Für die Ostertage bietet die ARD Binge-Material. Der Krimi bedient sich dabei am alten Muster der ermordeten, verstümmelten Frau.
Simon Becketts „Die Chemie des Todes“ in der ARDNackte Frauenleiche muss für Spannung herhalten
„Innerhalb von vier Minuten nach dem Tod, beginnt sich der menschliche Körper zu zersetzen“, lehrt uns der Forensiker David Hunter. Und es dauert keine zwei Minuten, bis eine Frauenleiche zu sehen ist. Womit wir schon bei der größten Stärke und der größten Schwäche der Thriller-Serie „Die Chemie des Todes“ sind, die nun im Ersten erscheint.
ARD: Das kann Simon Becketts „Die Chemie des Todes“
Was die Verfilmung des beliebten Romans von Simon Beckett von anderen Krimiserien absetzt, ist der Einblick in die Forensik. Wie einst der charmante Dexter Morgan Mordfälle anhand von Blutspritzern knackte, liest die Hauptfigur David Hunter den Tatort wie ein Buch, indem er die Verwesung der Leiche analysiert.
In verstörendem Detail erklärt der forensische Anthropologe im Off, wie sich der menschliche Körper zersetzt, sich selbst verdaut und das Gewebe sich in Flüssigkeit verwandelt. Hunter hat mit bösen Geistern „aus einem anderen Leben zu kämpfen“ und versucht verzweifelt, die Welt auf Distanz zu halten. Letztendlich hilft er mit, den grausamen Mordfall aufzuklären, weil er der Dorfgemeinschaft helfen möchte, über die Tragödie hinwegzukommen.
Schauspieler Harry Treadaway wirkt dabei hölzern. Starke Unterstützung erhält er von Jenny Krause, die von der Kölnerin Jeanne Goursaud gespielt wird. Während Dexter im farbenfrohen Miami arbeitete, finden wir Hunter in einem bedrückenden Dorf an der englischen Ostküste – ein Setting, das für eine stimmungsvolle Inszenierung sorgt.
Wunderbare Drohnenaufnahmen schottischer Insellandschaften
Die britisch-deutsche Koproduktion war eine der ersten Serien, die Paramount mit dem eigenen Streaming-Dienst Anfang 2023 nach Deutschland brachte. Nun gibt es die Free-TV-Premiere im Ersten an drei Osterabenden mit je zwei Folgen. Die aufgeteilte Ausstrahlung lässt die Wendungen der Handlung zur vollen Wirkung kommen, wobei sich die Serie auch als solides Binge-Material eignet.
In den ersten drei Episoden gibt es eine Wendung, die kaum vorhersehbar ist. Danach fragt man sich aber schon, wohin die verbleibenden Folgen noch führen sollen, denn die Ermittlungen scheinen abgeschlossen zu sein. Immerhin gibt uns der Ortswechsel wunderbare Drohnenaufnahmen von schottischen Insellandschaften.
„True Detective“ lässt grüßen
Nun zur Schwäche: Die Serie greift zu oft auf filmische Klischees zurück, allen voran das der „ermordeten, verstümmelten Frau“. Eine junge Frau wird entführt, gefesselt und geknebelt. Sie schreit vor Angst und fleht um Gnade. Ihre nackte Leiche wird grotesk arrangiert, als handele es sich um eine Plastikpuppe. „True Detective“ lässt grüßen.
Die Leiche wird uns gleich mehrfach zur Schau gestellt: im düsteren Wald, im Obduktionskeller und auf Polizeiaufnahmen. Der Anblick der Leiche soll nicht nur die zwei Jungs, die sie in der ersten Szene finden, in Unruhe versetzen.
Wenn man im Krimi nicht weiter weiß, tötet man Frauen – möglichst brutal – und präsentiert ihre Leiche – möglichst nackt. Natürlich braucht ein Detektiv einen Mordfall, den wir mit ihm lösen können. Doch extreme Gewalt an Frauen ist im Genre ein überbeanspruchtes Mittel, um von der Grausamkeit eines Mörders zu erzählen.
Das Erste zeigt jeweils zwei Episoden von „Die Chemie des Todes“ am 28., 31. März und 1. April um 21.45 Uhr. In der ARD Mediathek sind die Serie ab dem 28. März zu sehen.