Kunstsalon-Theaterpreis in KölnHauptpreis geht an Installation zur NS-Vergangenheit
Köln – In der Tanzfaktur wurde am Freitagabend zum 6. Mal der Kunstsalon-Theaterpreis vergeben. Nachdem die Veranstaltung im letzten Jahr Corona bedingt nicht stattfinden konnte, durfte der Vorsitzende Andreas C. Müller und die Projektleiterin Karoline Sieg diesmal im sommerlichen Ambiente der Tanzfaktur wieder ein zahlreich erschienenes Publikum begrüßen.
Zum Auftakt begeisterte die kolumbianische Tänzerin und Choreographin Bibiana Jimémez die Zuschauer mit der Aufführung von „Fractura“. Das Gewinnerstück aus dem Vorjahr, eine Produktion von „Wehr51“ unter der Regie von Andrea Bleikamp, beschreibt eindringlich den Kampf der Künstlerin um ihre Identität und Rolle als Frau. Anschaulich nimmt die Tänzerin den Betrachter mit auf eine Reise durch die seelischen und körperlichen Verletzungen einer emigrierten Frau, die sich mit großer Willenskraft zurück auf die Bühne und ins Leben kämpft.
Sonderpreise für Andrea Bleikamp und die technische Abteilung des Orangerie-Theaters
Andrea Bleikamp konnte sich gleich nach der umjubelten Vorstellung über den Sonderpreis für ihre Regiearbeit „3 Schwestern#Voller Liebe/Im Kampfmodus“ freuen. Den Schauspielerinnen Anna Möbus und Franziska Schmitz vom neu gegründeten „schmitz+möbus kollektiv“ gelang mit dieser autobiographischen Arbeit über die faszinierende Beziehung zweier Schwestern gleich ein erfolgreiches Debüt, das mit dem neu geschaffenen Nachwuchspreis ausgezeichnet wurde.
Mit einem weiteren Sonderpreis wurde die technische Abteilung des Orangerie-Theaters bedacht. Die Moderatorin des Abends, Miriam Berger, würdigte die herausragende Qualität und den großen technischen Aufwand, mit denen in dieser Spielstätte immer wieder Aufführungen zu großen Theatererlebnissen werden.
„Kollektiv Spiegelberg“ und „disdance project“ in der Top Drei
Die in diesem Jahr neu formierte vierköpfige Jury, zu der neben den Theaterjournalisten Dorothea Marcus, Elisabeth Luft und Thomas Dahl auch der Autor dieses Berichts gehört, hatte aus den von ihnen ausgewählten 14 Produktionen freier Theatergruppen drei Arbeiten bestimmt, die das Rennen um den diesjährigen Theaterpreis unter sich ausmachten.
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Auf dem dritten Platz landete das „Kollektiv Spiegelberg“. Ihre multimediale Theater-Sound-Installation „Die sieben Gehenkten“ verwandelte den Turm der Lutherkirche in der Südstadt in eine aufregende Theaterlandschaft, in der die Beschäftigung mit dem Tod zu einem kathartischen Kunsterlebnis wurde.
„Störfall“ von „disdance project“, das zweitplatzierte Stück des Abends wusste als ebenfalls multi-mediales Gesamtkunstwerk zu überzeugen. Bei dem im Theater Tiefrot aufgeführten Stück nach Christa Wolf verbindet sich der Reaktorunfall in Tschernobyl auf nachdrückliche Art und Weise mit der persönlichen Situation einer jungen Frau in der damaligen DDR.
Gruppe „Futur3“ gewinnt mit „1934 – Stimmen“ den Hauptpreis
Der mit 5000 Euro dotierte Hauptpreis ging an die bereits mehrfach ausgezeichnete Theaterinstallation „1934 – Stimmen“ der Gruppe „Futur3“. Der szenische Rundgang durch die Räumlichkeiten des Kölner NS-Dokumentationszentrums konfrontiert den Zuschauer mit der grundlegenden Frage, wie man sich selbst in der damaligen Zeit verhalten hätte, als der Faschismus im Jahre 1934 für so viele in Deutschland zum Heilsversprechen wurde.
In der Auseinandersetzung mit den Aussagen von Zeitzeugen, die der US-Soziologe Theodore Abel 1934 in Deutschland aufgezeichnet hatte, wird das multiperspektivische Gesamtkunstwerk zu einer lebendigen und nachhaltigen Geschichtslektion. Wie alle übrigen prämierten und nominierten Stücke belegt auch der diesjährige Gewinner, wie lebendig und kraftvoll die freie Kölner Theaterszene der pandemischen Krise getrotzt hat und wie relevant sie als demokratische Kraft in die Stadtgesellschaft ausstrahlt.