Die wichtigsten Hintergründe und Antworten zum geplanten Verkauf der Skulptur „Capricorne“ aus dem Max-Ernst-Museum Brühl.
Kunst als kulturelles KapitalAus diesen Gründen will die Deutsche Bank ihre Brühler Leihgabe versilbern
Letzte Woche schreckte die Deutsche Bank das Max-Ernst-Museum in Brühl mit der Nachricht auf, den Leihvertrag über die Skulptur „Capricorne“ von Max Ernst kündigen zu wollen. Das Brühler Museum droht dadurch im September eines seiner Hauptattraktionen zu verlieren, die Aussicht, das Werk selbst erwerben können, sind bei einem kolportierten Kaufbetrag von 20 Millionen Euro eher vage. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum geplanten Geschäft.
Warum will die Deutsche Bank, die derzeit wieder Milliardengewinne erwirtschaftet, überhaupt eines ihrer Kunstwerke veräußern?
Die Deutsche Bank besitzt mit rund 55.000 Werken eine der größten privaten Kunstsammlungen weltweit. Im Herbst 2020 kündigte sie an, rund 200 Werke, die nicht zum Sammlungsschwerpunkt, zeitgenössische Fotografien und Papierarbeiten, passen, in den Auktionshandel geben zu wollen. Diese Offenheit war neu, in vorherigen Jahren hatte die Bank immer wieder eigene Werke verkauft (darunter ein Triptychon von Gerhard Richter), ohne dies publik zu machen. Mit den Erlösen will die Deutsche Bank vor allem neue Ankäufe sowie Projekte wie den Preis „Artist of the Year“ für junge Künstler finanzieren. Auch „Capricorne“ sollte dem Vernehmen nach bereits vor einigen Jahren verkauft werden. Allerdings rückte die Bank damals von diesem Ansinnen wieder ab.
An Geld mangelt es Banken nie, bis sie überraschend Insolvenz anmelden
Braucht die Deutsche Bank das Geld aus den Kunstverkäufen?
An Geld, sollte man meinen, mangelt es Banken nie (bis sie überraschend Insolvenz anmelden). Die Deutsche Bank schweigt sich darüber aus, wie hoch ihre Kunsterlöse sind und wie viel davon in die hauseigene Kunstsammlung zurückfließt; in ihrer gewaltigen Bilanzsumme dürften dies allerdings nur die sprichwörtlichen Erdnüsse sein. Man darf allerdings vermuten, dass die Deutsche Bank nach der weltweiten Bankenkrise 2008 den Rotstift an viele Ausgaben gesetzt hat und sich die Kunstsammlung heute vermehrt aus eigenen Erträgen finanzieren muss.
Warum sammelt die Deutsche Bank überhaupt Kunst?
Der Löwenanteil der Sammlung dient der Verschönerung von Angestelltenbüros und Bankfilialen; auch „Capricorne“ stand zunächst im Innenhof der Düsseldorfer Filiale an der Königsallee. Der kleinere Teil ist für Ausstellungen reserviert oder wird dauerhaft an Museen verliehen. Generell gehören Kunstwerke für die Deutsche Bank zum kulturellen Kapital, mit dem sie ihr öffentliches Image pflegt und sich Kunden gegenüber als Teil der Kulturelite präsentiert. Durch den gezielten Ankauf junger Kunst will die Deutsche Bank zudem als innovativ gelten.
Warum kündigt die Deutsche Bank den Leihvertrag mit Brühl, während sie langfristig das Frankfurter Städel-Museum unterstützt?
Im Jahr 2008 überließ die Deutsche Bank dem Frankfurter Städel-Museum 600 Arbeiten zeitgenössischer Künstler, darunter etliche Stars der Kunstwelt. Erst 2022 wurde die Kooperation mit dem Städel um fünf Jahre verlängert – die Investition in Kultur scheint sich für die Deutsche Bank in diesem Fall zu lohnen. Im Gegensatz dazu warf das Leihgeschäft mit dem Max-Ernst-Museum offenbar zu geringe Zinsen ab. Der Werbeeffekt für die Bank war überschaubar.
Wie geht es weiter?
Nächste Woche treffen sich Vertreter der Deutschen Bank mit Jürgen Wilhelm, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Max Ernst. Wilhelm will versuchen, den Kaufpreis mithilfe befreundeter Kunststiftungen zusammenzutragen. Sollte ihm dies gelingen, wäre „Capricorne“ eine der teuersten Anschaffungen eines deutschen Museums überhaupt.