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„Lacht nur – Ich find's gut“Warum ich „Rote Rosen“ gucke

Lesezeit 4 Minuten
Rote Rosen

Schlagerstar Thomas Anders (l.) dreht bei "Rote Rosen"

Köln – Wenn ich keinen Hometrainer zu Weihnachten geschenkt bekommen hätte, wäre wohl alles ganz anders gekommen. Aber von vorn: Warum eine Telenovela? Warum diese Serienform, deren Ursprung in Brasilien liegt und die der Inbegriff des billigen Kitsches ist?

Als die erste ihrer Art in der ARD anlief, „Bianca – Wege zum Glück“, guckte ich ab und zu an einem freien Tag vorbei. Nicht oft, natürlich. Bis ich meine Mutter besuchte und wir feststellten, dass wir das beide taten, nur ab und zu, natürlich. Kurze Pause. Dann frage ich: „Und, ist die Oma schon gestorben?“ „Ach was“, antwortet meine Mutter, „schon lange.“

Dann hatte ich wieder einmal frei und blieb hängen – bei „Rote Rosen“, werktags um 14.10 Uhr in der ARD. Die erste Telenovela, die eine reife Frau in den Fokus stellt. Gut, zur Zielgruppe gehörte ich nicht (das sollte sich ändern). Die Szene der vierten Staffel zeigte eine Zeitungsredaktion. Und ich war verblüfft, dass das ein oder andere tatsächlich entfernt etwas mit der Realität zu tun hatte.

Lena ist gestürzt und gestorben

Von da an verfolgte ich sporadisch das Geschehen in Lüneburg, wo „Rote Rosen“ spielt, immer, wenn ich frei oder einen späten Dienst hatte, und las im Internet nach, was zwischendurch passierte. Wenn ich trotzdem mal was nicht wusste, fragte ich meine Mutter. „Die Lena? Ach, die ist doch kurz vor der Hochzeit so unglücklich gestürzt und gestorben.“ Das war schon Staffel 6.

Dann hatte ich die Idee, mir einen Hometrainer zu wünschen, damit ich auch was für die Fitness tun konnte, wenn es zum Joggen zu kalt war. Das Gerät landete in meinem Arbeitszimmer vor einem kleinen Fernseher. Und da eine gute Dreiviertelstunde eine prima Trainingsdauer ist, begann ich, die Folgen von „Rote Rosen“ aufzuzeichnen und beim Strampeln zu gucken. Seitdem bin ich ununterbrochen dabei.

Inzwischen ist „Rote Rosen“ bei Staffel 18 angelangt, ein Ende ist nicht in Sicht, und ich schaue sie immer noch, wenn auch meist in der Mediathek. Aber warum?

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Vielleicht deshalb: Die Telenovela darf sich mit jeder Staffel ein bisschen neu erfinden. Das hohe Paar und der Haupterzählstrang werden einmal im Jahr ersetzt. Ob sich die beiden neu verlieben, einst getrennt oder immer schon geliebt haben, ob eine böse Schwester, das Zeugenschutzprogramm oder ein unschuldig angeklagter Vater dem Glück im Weg stehen: Bis die Liebenden selig zusammen entschwinden, meist ins Ausland, gibt es viele Hürden zu überwinden. Missgünstige Ex-Partner, widrige Umstände, tragische Verkettungen – gut, das zieht sich manchmal ein bisschen, aber man bleibt mühelos auf dem Laufenden und kann dabei sogar kochen. Versuchen Sie das mal bei „Dark“, dabei kann man nicht mal twittern.

Das Prinzip ist übrigens nicht neu: Schon bei Shakespeare galt das Prinzip „willing suspension of disbelief“. Auf Deutsch: Man muss es einfach glauben wollen. Für eine Dreiviertelstunde lege ich meinen Bildungsanspruch beiseite und genieße die vertraute Umgebung: das „Rosenhaus“, in dem alle Hauptfrauen für genau eine Staffel ihren Wohnsitz nehmen.

Krankenhaus mit einem Zimmer

Das Krankenhaus, Arbeitsplatz der Ärztin Dr. Britta Berger, mit genau einem Krankenzimmer. Das Hotel mit Restaurant: So, wie es in der Lindenstraße 34 Jahre und vier Monate lang nur das „Akropolis“ und für gerade mal acht Jahre das „Casarotti“ gab, so kommt hier für jeden Gast ausschließlich ein Aufenthalt im Fünf-Sterne-Hotel „Drei Könige“ und ein Essen im „Carla’s“ (früher: „Salto“, sehr kurzzeitig: „Stint“) in Frage.

Und dann ist da ja noch das langfristige Ensemble von Nebendarstellern, das solide Gerüst der Serie, von denen immer mal wieder jemand eine echte Wucht ist. Allen voran die wunderbaren fiesen Möpps beiderlei Geschlechts. Unvergessen ist die totgeglaubte italienische Ehefrau des Hotelchefs Gunter Flickenschild, Benita, die ihn von seiner zweiten Hochzeit weg entführt und ihn schon mit dem Gurren seines Namens willenlos macht: „Guuuunter, Guuuunter!“ Mit ihr sollte es natürlich böse enden. Aber bis dahin war es ein Genuss, ihr beim Bösesein zuzusehen.

Backstein und Kopfsteinpflaster

Die dauerhafteste Hauptrolle aber spielt die Lüneburger Altstadt mit Backstein und Kopfsteinpflaster, die bei „Rote Rosen“ so verwunschen aussieht, dass man beim Anblick von Müll auf der Straße vermutlich ohnmächtig würde. Kein Wunder, dass die Tourismusabteilung Lüneburgs sehr, sehr glücklich über „Rote Rosen“ ist. Und ich bin es auch.

Derzeit geht es um zwei Frauen, die jahrzehntelang denselben Mann hatten, ohne es zu ahnen, und ihn dann gleichzeitig mit Schmackes in die Wüste schicken. Herrlich. Ob sie ihr neues Glück finden werden? Es bleibt spannend.