Kunst in KölnWarhol für sechs Euro zur Zwischenmiete
- Kunst für Zuhause, das kann jeder und ist gar nicht nicht teuer.
- Die Artothek in Köln sticht heraus: Untergebracht ist sie in einem spätgotischen Bürgerhaus in der Innenstadt.
Richter, Warhol, Lichtenstein. Sie sind alle zu haben. Natürlich, weil es Menschen gibt, die sie kaufen können. Man kann die Bilder aber auch gegen sechs Euro einpacken lassen, unter den Arm klemmen und mit nach Hause nehmen. Für zehn Wochen, zum Beispiel. Kann jeder. Es gibt tatsächlich keinen Haken, denn genauso war es gedacht, als die ersten Artotheken gegründet wurden: Kunst, sie möge für alle sein.
So entstanden Artotheken
Kunstleihe, das klingt heute in Zeiten der Share-Economy wie eine dieser neuen freundlichen Start-up-Ideen. Der anti-elitäre Vorstoß datiert aber aus dem 19. Jahrhundert. Wirklich Bewegung in die deutsche Demokratisierung der Kunst – so lautete anfänglich die Parole – brachte Ende der 60er Jahre die Gründung der Berliner Graphothek, die sich vor allem an ausländischen Institutionen orientierte. 1973 folgte die Artothek in Köln. Heute gibt es in der Bundesrepublik rund 130, wobei ständig Schließungen wie Neugründungen zu verzeichnen sind. Letztere überwögen allerdings, sagt Johannes Stahl, Vorsitzender des Arthothekverbands Deutschland.
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Artothek in Köln sticht heraus
Der Kunsthistoriker bezeichnet die Artotheken liebevoll als „sehr eigentümliche Pflänzchen“, weil sie in völlig unterschiedlichen Ausprägungen vorzufinden sind. „Mal sind es Künstlerinitiativen, mal Bibliotheken, mal Museen, die eine Sammlung zum Verleih anbieten“, erzählt er. Winzige und große, mit weltberühmten Künstlern oder Lokalgrößen, wobei die Artothek in Köln in der Tat heraus sticht: Untergebracht ist sie in einem spätgotischen Bürgerhaus in der Innenstadt und dient auch als Ausstellungsraum vor allem für zeitgenössische Künstler, darunter viele Kölner. „Die umfangreiche Sammlung ersetzt der Stadt Köln letztlich eine kommunale Galerie“, sagt Stahl.
Kunst, die in Amtsstuben abhängt
Das sei als politisches Argument bei einer Neugründung nicht zu unterschätzen: Viele Städte hätten Kunst gesammelt, die in Amtsstuben abhängen oder in Depots verwahrt würde, sprich: Es gibt ungesehenes Volksvermögen, das über eine Kunstleihe pflichtgemäß für das breite Publikum zugänglich gemacht werden kann.
Zusammenleben mit Bildern
Stahl jedoch hält einen anderen Aspekt der Kunstleihe für besonders zeitgemäß: „Heute werden so viele Bilder in ungeheurer Geschwindigkeit wahrgenommen. Dabei braucht es Zeit, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.“ Die sei häufig nur den Profis im Kunstbetrieb vorbehalten. „Wer aber mit einem Bild zumindest wochenlang zusammenleben kann, der baut eine andere Beziehung auf als bei einer Druckbetankung per Audioguide in einem Museum.“ Er trifft das Bild im Alltag an, in wechselnden Stimmungen, kann ihm immer wieder Aufmerksamkeit schenken. Die Ausleihe als Insel in der tosenden Bilderflut.
Persönlich und spontan
Besonders reizvoll ist der Entscheidungsprozess, der eben von interessierten Laien ausgeht, die unbeobachtet, persönlich und spontan auswählen. „Nach einigen Jahren werden sie wählerischer, suchen auch nach Bildern, die ihnen Rätsel aufgeben“, sagt Stahl, was für ihn der Beweis einer intensiven Annäherung ist, die allen zu Gute kommt. Künstler werden jenseits von Marktkennziffern entdeckt, erhalten Rückmeldungen auch von anderen als nur von Kritikern, Sammlern oder Künstlern.
Von Schliessungen bedroht
Viele Artotheken sind kleine Einheiten, müssen mit wenig Geld auskommen und leben häufig von ehrenamtlichem Engagement. Umso bedauernswerter ist es für Stahl, dass Artotheken aus Sparzwängen geschlossen werden, wie jetzt in Erftstadt. „Der Betrieb einer Artothek ist eine Frage des politischen Willens“, sagt er und bezweifelt, dass Schließung und Verkauf Geld in die Kassen brächten. Im Gegenteil weiß er von Versteigerungen zu berichten, die bitter waren „vor allem für die Künstler, deren Werke für’n Appel und Ei weggingen.“
Tolle Angebote der Artotheken
Das Angebot der Artotheken ist weitgehend unbekannt. „Aber sollten Artotheken das Rennen mit anderen Kulturanbietern aufnehmen, wo ohnehin unsere Wahrnehmung andauernd bewirtschaftet wird?“, fragt sich Stahl. Es sei schließlich keine studienmäßige, sondern eine lässige Art der Kunstannäherung. Fast so wie Radiohören. „Wer über eine Zeit lang jeden morgen dasselbe Lied hören, der kennt es irgendwann ganz genau.“