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Lauryn Hill und Fugees in der ArenaMieser Sound in Köln ruiniert Comeback

Lesezeit 5 Minuten
Lauryn Hills Outfit brachte die Soul-Queen zum Schwitzen: In Köln trat sie am Mittwoch (16. Oktober) mit Wyclef Jean und ihren Söhnen auf.

Lauryn Hills Outfit brachte die Soul-Queen zum Schwitzen: In Köln trat sie am Mittwoch (16. Oktober) mit Wyclef Jean und ihren Söhnen auf.

Lauryn Hill und The Fugees traten am Mittwoch in der Arena auf. Warum die Queen des Souls noch immer eine starke Aura versprüht und Wyclef Jean der bessere Entertainer ist.

Lauryn Hill stolziert auf bestimmt 15 Zentimeter hohen Plateau-Schuhen auf die Bühne, ein Bandmitglied begleitet die Grand Dame des Souls und R’n’B und hält einen übergroßen Schirm über sie. Es ist 21.18 Uhr und die 49-Jährige ist schon da. Für ihre Verhältnisse ist der Start pünktlich, ihre englischen Fans hat sie Tage zuvor in London deutlich länger warten lassen – erbost über ihre Allüren füllen sie nun die Kommentarspalten auf Social Media.

Absagen, verschieben, zu spät kommen – Hill ist für ihre verzögerten Konzertbeginne und ihr „No-Show“-Verhalten berüchtigt. Bei ihrem Konzert 2019 am Tanzbrunnen, wo eine strenge Zeitpolitik herrscht, konnte sie nur knapp eine Stunde spielen: Man hatte schon eine Ausnahme gemacht und sie bis halb 11 gewähren lassen. Dann war Schluss und die Fans mussten ohne Zugabe nach Hause.

Vor Konzert in Köln: The Fugees und Lauryn Hill zwischen Streit, Klagen und Tour-Absagen

Nun also die Arena, Jahre später und mit dem Versprechen der Fugees-Reunion. Die Fans mussten jedoch wieder bangen: Die Fugees sagten zwei Tage vor Start ihre Amerika-Termine ab, Hill gab die Schuld den nach Klicks gierenden Medien, die an geringen Ticketverkäufen Schuld seien. Dann entbrannte ein öffentlicher Zwist zwischen den Mitgliedern.

Der wegen Geldwäsche schuldig gesprochene Pras Michel, der auf Tour nicht dabei ist, reichte kürzlich Klage gegen Lauryn Hill ein und bezichtigte sie des Betrugs: Sie solle ihre letzte Tour schlecht gemanagt und dadurch den beiden Band-Kollegen geschadet haben, Tour-Einnahmen seien im großen Stil in die eigene Tasche gewandert.

Hill ließ sich mit großem Schirm auf die Bühne begleiten.

Hill ließ sich mit großem Schirm auf die Bühne begleiten.

Hill habe die Ober-Diva heraushängen lassen, als sie einen Auftritt der Fugees beim diesjährigen Coachella-Festival absagte. Der Grund: Die Fugees seien im Line-Up unterhalb der Band No Doubt um Sängerin Gwen Stefani aufgelistet worden. Berechtigter Zorn oder narzisstische Kränkung? In der Arena, die mit rund 9000 Fans bei weitem nicht ausverkauft war, beweist die 1975 in New Jersey geborene Sängerin jedoch, dass sie präsent ist. Der Glanz und die Aura sind da.

Das mag auch an ihrem kuriosen und pompösen Outfit liegen, unter dem sie ordentlich schwitzt, das schwarze Stofftaschentuch stets parat: weiße Bluse, schwarze Weste, schwarze-Lederkrawatte, eine Lederjacke mit (Kunst-?)Pelz überzogen und ein Hut: Man fragt sich durchweg, wann sie bei den milden Temperaturen am Mittwoch diese schwere Jacke endlich abstreifen wird. Doch sie tut es nicht, sondern gönnt sich zwischendurch Gesangs- und Rappausen und schickt ihre beiden Söhne Zion Marley sowie YG Marley für die Raggae-Sprengsel der Show vor.

Köln: Söhne von Lauryn Hill spielen Reggae-Songs

Beide sind Enkel des legendären Reggae-Musikers Bob Marley. Zion ist mit einer vollen Gesangsstimme gesegnet, wirkt aber etwas weggetreten, während der Performance öffnet er kaum die Augen. YG Marley weiß, was gut ankommt und präsentiert sich mit FC-Schal. Die stolze Mutter feuert das Publikum an, und bittet um Applaus für ihre Sprösslinge. Für den ihr gewidmeten Applaus hat sie jedoch einen persönlichen Stimmungsmacher dabei: ihren Co-Rapper und Master of Ceremonies. Hill gibt sich als unnahbare Künstlerin, einen Dialog zum Publikum sucht sie kaum, vielmehr baut sie das „Cologne“ in ihre Songtexte ein: „Cologne, you better watch out“ oder gleich zu Beginn in „Everything is Everything“ heißt es: „I wrote these words for Cologne“.

Ihre Stimme ist immer noch schön und intensiv. Zum Unmut der Fans und wohl auch zu ihrem eigenen Ärgernis wird der Sound der mehrfachen Grammy-Gewinnerin nicht gerecht: Die vielköpfige Band kann nicht brillieren, die Instrumente wie Keyboard, E-Gitarre oder Bass, sind einzeln nicht zu vernehmen: Es herrscht ein laut dröhnender Soundsturm, der sich unglücklich über ihre Stimme legt. Und auch diese dröhnt, sodass es in den Ohren schmerzt: Einen Hehl macht sie aus ihrer Unzufriedenheit nicht, denn sie gestikuliert regelmäßig in Richtung des Technikmanns, der das Problem jedoch nicht beheben kann.

Es fehlen die leisen Töne, die Nuancen, die bei den in Schmerz getränkten und souligen Songs aus ihrem preisgekrönten Solo-Album „The Miseducation of Lauryn Hill“ aus dem Jahr 1998 nötig wären. Die seltenen Momente, in denen kaum ein Instrument zu hören ist, sondern nur ihre Stimme, lassen das Publikum kurz aufatmen.

Köln: Wyclef Jean und Lauryn Hill gemeinsam als The Fugees

Nach etwa einer Stunde und zwanzig Minuten darf dann auch Wyclef Jean die Bühne betreten - den Medien-Fotografen war angeordnet worden, nur in den ersten 15 Minuten der Show zu fotografieren. Sollte der zweite Star der Fugees ihr etwa nicht die Show stehlen? Denn der 55-Jährige hat seinen Beruf noch richtig drauf und ist in jedem Fall der bessere Entertainer, das Publikum feiert seinen Medley aus Santanas „Maria Maria“ und „Guantanamera“. Und Partystimmung kommt auf, als dann die Fugees-Hits endlich kommen: „Fu-Gee-La“, „Ready or Not“ und das Cover „Killing Me Softly“: an diesem Abend wohl eher ein „Killing me loudly“.

Diese Songs aus dem Album „The Score“ haben Hip-Hop-Geschichte geschrieben. Das muss man erstmal schaffen, mit zwei Alben über Jahrzehnte so erfolgreich zu sein, dass nicht mehr viel hinterherkommen muss. Lauryn Hill bekam fünf Kinder, ging wohl durch dunkle Zeiten, so genau weiß man es nicht, engagierte sich sozial, wanderte vor über zehn Jahren wegen Steuerhinterziehung drei Monate ins Gefängnis. Auf der Bühne zehrt sie von ihren einstigen musikalischen Großtaten.

Genau die wollen die Fans von ihr hören, doch sie verpasst ihren Hits wie „Ex-Factor“ an diesem Abend eine andere Tonart, versucht, sie auf andere Art zu performen. Die Abschieds-Umarmung zwischen ihr und Jean, mit dem sie zu Bandzeiten Mitte der Neunziger eine Beziehung führte, wirkt vor dem Hintergrund der Streitereien nicht authentisch. Doch die partielle Reunion ist allen Widrigkeiten zum Trotz in Europa zumindest kurzzeitig geglückt.