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Kölner TheaterstückFaszinierende Schwestern-Beziehung

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Anna Möbus (r.) und Franziska Schmitz  als Schwestern. 

Köln – Thelma ist zu Besuch bei ihrer älteren Schwester Louise. Die beiden Frauen um die 30 sitzen in der Küche. Zwei Stühle, ein Tisch, viel mehr braucht es auf der Bühne im Proberaum der Kölner Freihandelszone nicht, um das familiäre Szenario mit Leben zu erfüllen.

Die Vertrautheit aus Kindertagen ist sofort wieder da. Es werden Freundlichkeiten ausgetauscht, intime Komplimente verteilt („Ich mag, wie du schläfst“), und die alten Rollenverteilungen reaktiviert: Thelma, die mit ihrer ungestümen Direktheit Louise gleich auf die Pelle rückt, während die ältere Schwester um die für sie nötige Balance zwischen Nähe und Distanz ringt.

Es gleicht einem Tanz, deren Choreographie sich über die familiären Strukturen erschließt, wie Regisseurin Andrea Bleikamp das Stück von „schmitz+möbus kollektiv“ inszeniert. Die beiden Schauspielerinnen Anna Möbus und Franziska Schmitz sind nicht miteinander verwandt, haben aber für ihre erste gemeinsame Arbeit über das faszinierende Verhältnis von Schwestern in den Biographien ihrer jeweiligen Familie geforscht.

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Die sehr persönlichen Gespräche mit ihren jeweiligen Müttern und deren Schwestern ist die Basis des Stückes, in dem sich biografische mit fiktiven Erzählelementen zu einem intensiven Theatererlebnis verbinden, zwischen klassischen Erzähltheater und therapeutischer Familienaufstellung.

Ein großes Puppenhaus wird auf den Tisch gestellt und beim Platzieren der kleinen Püppchen in den jeweiligen Zimmern Erinnerungen an alte Zeiten wachgerufen. Wer lag wo im Etagenbett? Welche Fernsehsendung wurde geliebt, welche Tante verehrt?

In das harmlos anmutende Spiel um die Rückbesinnung auf gemeinsame Erlebnisse mischt sich urplötzlich tiefe Trauer. Der Tag, an dem ein Unfalltod eines Geschwisters die Kindheit mit einem schweren Trauma belegte, rückt ins Bewusstsein. Bei beiden Müttern der Schauspielerinnen gab es tatsächlich einen Todesfall im Geschwisterkreis.

Gemeinsame Erlebnisse, unterschiedlich erinnert

Behutsam und mit feinem Gespür für die Fragilität dieser intimen Trauerfälle werden diese traumatischen biografischen Erfahrungen in eine fiktive Geschichte umgewandelt.

Freddy, der ältere Bruder der beiden Schwestern ertrinkt bei einem Familienausflug im Freibad. Die Schwestern nähern sich dem gemeinsamen Erlebnis aus der jeweilig unterschiedlich gefärbten Erinnerungen an. Zwei Wahrheiten stehen nebeneinander, gefüttert durch die ganz eigene Wahrnehmung und Interpretation der Ereignisse.

Thelma war mit der Tante zuhause geblieben und hatte als Überraschung für die Schwester einen Tanz zu ihren Lieblingssong aus „Arielle, die Meerjungfrau“ einstudiert. Die Ungleichheit über den Moment der Trauer, die Louise mit nach Hause zu ihrer ahnungslosen Schwester bringt, kehrt noch einmal in die Gegenwart zurück.

Ein eindringlicher Schlussakkord

Mit Hilfe zweier Live-Kameras, mit deren projizierten Bildern die Schauspielerinnen Zwiesprache halten, entfalten diese gleichzeitig konkurrierenden und sich ergänzenden Kindheitserinnerungen ihre ganze dynamische Kraft. Im körperlichen Miteinander, beim gemeinsamen Tanz, beim Einkuscheln im Bett, suchen die beiden Schwestern Ausgleich und Verständnis für die unterschiedlich geprägten Blicke auf die Vergangenheit.

Unterlegt wird dieses finale Ringen um Gemeinsamkeit mit eindringlichen Interview-Passagen, in denen ihre Mütter und Tanten ihre Erinnerungen an die tatsächlichen Unfalltode ihrer Geschwister noch einmal wachrufen.

Ein eindringlicher Schlussakkord, der noch einmal Wahrheit und Fiktion zu einem kraftvollen, authentischen Bild bündelt, das seine (Nach)-Wirkung nicht verfehlt.

"3 Schwestern #VollerLiebeImKampfmodus“, 29. Juni, 20 Uhr, Maastrichter Salon, Maastrichter Straße 17, 50672 Köln, Tickets: schmitzmoebuskollektiv@gmail.com, ein tagesaktueller Corona-Test muss nachgewiesen werden.https://freihandelszone.org