „Immer Klavier, ewige Liebe“, sagt sie.

Zaho de Sagazan mag es, T-Shirts mit Kraftwerk-Aufdruck zu tragen. Die Elektromusik, für die Kraftwerkt steht, liebt sie sogar. Vor zwei Jahren hat sie ein Konzert der Band in Paris besucht: „Es war das beste meines Lebens“. Sie vermischt resolut klassische Chansons mit diesem Elektrosound, „eigentlich sehr gegensätzliche Dinge. Aber für mich sind beide stärker, wenn man sie miteinander verbindet“. Ihre „Symphonie des Éclairs“ hat sie inzwischen überarbeitet, erweitert um einen Elektronik-Teil, Begründung: „Mir waren auf dem Album zu wenige Blitze.“ Die neue Version wird bald zu hören sein.

Im Raum bleibt ein „Wow“ kleben

Auf ihrem Konzert in Köln fliegen die Blitze geballt durch die Luft. Ihre dreiköpfige Männerband, alle schwarz gewandet, gibt alles, um es im verdunkelten Saal funkeln zu lassen. Einer der Drei hat zwei rechteckige Synthesizer-Kästen hinter seinem Elektro-Klavier platziert. Darauf drückt er laufend Knöpfe und steckt Kabel um, die vielen Leuchtlämpchen in den Kästen blinken. Effekt oder effektiv? Die Musik jedenfalls hat eine Wirkung, jetzt beginnt eine Techno-Party.

Denn nach etwas mehr als einer Stunde steuern Zaho und Band dem Höhepunkt des Kölner Abends entgegen: „Ne te regarde pas“ ertönt, sieh dich nicht an. Normalerweise dauert der Song um die drei Minuten, hier aber dehnt Zaho de Sagazan ihn auf fast zehn Minuten – und entschwindet in entrückte Tanzsphären. Diesmal springt sie mitten hinein ins Publikum, mit dem sie tanzt. „Ne te regarde pas“ klappt ganz gut, denn jetzt sind alle Augen auf sie gerichtet.

Danach folgen noch zwei weitere Tanznummern, diesmal auf der Bühne: „99 Luftballons“ von Nena, eine weitere Heavy-Tanznummer und eine Reminiszenz an ihre Zeit in Deutschland. Dort lebte sie einige Monate in Berlin. Zum Abschluss zelebriert sie „Modern Love“ in einer formidablen Zaho-Version, ein Song von David Bowie, der ebenfalls einst in Berlin lebte. Danach ist die Bühne verwaist, aber im Raum bleibt ein „Wow“ kleben. Und kopfschüttelnde Begeisterung.


Am 19. März 2025 kommt Zaho de Sagazan erneut nach Köln, dann tritt sie im Palladium auf. Tickets kosten 50,35 Euro.