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Maischberger-KritikModerator Beisenherz teilt gegen E-Scooter in Köln aus

Lesezeit 6 Minuten
Beisenherz

TV-Moderator Micky Beisenherz.

Köln – Bei „Maischberger“ gibt es seit der Umstrukturierung der Talk-Show in der vergangenen Woche ein Debatten-Format. In der zweiten Ausgabe präsentiert Sandra Maischberger zwei Persönlichkeiten, die schon im Vorfeld Brisanz versprechen. AfD-Parteigründer Bernd Lucke trifft auf „Monitor“-Journalist Georg Restle, debattiert wird über Meinungsfreiheit und die Ausschreitungen bei Luckes geplanten Vorlesungen an der Universität Hamburg.

Außerdem reden Moderator Micky Beisenherz, der stellvertretende „Bild“-Chefredakteur Nikolaus Blome und Ferdos Forudastan, Innenpolitikchefin bei der „Süddeutschen Zeitung“, über die wichtigen Themen der Woche. Der britische Politikwissenschaftler Anthony Glees darf ins Abschlussgespräch zum Thema Brexit, der wie ein dicker Nebel über der deutschen Talkshow-Landschaft zu hängen scheint.

Die Themen der Woche

Erstes Thema: Die Halbzeitbilanz der Großen Koalition. Forudastan stellt beiden Parteien ein gar nicht so schlechtes Zeugnis aus: „Sie stehen besser da, als viele denken, weil sie ihre Erfolge nicht vernünftig in die Öffentlichkeit transportieren. Und weil sie zu sehr mit sich selber beschäftigt sind. Nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die CDU.“

Micky Beisenherz, der in der Debatte für markige Sprüche und Lacher aus dem Publikum sorgt, verteidigt Angela Merkel: „Sie hat es durch die Installation von AKK geschafft, dass man sie schon während ihrer Amtszeit vermisst.“ Blome hat keine schöne Worte für die Kanzlerin übrig: „Man vermisst sie, weil man nicht weiß, dass sie noch da ist. [...] Diese Politik ist im Moment eigentlich die falsche. Die Große Koalition wickelt ihren Koalitionsvertrag ab, aber der passt nicht mehr in diese Zeit.“

Auch Außenminister Heiko Maas kommt nicht gut weg. Blome: „Ich würde jetzt am liebsten eine Kaffeetasse hochhalten und in eine Kamera gucken. Maas ist für mich bisher eine Oberfläche, mehr nicht. Ein Politiker muss sich auch in den sozialen Medien darstellen, aber er muss auch Politik machen.“ Auch Forudastan legt nochmal nach: „Heiko Maas ist Politiker. Was er da in den sozialen Netzwerken macht, ist einfach nur Werbung und das darf nicht sein.“

Die Journalistin prophezeit derweil schon den Rücktritt von Verkehrsminister Andreas Scheuer: „Er hat bisher nicht nur kaum Erfolge vorzuweisen, sondern auch ein dickes Problem mit der Maut. Die Bilanz ist ganz düster.“ Beisenherz schlägt in die gleiche Kerbe: „Alleine für die Nummer mit den E-Scootern gehört er schon entlassen. Ich war ja heute in der Kölner Innenstadt unterwegs und kann von Glück sagen, dass ich es hierher geschafft habe und nicht überfahren wurde.“ Blome schafft es auch nicht, den CSU-Politiker zu verteidigen: „Wer eine 500-Millionen-Schramme in die Bilanz seines Unternehmens, in diesem Fall der Bundesregierung, legt, sollte wirklich über den Verbleib in seinem Amt nachdenken.“

Die Debatte

Anschließend steigen der ehemalige AfD-Parteichef Lucke und der Monitor-Journalist Restle wie zwei Schwergewichtsboxer in Maischbergers Ring. Sie duellieren sich rhetorisch einwandfrei und auf hohem Niveau, was die Diskussion spannend macht. Dabei läuft sie auch nicht Gefahr, in den Populismus abzudriften. Vor allem wegen Restle, der scharf analysiert und aufpasst, dass Lucke nicht ungestraft falsche Fakten präsentieren darf.

Lucke Restle

Bernd Lucke (r.) und Georg Restle im Gespräch.

Der ehemalige AfD-Parteichef Lucke wird natürlich auf seine abgebrochene Vorlesung angesprochen und suhlt sich schon zu Beginn in der Opfer-Rolle, die im Populismus so beliebt ist. „Leider ist meine Vorlesung wieder gesprengt worden. Diesmal von Gewalttätigen, die die Sicherheitskräfte überrannt und teilweise verletzt haben“, beschwert sich Lucke, bevor er auf seine Parteivergangenheit zu sprechen kommt: „Als ich als AfD-Vorsitzender abgewählt wurde, habe ich die Partei auch verlassen, weil ich diesen Kurs nicht mitgehen wollte. Es sollte klar sein, dass ich diese Partei auch nicht mehr wähle."

So einfach lässt Restle nicht abwimmeln, stellt Luckes Vergangenheit in den Fokus: „In Deutschland gilt die Meinungsfreiheit, auch für Herrn Lucke. Deswegen darf er in Deutschland auch weiter lehren. Ich kann verstehen, dass es Aufruhr gibt. Aber Herr Lucke macht es sich auch etwas zu einfach. Er hat den Weg für eine Partei bereitet, die den Rechtsextremismus wieder hoffähig gemacht hat. Er redet seine Rolle selbst klein. Ein Björn Höcke war auch damals schon Landesvorsitzender in Thüringen und hat gemeinsam mit Herrn Lucke die Wahlergebnisse gefeiert.“

Gleichzeitig verurteilt Restle die Ausschreitungen in Hamburg: „Gewalt bei solchen Protesten geht nicht. Aber ich bin verwundert, dass Herr Lucke über die Proteste überrascht ist.“ Lucke ist empört. „Das war keine Meinungsäußerung, über die man diskutieren könnte, wenn man mich als Nazi-Schwein bezeichnet.“

Lucke bestreitet eigene Aussagen

Anschließend flüchtet sich der ehemalige AfD-Vorsitzende in exakt die Rhetorik, die auch bei den jetzigen Parteivorsitzenden immer wieder Empörung hervorruft, Er bestreitet seine Aussagen von vor einigen Jahren: „Ich habe nicht gesagt, dass Flüchtlinge der Bodensatz der Gesellschaft sind. Ich habe gesagt, dass wir darauf achten müssen, dass Zuwanderer auf dem Arbeitsmarkt unterkommen.“ Maischberger erinnert nochmal daran, dass Zuschauer der Sendung im Faktencheck zur Sendung nachprüfen können, welche Aussagen der Wahrheit entsprechen. Ein bezeichnender Eingriff der Moderatorin, die Lucke und Restle sonst freie Hand lässt, was der Diskussion gut tut.

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Restle dagegen ist etwas forscher, enttarnt Luckes Rhetorik sofort: „Ich unterstelle Ihnen als Hochschulprofessor ganz genau, dass sie wissen, was es bedeutet, wenn sie Begriffe wie entartete Demokratie verwenden. Sie machen genau das, was die AfD auch noch heute macht. Sie provozieren. Die Demokratie als entartet zu bezeichnen, das geht nicht in diesem Land.“ Auch darauf hat Lucke eine Antwort, bestreitet erneut eine von ihm getätigte Aussage: „Ich lasse mich gerne an meinen Worten messen, erwarte aber von einem Journalisten, der Sprachkompetenz besitzt, korrekt zitiert zu werden. Ich habe von einem entarteten Parlamentarismus, nicht von einer entarteten Demokratie gesprochen.“

Die Debatte wird in der Folge immer hitziger, vor allem weil Lucke sich in die Behauptung flüchtet, die Meinungsfreiheit in Deutschland sei arg beschnitten. „Herr Lucke, Sie haben den Populismus immer noch ganz gut drauf. Wer allen ernstes behauptet, die Meinungsfreiheit sei in Gefahr, weil es eine Meinungsherrschaft gibt, der weiß nicht, in welchem Land er lebt. Die Kritik von rechtsaußen daran hat nur ein Ziel: die Institutionen unserer Demokratie sturmreif zu schießen“, poltert Restle.

Lucke wirft Restle dagegen vor, aufgrund seiner Position die Situation nicht beurteilen zu können: „Sie stehen politisch Mitte links und haben es einfach nicht erlebt, wie auf politische Meinungen reagiert wird. Viele Menschen, die politisch anders denken als Sie, sind befangen, weil man als moralischer Bösewicht gilt, wenn man Ihre politischen Positionen angreift. Man kann über Moral nicht mehr reden, weil sie politisch feststeht.“

Das Einzelgespräch

Anthony Clees dagegen darf zum Abschluss nochmal poltern, schießt sich auf Boris Johnson und die britische Politik ein. „Hat Vater Johnson nicht gesagt, Boris ist ein anständiger Kerl?“, fragt Maischberger. Clees antwortet: „Ja, aber der Vater ist ein Spinner genau wie Boris Johnson.“

Anschließend beschreibt er die schwierige Position der Queen, die Johnson wie einen „unanständigen Sohn“ anschaut. „Wenn sie in die Ferne guckt, sieht sie die Auflösung des Vereinigten Königreich.“

Das Fazit

Unterhaltsam war der zweite Versuch im neuen Format definitiv. Weil Beisenherz mit seinen Sprüchen die Debatte auflockerte, weil Lucke und Restle ein Duell auf hohem Niveau führten und weil Clees zum Abschluss ein paar knackige Statements setzte.

Maischberger selbst musste wenig eingreifen, ihre Gäste zwischenzeitlich nur zu ein wenig knapperen Antworten ermahnen. Mehr hätte sie sich nicht wünschen können.